zum Hauptinhalt
Monika Grütters, 55, war von 1995 bis 2005 für die CDU im Abgeordnetenhaus. Nach der Wahlniederlage 2017 übernahm sie das Amt als Chefin der CDU Berlin.

© picture alliance / Soeren Stache

Berliner CDU-Chefin Monika Grütters: „Der Senat hat keinen Plan, wo es hingehen soll“

Die Bundeskulturbeauftragte und CDU-Landeschefin Monika Grütters spricht im Interview über eine neue Vision für Berlin, die zähe Regierungsbildung und ihre politische Zukunft.

Von
  • Ronja Ringelstein
  • Ulrich Zawatka-Gerlach

Frau Grütters, wird es eine neue Große Koalition im Bund geben?

Ich wünsche mir das, weil Deutschland eine stabile Regierung braucht – bei allem Verständnis für die SPD, die in einer schwierigen Lage ist. Ich hoffe aber, dass sich die Sozialdemokraten aufraffen, denn wir haben in den vergangenen vier Jahren ja gut zusammengearbeitet. Leider sind wir jetzt in einer eigentümlichen Lage, die von den Müttern und Vätern des Grundgesetzes nicht vorgesehen war: Es gibt mehr Parteien, die ihre Regierungsverantwortung nicht wahrnehmen wollen als es Möglichkeiten zur Regierungsbildung gibt. Dass ausgerechnet bürgerliche Parteien, die wie die FDP und auch die SPD sich ja längst in Regierungen bewährt haben, dies in einer herausfordernden Zeit wie der jetzigen ablehnen, ist den Wählern kaum zu vermitteln.

Viele Bürger wollen nicht schon wieder eine „GroKo“

Jüngste Umfragen sehen es anders. Und CDU, CSU und SPD hätten die Chance, die großen Zukunftsfragen anzugehen. Dazu gehören die Digitalisierung von Wirtschaft und Verwaltung, Investitionen in Bildung, Wissenschaft und Forschung, ein ausgeglichener Bundeshaushalt und die Rekrutierung qualifizierter Arbeitskräfte. Meines Erachtens brauchen wir ein Fachkräfte-Zuwanderungsgesetz. Es geht um grundlegende Reformen, die Deutschlands Position stärken. Das gilt auch für die innere Sicherheit, das Pflege- und das Rentensystem.

Ist die SPD nicht in der besseren Verhandlungsposition? Denn ohne sie wird es keine neue Bundesregierung geben.

Ein Wettbewerb, wer kriegt hier was, sollte zurückstehen hinter der Einsicht, dass es um Verantwortung für das große Ganze geht. Deshalb macht es wenig Sinn, vor Beginn der Koalitionsverhandlungen rote Linien zu ziehen.

Trotzdem die Frage: Wer kriegt oder behält die Kulturpolitik? Möchten Sie Ihr Amt weiterführen?

Natürlich würde ich gern weitermachen, das liegt doch auf der Hand. Die kulturpolitische Zusammenarbeit mit dem Kanzleramt, mit der eigenen Partei und mit dem Koalitionspartner hat reibungslos funktioniert. In einer möglicherweise zweiten Amtszeit ließen sich auch größere Projekte angehen, etwa die Neuordnung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

Sie haben, als CDU-Landeschefin, eine Wunschliste für die künftige Bundesregierung an Kanzlerin Merkel geschickt. Mit Themen, die für Berlin wichtig sind. Was steht da drauf?

Bei den Berliner Grundstücken des Bundes muss sich die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben davon verabschieden, ihre Liegenschaften zum Höchstpreis zu verkaufen. Viele dieser Grundstücke haben eine gute City-Lage und sollten vor allem für einen sozial verträglichen Mietwohnungsbau zur Verfügung gestellt werden. Bei der Wohnungsbauförderung des Bundes sollten die Mieter einkommensabhängig unterstützt werden. Zum Volksentscheid für die Offenhaltung des Flughafens Tegel erhofft sich die Berliner CDU eine klare Haltung des Bundes. Sogar der Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter hat umgeschwenkt und einen übergangsweisen Parallelbetrieb in Tegel und Schönefeld vorgeschlagen. Wir fordern auch die Verlängerung der Stadtautobahn A 100 und die Ausweitung der Videoüberwachung an gefährlichen Orten.

Finden Sie es schade, dass aus Jamaika nichts geworden ist?

Ja, ich bedaure das. Es hätte ein Projekt mit einem versöhnenden Charakter für Deutschland werden können. Wir hätten ideologische Grabenkämpfe der letzten Jahrzehnte beenden können. Jamaika wäre ein echter Aufbruch geworden. Der Versuch wäre es wert gewesen – zumal wir davon ausgehen müssen, dass künftig nicht nur in den Ländern, sondern auch im Bund Dreierkonstellationen benötigt werden, um zu regieren.

