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Noch-Landesvorsitzender der CDU Frank Henkel (M) mit Bundeskulturstaatsministerin Monika Grütters und dem ehemaligen Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (l).

© picture alliance / dpa

Berliner CDU: Letzte Chance für den Neustart

Berlins CDU muss sich grundlegend verändern – sonst wird es schwer, gegen die AfD zu bestehen. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Gerd Nowakowski

Bloß kein Chaos, die Niederlage ist schlimm genug. So zivil war es nicht immer in Berlins CDU. Dass nicht mehr das Prinzip Schlachtplatte, sondern geordnete Neubesinnung ansteht, gehört zu dem, wofür Parteifreunde dem Noch-Parteichef Frank Henkel danken können – dem Mann, der die CDU nach turbulenten Jahren wieder regierungsfähig machte. Ohne Tricks, Ausflüchte, Schuldverteilen – so zu stehen, auch wenn es innerlich schmerzt und vieles zu sagen wäre über gemeinsam begangene Fehler, ist ihm hoch anzurechnen. Zur Unzufriedenheit der Wähler trug neben der Kanzlerin doch auch bei, dass Justizsenator Thomas Heilmann und Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer ziemlich blass blieben und Sozialsenator Mario Czaja sich in der Lageso-Krise aufrieb. Und vielleicht wäre die Wahl anders ausgegangen, wenn 2011 die CDU Henkel nicht gezwungen hätte, in der Koalition – wenig überzeugend für Berliner und für Parteifreunde – den harten Innensenator zu geben, obwohl er gern das Wirtschaftsressort wollte. Es wäre die bessere Entscheidung gewesen. In der Stadt, die im Aufbruch ist und eine wirtschaftliche Dynamik hat, ein solches Gestaltungsressort zu übernehmen, wäre eine Ansage gewesen, dass sich auch die CDU verändern muss.

Es wurde viel Zeit verloren

So blieben die vergangenen fünf Jahre ungenutzt, das noch ziemlich altbacken-konservative Image abzulegen und neue Gesichter nach vorne zu bringen. Der Neustart muss nun blitzschnell gehen – wohl von der Oppositionsbank aus und dramatisch verschärft durch die AfD-Präsenz. Bundeskulturstaatsministerin Monika Grütters, die den Neubeginn wohl anleitet, darf als idealtypische Verkörperung einer aufgeklärten, kreativen und liberalen Berlin-Union gelten. Bislang hatte sie wenig Lust, auch wegen böser Erfahrungen mit den Parteifreunden, sich ohne Erfolgsaussicht zu verkämpfen. Potenzial gibt es, darunter viele nach Berlin gezogene jüngere Christdemokraten. Auch Noch-Senator Mario Czaja hat mit dem besten Erststimmenergebnis aller Kandidaten in Berlin gezeigt, wie man in einer AfD-Hochburg siegen kann.

Die CDU muss wirtschaftlich wieder glänzen

Denn darauf wird es ankommen. Mit Sicherheit allein gewinnt man nicht. Das Thema hat zwar Konjunktur, war bei der Wahlentscheidung für die meisten Berliner aber nur ein Punkt von vielen. Doch bei Themen, die ebenso wichtig sind – soziale Gerechtigkeit, Wohnen, funktionierende Schulen und gute Arbeit –, wird der CDU wenig zugetraut. Die Felder haben andere Parteien besetzt. Dabei war vor allem Sozialpolitik lange Jahre, angefangen bei Norbert Blüm und Eberhard Diepgen, eine Grundlage für überragende Wahlergebnisse der CDU. Näher bei den Menschen, mit wirtschaftlicher Kompetenz und einem Gefühl für die einmalige Kultur- und Wissenschaftslandschaft Berlins – so könnte eine neue Strategielinie aussehen.

Neue Koalitionen wären denkbar

Damit würden auch Andockpunkte für künftige Koalitionspartner geschaffen, die der CDU derzeit fehlen. Falls Berlins Union aber weiter abstürzen möchte, dann muss sie sich in der Opposition bloß auf die Konkurrenz mit der AfD einlassen: Im Wettstreit um die härtesten Anträge zur Aufrüstung der Polizei und zur Schikane von Ausländern wird die AfD immer die Nase vorne haben.

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