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Frage der Lehre. Berlin sucht dringend qualifiziertes Lehrerpersonal. Doch nicht jeder Bewerber ist gut genug.

© Martin Schutt/dp

Berlin lehnt gesuchten Fachlehrer aus NRW ab: 17 Jahre Erfahrung in der Schule sind zu wenig

Als Berufsschulpädagoge mit dem Fach Elektrotechnik gilt Carsten Herkelmann als besonders begehrt. Berlin kommt Lehrern wie ihm dennoch nicht entgegen.

Wenn ein Berliner Schulleiter ausdrücken möchte, dass er für ein bestimmtes Fach dringend nach einem Lehrer sucht und kaum Chancen auf Erfolg hat, greift er gern zum bildhaften Vergleich mit „Goldstaub“.

Er sei „Goldstaub“, bekam auch Carsten Herkelmann zu hören, als er sich bei einem Berliner Oberstufenzentrum als Lehrer für Elektrotechnik bewarb. Der 53-jährige Beamte aus Nordrhein-Westfalen ist nämlich nicht nur Diplomingenieur für das händeringend gesuchte Fach und verfügt über sieben Jahre Berufserfahrung in der Industrie, sondern hat auch 17 Jahre als Berufsschullehrer in Dortmund vorzuweisen und viele Jahre bei der Industrie- und Handelskammer mitgearbeitet. Goldstaub eben. Anfangen in Berlin kann er trotzdem nicht.

Gesuchter Fachmann. Carsten Herkelmann (53) hat 17 Jahre als Berufsschullehrer gearbeitet. Für eine Anstellung in Berlin genügt das nicht.
Gesuchter Fachmann. Carsten Herkelmann (53) hat 17 Jahre als Berufsschullehrer gearbeitet. Für eine Anstellung in Berlin genügt das nicht.

© privat

Zwar fand Herkelmann Schulen, die ihn haben wollten, und mit der Lichtenberger Hein-Möller-Schule war er schon einig, wie der dortige Schulleiter auf Anfrage bestätigte. Aber die Senatsverwaltung für Bildung machte einen Strich durch die Rechnung, denn Herkelmann ist Quereinsteiger.

Ein Quereinsteiger. Aber aus Dortmund

„Mein Abschluss wird in Berlin nicht anerkannt, da ich kein zweites Staatsexamen im klassischen Sinne habe“, berichtet der Elektrotechniker. Da hilft es auch nicht, dass er an einer Qualifizierungsmaßnahme mit Referendariat und pädagogischer Nachschulung teilgenommen hat, wie er darlegt: Ohne zweites Staatsexamen führt kein Weg in seine Berliner Beamtenlaufbahn. Mit anderen Worten: Die Berliner Vorschriften sind strenger als die in Nordrhein-Westfalen.

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Zwar könnte Herkelmann versuchen, in Berlin als Quereinsteiger genommen zu werden – in diesem Fall allerdings müsste er auf alle Vorrechte verzichten, die ihm als Beamter zustehen und die er bei einem Verbleib in NRW sicher hat: hohe Pension, volle Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und vieles mehr. Das hat er nicht vor.

Dass Berlin Herkelmann nicht als Beamten übernehmen kann, hat allerdings nichts damit zu tun, dass hier Lehrer seit 2004 nicht mehr verbeamtet werden: Generell ist Berlin bereit, Lehrer aus anderen Bundesländern als Beamte zu übernehmen, wenn sie dort schon verbeamtet wurden. Allerdings ist dabei das Berliner Recht zu beachten. Und das ist in diesem Punkt nun mal streng. Wobei Herkelmann sich fragt, warum ausgerechnet das so von Lehrermangel geplagte Berlin strengere Regeln hat als etwa NRW – und das bei einem Fach wie Elektrotechnik, das nur höchst selten auf Lehramt studiert wird.

Angst vor Ausnahmen

Was auf Herkelmann und betroffene Schulleiter absurd oder zumindest ärgerlich wirken mag, stößt bei der Interessenvertretung der Beruflichen Bildung in Berlin (BBB) auf Verständnis: „Die Qualitätsanforderungen, die Berlin stellt, sind nicht vom Himmel gefallen“, sagt der Vereinsvorsitzende Ronald Rahmig, der selbst ein Oberstufenzentrum leitet. Er mahnt, dass die Qualität sinken könne, wenn man damit anfängt, die Tür für Ausnahmen zu öffnen: „Dann kriegt man die Tür nicht mehr zu“, befürchtet Rahmig.

Sein Verein schlägt vor, es stattdessen Meistern zu ermöglichen, berufsbegleitend den Master und dann das Referendariat nachzuholen und so in den Lehrerberuf hineinzufinden. Die Bildungsverwaltung müsse flexibler sein, da es „immer weniger geeignete Quereinsteiger“ auf dem Markt gebe, betont auch Rahmig.

Berlin lädt wieder zum Berlintag

Es gibt allerdings auch positive Entwicklungen auf dem Bewerbermarkt: Das relativ neue Angebot an Bachelorabsolventen, ein Stipendium von monatlich 500 Euro zu bekommen, wenn sie zum Master in ein Lehramtsstudium wechseln, „trägt langsam Früchte“, hat Volker Dahms vom Neuköllner Oberstufenzentrum Informations- und Medizintechnik festgestellt. Das Angebot sei allerdings „zu spät“ erfolgt.

Carsten Herkelmann hat sich unterdessen noch nicht damit abgefunden, dass Berlin „Goldstaub“ wie ihn nicht nimmt. Er verweist darauf, dass es doch gerade in der beruflichen Bildung darauf ankomme, dass ein Lehrer „Industrieprozesse lehren und erklären kann“ – und das sei eben viel wahrscheinlicher, wenn jemand wie er jahrelang in der Industrie gearbeitet habe, anstatt auf Lehramt zu studieren.

140 Infostände - nicht nur für Lehrer

Vor allem aber versteht Herkelmann nicht, warum ausgerechnet das so stark von Lehrermangel geplagte Berlin an seinen hohen Anforderungen festhält – und gleichzeitig so unter dem Mangel leidet, dass es jetzt erneut auf seinem „Berlintag“ aufwendig um auswärtige Lehrer wirbt: Am 29. Februar, von 9 bis 16 Uhr, sind an mehr als 140 Ständen Gespräche mit Vertretern von Schulen, Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen, Jugendämtern und Universitäten über Einstiegsmöglichkeiten und berufliche Perspektiven möglich. Ort: Hangar 6 des Flughafens Tempelhof.

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