„Dem Senat fehlt der große Wurf“

Monika Grütters, 55, war von 1995 bis 2005 für die CDU im Abgeordnetenhaus. Nach der Wahlniederlage 2017 übernahm sie das Amt als Chefin der CDU Berlin.
Monika Grütters, 55, war von 1995 bis 2005 für die CDU im Abgeordnetenhaus. Nach der Wahlniederlage 2017 übernahm sie das Amt als Chefin der CDU Berlin.

© picture alliance / Soeren Stache

Vielleicht wäre Jamaika ja ein schickes Modell für 2021, wenn in Berlin das Abgeordnetenhaus neu gewählt wird?

Das will ich nicht ausschließen. Jedenfalls fände ich eine solche Koalition deutlich besser als Rot-Rot-Grün.

Vorerst ist die Berliner CDU noch in der Opposition, und ihnen wird vorgeworfen, sich nur halbherzig um die Landespolitik zu kümmern.

Nun, ich bin ja auch in erster Linie Bundespolitikerin, aber ich habe auch einen landespolitischen Anspruch. Für die Berliner CDU habe ich mir viel vorgenommen. Im ersten Jahr meiner Amtszeit als Vorsitzende habe ich mich in der eigenen Partei drei Mal erfolgreich zur Wahl gestellt: Im vergangenen Dezember wurde ich an die Parteispitze gewählt, im März für Platz eins der Bundestagsliste nominiert und im Juni als CDU-Landesvorsitzende im Amt bestätigt. Wir haben einen rundum erneuerten Landesvorstand, in dem die Hälfte der Mitglieder Frauen sind – das hat noch kein anderer Landesverband der Union hingekriegt. Wir haben in diesem Jahr zwei große Mitgliederbefragungen durchgeführt, und den Bundestags-Wahlkampf darf man auch nicht vergessen. Ich tausche mich viel mit den Kreisverbänden aus, da gehen viel Kraft und Zeit hinein. Und schließlich: Das neue Gesicht der CDU Berlin kommt gut an. Die Berliner CDU hat in diesem Jahr rund 1000 neue Mitglieder gewonnen, wir liegen in Umfragen vorn. Das war, alles in allem, ein großer Kraftakt, an dem ich nun wirklich nicht unbeteiligt war.

Und was kommt jetzt?

Jetzt ist die Berliner CDU so aufgestellt, dass wir 2018 in ein Programm-Jahr starten können.

Seit einem Jahr leitet Ex-Senator Mario Czaja das neue „Zukunftsforum“ der Berliner CDU. Hier wollen Sie Konzepte entwickeln, wie Wähler zurückgeholt und Kontakte zu Verbänden verbessert werden können. Gibt es Ergebnisse?

Mit unserer Mitgliederbefragung vor einem Jahr haben wir das Wahlergebnis gründlich aufgearbeitet. Die Auswertung hat mehr Text als Goethes „Faust“. Wir haben neue Formate eingeführt, wie den „Berlin-Salon“ und die Bürgergespräche. Wir hatten einen großen Bürgerkonvent zur Inneren Sicherheit. Mit der Fraktion entwickeln wir ein Mobilitätskonzept. Und jetzt arbeiten wir an zukunftsweisenden Thema Schulsanierung und Bildung. Es ist ja schlimm genug, dass Berlin immer noch Schlusslicht im Bildungsvergleich ist und die Schulen vor sich hinbröckeln. An diesen Aufgaben wirken Mario Czaja und das Zukunftsforum intensiv mit. Und ich persönlich habe auch noch einen Plan.

Dann erzählen Sie mal…

Ich möchte für und gemeinsam mit der Berliner CDU eine Vision entwerfen, unsere Idee für die Zukunft Berlins, einer Stadt, die die ganze Welt als Sehnsuchtsort verehrt. Ich wünsche mir eine Art Grundsatzprogramm, neue politische Leitlinien für die Metropole Berlin.

Und wie entwickeln Sie das?

Ich bringe ab Januar Experten zusammen, die Berlins Zustand und Möglichkeiten definieren, Szenarien entwerfen und neue Wege zeichnen. Kluge Köpfe aus Stadtentwicklung, Stadtsoziologie und Verwaltung sollen mit Fachleuten der Partei Leitlinien für die Zukunft erarbeiten.

Ergebnisoffen?

Ein schönes Wort. Ja, ich will einen pragmatischen Ansatz. Etwa beim Thema Mobilität: Der Autoverkehr in der überfüllten Stadt hat nun mal eine natürliche Grenze. Mehr geht irgendwann nicht mehr. Deshalb müssen wir Antworten finden auf die Fragen: wie organisieren und ertüchtigt man den öffentlichen Nahverkehr, wie kann man Verkehrsströme intelligenter leiten, wie lassen sich große Infrastrukturprojekte nachhaltiger planen? Derzeit ergeht sich der Senat bei solchen Themen im Klein-Klein. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller müht sich redlich, aber die Schwerpunkte werden nicht richtig gesetzt. Es fehlt der große Wurf.

