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"Wir essen traditionell Fleischfondue. Das kann man sehr gut vorbereiten." - Burkhard Dregger mag es an Weihnachten deftig.

© Kai-Uwe Heinrich

Berliner CDU-Fraktionschef Dregger: „Das Wort heißt Glaube, nicht Wissen“

Burkard Dregger ist Vorsitzender der Berliner CDU-Fraktion. Ein Gespräch über seine Religiosität, christliche Werte in der Politik – und wo diese fehlen.

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Herr Dregger, sind Sie in Weihnachtsstimmung?

Ja, das bin ich. Ich war mit meiner Tochter auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz. Immer, wenn wir dort hingehen, haben wir zweierlei Gefühle. Einerseits ein höchst sensibler Ort, wo vor zwei Jahren dieser furchtbare Terroranschlag stattgefunden hat. Ich habe ein Jahr lang den Amri-Untersuchungsausschuss geleitet und das Leid der Hinterbliebenen kennengelernt. Und andererseits haben wir die Friedfertigkeit des Weihnachtsmarktes genossen. Aber man hat immer den Anschlag im Kopf. Wir gehen trotzdem dorthin als Signal, dass wir uns nicht terrorisieren lassen und keine Angst haben. Meine 18-jährige Tochter sieht das auch so. Wir beide waren auch in der Gedächtniskirche und haben ein Gebet gesprochen für die Hinterbliebenen, die Opfer und unsere Familie.

Was halten Sie von den Sicherungsmaßnahmen am Breitscheidplatz?
Die sind schon massiv, aber sie stören mich nicht. Sie geben ein Gefühl der Sicherheit, auch wenn wir wissen, dass man damit nicht alle Anschlagsformen ausschließen kann.

Reichen die Maßnahmen aus?
Man hat richtigerweise auf Taschenkontrollen verzichtet, um den Charakter des Weihnachtsmarktes nicht zu gefährden. Ich hätte angesichts des Straßburger Attentates aber Verständnis für verstärkte Kontrollen gehabt.

Können Sie gut verzeihen?
Ja, ich glaube schon.

Auch einem Attentäter wie Amri?
Ich bin zwei Jahre nach dem Anschlag noch immer unversöhnlich. Weil er vorsätzlich Menschen getötet hat. Und weil ich den anhaltenden Schmerz der Hinterbliebenen vor wenigen Tagen bei der Gedenkstunde am Breitscheidplatz erneut deutlich erlebt habe. Ich hoffe vor allem, dass die Zeit und unser aller Mitgefühl ihre Wunden heilen.

Besucher nehmen vergangenen Mittwoch an einer Abendandacht in der Gedächtniskirche am Breitscheidplatz teil.
Besucher nehmen vergangenen Mittwoch an einer Abendandacht in der Gedächtniskirche am Breitscheidplatz teil.

© Carsten Koall/dpa

Was bedeutet die Vorweihnachtszeit?
Das ist für mich eine Zeit der Vorfreude. Wir haben zuhause einen Adventskranz und Adventskalender mit kleinen Geschenken für meine Frau und meine Kinder, die schon 14, 16 und 18 Jahre alt sind. Wir finden diese Tradition schön, der Kalender führt zum Weihnachtsfest am 24. Dezember hin. Das ist für meine Familie der Höhepunkt. Advent heißt ja auch Ankunft des Erlösers. Ich genieße diese besinnliche Zeit.

Wie feiern Sie Weihnachten?
Zwei Tage vorher wird der Weihnachtsbaum gekauft. Am Heiligen Abend nach dem Frühstück wird er erst ins Wohnzimmer gebracht, aufgestellt und geschmückt unter anderem mit dunkelroten Christbaumkugeln und Strohsternen. Aber kein Lametta. Diese Tradition muss ohne geringste Abweichung erfolgen. Das wollen meine Kinder so. Dann stellen wir die Krippe mit der Heiligen Familie auf. Danach gehen wir in einen Kindergottesdienst. Nach unserer Rückkehr werden die Lichter am Baum entzündet. Ich beginne die Weihnachtsgeschichte aus dem Lukas-Evangelium vorzulesen. Diese Tradition habe ich von meinem Vater übernommen. Dann sitzen alle mehr oder weniger ungeduldig da. Wir singen schöne Weihnachtslieder. Erst dann gibt es die Geschenke. Es gibt nichts Schöneres als glänzende Kinderaugen. Weihnachten ist das Fest der Familie.

Der wievielte Kirchenbesuch in 2018 wird das für Sie am Heiligen Abend sein?
Wir sind nicht übermäßige Kirchgänger. Das kann man in diesem Jahr an zwei Händen abzählen. Der Glaube spielt bei uns trotzdem eine große Rolle. Und wir sprechen auch darüber. Es macht keinen Sinn, auf Kinder Glaubenszwang auszuüben. Man darf auch mal zweifeln. Das Wort heißt ja auch Glaube, nicht Wissen. Man kann den Glauben nur vorleben und erklären, dass unabhängig davon, wie viel man glaubt, der Glaube und die Kirche eine große Friedensinstitution sind. Und die zehn Gebote sind als Sittengesetz die Grundlage für ein friedliches Zusammenleben von Menschen und für gegenseitigen Respekt. Um dem Glauben näher zu kommen, braucht man auch Zeit und Reife.

Gehört der Glaube in Ihrem Leben dazu?
Ja, unbedingt. Wenn ich Zeit habe, liebe ich es, in eine leere, stille Kirche zu gehen. Dann spüre ich dort innere Ruhe und beginne zu reflektieren. Das schafft man nicht in der Alltagshektik. Ich empfinde die Kirche als wunderbaren Ort der Reflexion.

