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Schuss nicht gehört. Berlins Innensenator Frank Henkel lässt es krachen - in seinem Nebenberuf als Sportsenator bei der Eröffnung des Sechstagerennens. Aber beim Wahlvolk ist der CDU-Spitzenkandidat keine Stimmungskanone.

© picture alliance / dpa

Berliner CDU im Wahljahr: Die Union ist der Hauptstadt nicht gewachsen

Die Merkel-Partei interessiert sich nicht für Berlin. Dabei braucht die wachsende Metropole so dringend eine wählbare Alternative zum linken Mainstream. Der Weckruf eines Wechselwählers.

Ich bekenne: Ich habe noch nie CDU gewählt. Aber ich wäre ein möglicher CDU-Wähler: 50 Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder, protestantisch, Akademiker, angestellt. Und ich bin Wechselwähler. Ich ließe mich überzeugen von einer glaubwürdigen konservativ-liberalen Metropolenpartei, innovations- und wirtschaftsfreundlich, mit integrativer Kraft für die Stadtgesellschaft. Eine moderne Partei für die bürgerliche Mitte wäre gefragter denn je.

Aber Berlin, das wichtigste Großprojekt der Republik, hat keine regierungsfähige CDU, die den Zukunftsaufgaben der Hauptstadt gewachsen ist. Dafür fehlen der Union Personal, Programm, Perspektive – und das Potenzial, neue Wähler zu mobilisieren. Es ist die logische Folge ihrer blassen Nebenrolle in der SPD-geführten Koalition, in der die CDU weder Kontur noch Profil entwickelt hat. Die Beziehung ist zerrüttet, eine Neuauflage der großen Koalition für alle Beteiligten eine Horrorvision. Im September wird gewählt, und wenn sich die Stimmung nicht dramatisch dreht, wird Michael Müller auch den nächsten Senat als Regierender Bürgermeister anführen, zwei mögliche Koalitionspartner links der Mitte stehen bereit.

Ist das eine Alternative? Nein, weil keine echte Wahl bleibt. Die einzige Alternative zur strukturellen Dauermehrheit von SPD, Grünen und Linken wäre eine Hauptstadt-CDU, die diesen Namen verdient, ihn selbstbewusst und überzeugend verkörpert. Leider ist die Berliner Union weit davon entfernt, diese Alternative zu bieten, in der Wählergunst ist sie auf 20 Prozent geschrumpft. Nur eine Momentaufnahme? Wenn die Abgeordnetenhauswahl alternativlos bleibt, dann trägt dafür die CDU die Verantwortung, allen voran ihr Landesvorsitzender Frank Henkel.

Kraftlos und verzagt startet der Spitzenkandidat ins Wahljahr

Kraftlos, unentschlossen und verzagt wirkt der Spitzenkandidat. Konfliktscheu und passiv sei er, ist aus der Partei zu hören. Schlechte Startbedingungen für das Wahljahr. Als Innensenator liefert Henkel eine schwache Performance. Die rechtsfreien Zonen und „Angsträume“, denen er einst als Law-and-Order-Mann den Kampf ansagte, sind nicht kleiner geworden, das Vertrauen der Bürger in die zivile Ordnung nicht größer. Lageso-Senator Mario Czaja steht in der Flüchtlingskrise als tragische Symbolfigur für den Kollaps der Verwaltung. Und Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer muss sich von der Industrie- und Handelskammer Stillstandspolitik vorwerfen lassen – in der dynamischsten Wachstumsregion der Republik! Nur Justizsenator Thomas Heilmann fiel nicht unangenehm auf, seine größte Leistung: Er hat die Altherrenriege der mächtigen Südwest-CDU ruhiggestellt.
Sei's drum: Das politische Feld jenseits des linken Mainstreams liegt brach. Wo bleibt das Konzept für Sicherheit statt Laissez-faire? Wo die Bildungsoffensive gegen die Gleichmacherei? Wo das Bündnis für Integration, der Pakt für Innovation, das Projekt für eine aktive Bürgerschaft?

Vom Erfolg der Merkel-Partei hat auch da, wo er am Größten war, nie etwas auf die Hauptstadt-Union abgefärbt. Das Interesse der Bundes-CDU an Berlin reicht über das Regierungsviertel nicht hinaus: Der letzte ihrer Politiker von Rang, der eine Spitzenkandidatur dankend ablehnte, war Klaus Töpfer. Danach kam Friedbert Pflüger. Das war 2006! Selbst eine Einheimische mit Strahlkraft wie die Vize-Landesvorsitzende Monika Grütters bleibt lieber Staatsministerin im Kanzleramt, als in den Kampf um das Rote Rathaus zu ziehen. Hat die CDU Angst vor Berlin? Vor der erstarrten SPD?

Dabei weiß die Union, dass es in den Metropolen auch um ihre Zukunft geht. Sie hat sogar einen Großstadtbeauftragten, den Bundestagsabgeordneten Kai Wegner, im Nebenberuf Generalsekretär der Berliner CDU. Die Großstädte seien „die Taktgeber unserer Gesellschaft“, schreibt er auf seiner Website, „bezahlbares Wohnen und eine nachhaltige Stadtentwicklungspolitik“, „gelebte Vielfalt und gesellschaftspolitische Liberalität“, „Sicherheit und Sauberkeit“ seien „entscheidende Zukunftsthemen“.

Es bleibt nicht viel Zeit, dieser Politik endlich ein Gesicht zu geben. In Berlin läuft der CDU die Zukunft davon.

Was meinen Sie? CDUnmöglich? Oder kommt noch ein Henkel dran? Diskutieren Sie Frank und frei mit - über die Kommentarfunktion unten auf dieser Seite.
Dieser Text erschien zunächst als Rant in unserer gedruckten Sonnabendbeilage Mehr Berlin.

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