„Ich brenne für Berlin“

Monika Grütters, 55, war von 1995 bis 2005 für die CDU im Abgeordnetenhaus. Nach der Wahlniederlage 2017 übernahm sie das Amt als Chefin der CDU Berlin.
Monika Grütters, 55, war von 1995 bis 2005 für die CDU im Abgeordnetenhaus. Nach der Wahlniederlage 2017 übernahm sie das Amt als Chefin der CDU Berlin.

© picture alliance / Soeren Stache

Müsste sich die CDU in der Kritik an Rot- Rot-Grün nicht zurückhalten? Viele Probleme hat Rot-Schwarz schon nicht gelöst.

Der Hinweis ist berechtigt, deshalb äußere ich mich sachlich und konstruktiv oder halte mich auch mal zurück. Wenn etwa gesagt wird, es gebe noch viel zu wenige Stellen in den Bezirksämtern, dann denke ich: Es sind jetzt immerhin mehr als in den vergangenen Jahren. Auch Rot-Rot-Grün macht nicht alles falsch. Aber der Senat hat keinen Plan, wo es hingehen soll. Unter Rot-Schwarz haben wir die Stellen der Polizei signifikant erhöht und im Hauptstadtfinanzierungsvertrag die Mittel für die innere Sicherheit vervielfacht – das war Frank Henkels Verhandlungserfolg. Die Probleme sind nicht von uns gelöst, aber erstmals angegangen worden.

Der frühere Innensenator und CDU-Landeschef Frank Henkel ist abgetaucht. Es gibt auch parteiintern viel Kritik an ihm. Wie stehen Sie zu ihm?

Ich würde es sehr bedauern, wenn er sich völlig aus der politischen Arbeit zurückzöge. Er ist ein feiner Kerl, und wir brauchen gute Charaktere, die politisch was draufhaben. Ich würde mir nur wünschen, dass er sich weiter in die Berliner CDU einbringt. Aber er ist ja nun auch gerade zum zweiten Mal Vater geworden, was ihm sicher große Freude bereitet.

Vor über einem Jahr haben Sie sein Amt übernommen. Ist es nicht sehr anstrengend, die Berliner CDU zu führen?

Ich bin jetzt 37 Jahre CDU-Mitglied – da habe ich schon vieles erlebt, mich kann nicht mehr viel überraschen. Was allerdings nicht nochmal passieren darf, ist das, was wir am 2. Dezember letzten Jahres erlebt haben, als unser Generalsekretär Stefan Evers erst im zweiten Wahlgang gewählt wurde. Eine unnötige und destruktive Machtdemonstration. Aber das haben wir hinter uns gelassen, wie der Parteitag im Juni mit großen Mehrheiten für die gesamte Parteiführung gezeigt hat.

Sie haben mal gefordert: „weniger Hinterzimmer, mehr Miteinander“.

Richtig. Das klappt jetzt viel besser – auch, weil wir einen neu zusammengesetzten Landesvorstand haben. Das ist nicht mehr nur Funktionärsauslese, auch die Mitgliederbefragungen haben einen neuen Geist gebracht. Ich finde, auch über unseren Spitzenkandidaten sollten in Zukunft die Mitglieder entscheiden. Und als neue Landesvorsitzende habe ich eine andere Führung in die Truppe gebracht, auch das ist wichtig.

Manche sagen, Sie könnten nicht führen.

Die kennen mich wohl immer noch nicht. Ich habe sicher meinen eigenen Führungsstil. Stefan Evers und ich sind als Duo prima. Wir teilen die Leidenschaft für unsere Stadt und den Veränderungswillen nach innen wie nach außen. Mir gefällt es, dass ich mit ihm auch mal herzhaft lachen kann. Außerdem läuft bei uns im Gegensatz zu manch anderer Partei hier die Zusammenarbeit mit der Landtagsfraktion sehr gut. Während sich die FDP im Landesparlament ja als One-Man-Show gibt, ist unsere Fraktion mit Florian Graf an der Spitze äußert fleißig. Und wir zeigen nicht nur ein Gesicht.

Stehen Sie bei der nächsten Wahl, wann immer sie ist, als Spitzenkandidatin der Berliner CDU zur Verfügung?

Ich brenne für Berlin. Ich möchte nicht woanders leben als in dieser meiner Wahlheimat. Ich habe die Stadt an den entscheidenden Punkten Wissenschaft und Kultur mit viel Leidenschaft mitgestaltet. Es macht mir Spaß zu sehen, was in der Landespolitik möglich ist, und mich reizt es jetzt sehr, eine neue Zukunftsvision für die Stadt zu erarbeiten. Aber personelle Fragen klären wir zu gegebener Zeit. Zu frühe Personalentscheidungen führen erfahrungsgemäß dazu, die Spitzenkräfte zu verschleißen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false