Wann haben Sie das zuletzt getan?
Als ich Fraktionsvorsitzender wurde, habe ich das aus Zeitgründen nicht getan. Da musste ich mich nicht nach dem Gewissen befragen. Aber nach dem ersten und zweiten juristischen Staatsexamen bin ich unmittelbar nach der Prüfung in eine Kirche gegangen, habe dort entspannt, dem Herrgott gedankt und darüber nachgedacht, welches berufliche Angebot ich wahrnehme. Und statt in einer Großkanzlei in Frankfurt am Main mit einem lukrativen Job anzufangen, bin ich nach Berlin gegangen und habe mich als Anwalt selbstständig gemacht. Auch vor meiner Eheschließung habe ich in der Kirche darüber reflektiert.

Gehen Sie ab und zu zur Beichte?
Das habe ich schon lange nicht mehr gemacht. Aber ich spreche in meinen Gebeten sehr offen mit meinem Herrn. Eine Beichte kann helfen, seine Seele in einem geschützten Raum zu entlasten. Ein Geistlicher kann gut Rat geben.

Wirkt sich Ihr Glaube in der Politik aus?
Ich bin sehr geprägt durch den christlichen Glauben und meine Erziehung. Ich war Messdiener. Das war die gesamte Schulklasse, auch der türkische Mitschüler als Teil der Gemeinschaft. In der Politik habe ich den Anspruch, morgens in den Spiegel sehen zu können und zu sagen, dass ich nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt habe. Das betrifft auch den Umgang mit Mitarbeitern, Kollegen oder Flüchtlingen. Wir müssen Haltung zeigen und dürfen nicht Populisten hinterherrennen. Wir müssen ehrlich sagen, warum wir wofür sind. Diejenigen, die keinen Schutzbedarf haben, müssen unser Land wieder verlassen. Aber diejenigen, die Schutz bedürfen, müssen unsere Hilfe erhalten. Ich diene den Interessen unseres Landes, aber unser Land ist nicht rücksichtslos und egoistisch. Ich bin manchmal sehr befremdet, was ich in der Politik erlebe.

Wie empfinden Sie den Umgang mit dem Grünen-Politiker Jens-Holger Kirchner, der schwerkrank in den einstweiligen Ruhestand versetzt wurde?
Der Umgang ist unterirdisch. Das hat nicht nur Herr Kirchner so empfunden, dieses Unbehagen gab es in allen Parteien. Es handelt sich hier um einen Mitarbeiter, der in einer gesundheitlichen Krise ist, bei dem seine berufliche Tätigkeit auch Teil eines Genesungsprozesses ist. Deshalb befremdet mich der von der Verkehrssenatorin forcierte Rausschmiss von Kirchner. Zurecht gab es da heftige Kritik. Die Grünen moralisieren ständig anderen gegenüber. Hier sind sie ihren eigenen Maßstäben nicht gerecht geworden. So etwas tut man nicht als christlich erzogener Mensch. Das befremdet mich sehr. Da darf man schon Zweifel an der charakterlichen Eignung der Verkehrssenatorin Günther äußern.

Braucht es mehr christliche Werte in der Politik?
Sie schaden mit Sicherheit nicht. Aus zwei Gründen: Sie dämmen Konflikte ein im Zusammenleben der Menschen. Und sie gebieten Nächstenliebe und Fairness gegenüber Schwachen.

Warum sind Sie nicht für den Reformationstag als gesetzlicher Feiertag?
Wir als Berliner CDU finden das Konzept des wechselnden einmaligen Feiertags gut, weil es zu einem bewussten Gedenken führt. Das kann neben dem Reformationstag der Tag des Grundgesetzes und der Tag des Mauerfalls sein, jedes Jahr ein anderer wichtiger Jubiläumstag. Wir würden gern einmalige Feiertage auch für die nächsten Jahre definieren.

Hat Religion und Glaube in Berlin für Sie als Katholik den richtigen Stellenwert?
Die Religion spielt hier traditionell eine geringere Rolle. Damit habe ich kein Problem. Wir haben hier Multireligiosität. Mich nimmt ja niemand vor allem als Katholik wahr, sondern als Mensch, Familienvater, Rechtsanwalt und Abgeordneter.

"Die CDU hat christliche Prägungen, die wir als Wert ansehen und diese gern erhalten"
"Die CDU hat christliche Prägungen, die wir als Wert ansehen und diese gern erhalten"

© Kai-Uwe Heinrich

Was bedeutet heute das C in der CDU?
Wir dienen unserem Land und unserem Volk aus christlicher Verantwortung. Dabei registrieren wir neue Mitglieder aus unterschiedlichen Religionen. Natürlich erklären wir, dass die CDU nicht Befehlsempfängerin des Papstes ist. Aber die CDU hat christliche Prägungen, die wir als Wert ansehen und diese gern erhalten. Es ist unsere Aufgabe zu überzeugen, dass wir die richtigen Inhalte vertreten und die richtigen Köpfe haben. Ein erkennbarer Wertekompass gehört dazu.

Wird das mit der neuen Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer gelingen?
Davon bin ich überzeugt. Ich fand den mehrwöchigen Wettkampf der Kandidaten sehr befreiend.

Können Sie sich einen Mitgliederentscheid in Berlin für die Spitzenkandidatur vorstellen?
Wir können über alles nachdenken, wenn es notwendig wäre. Aber jetzt haben wir eine gute Aufgabenteilung: Monika Grütters als Parteichefin, Stefan Evers als Generalsekretär, ich als Fraktionschef und Mario Czaja als stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Wir können nur als Team gewinnen.

Zum Schluss die wichtigste Frage: Was kommt bei Ihnen Weihnachten auf den Tisch?
Wir essen traditionell Fleischfondue. Das kann man sehr gut vorbereiten. Niemand muss lange dafür in der Küche stehen.

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