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Berliner CDU: Machtkampf im Westen, Nachwuchs im Osten

Eine Partei des alten West-Berlins - so wirkt die Union auf viele Kritiker. Dabei gibt es die neue CDU längst: In Pankow etwa sind die Strukturen offener und die Mitglieder jünger als in den West-Bezirken. Die Stimmung st gut, dass die Partei in den kommenden Jahren hier an Boden gewinnen kann.

Die Leute von der CDU Schönhauser Allee treffen sich immer bei einem Inder auf der Gleimstraße. Das liegt weniger am ausgeschenkten "Yogi"-Bier als an den Parteifinanzen: Der Besitzer des Restaurants ist CDU-Mitglied, seine Parteifreunde können das Hinterzimmer des Restaurants umsonst nutzen.

Die Christdemokraten von der Schönhauser Allee müssen aufs Geld achten. Da geht es ihnen wie allen kleinen, aufstrebenden Parteien in Gegenden, die vom politischen Establishment beherrscht werden. Vor Tagen scherzte Peter Kurth, CDU-Kreischef von Pankow, wozu auch dieser Ortsverband gehört: Auf der Gleimstraße habe die CDU vier Stimmen geholt. Kurths Parteifreunde können mit solchen Scherzen gut umgehen. Gottfried Ludewig, der sich an diesem Abend als Bewerber für das Bundestagsmandat hier vorstellt, will 2009 auf der Gleimstraße mindestens acht Stimmen holen. 2011, so Ludewig, könnten die Christdemokraten dann hier richtig abräumen. Das hat nichts mit Sarkasmus oder dem Galgenhumor einer Splittergruppe zu tun. Ludewigs Zuhörer sind guten Mutes – sie haben das Gefühl, einem der interessantesten CDU-Verbände Berlins anzugehören.

Aus 50 Mitgliedern sind 121 geworden

800 Mitglieder hat die Pankower CDU heute. An der Schönhauser Allee, so ein junger Vorstand, sind seit 2001 aus 50 Mitgliedern 121 Beitragszahler geworden. Wichtiger noch ist ihnen das Gefühl von Dynamik, von Entwicklung: Die Leute, die kommen, sind jung, akademisch gebildet. Sie fühlen sich als Neu-Berliner im besten Sinn – Leute, die aus Interesse an der Stadt gekommen sind, hier etwas werden wollen oder schon sind und in Prenzlauer Berg ein neu-bürgerliches Lebensgefühl verbreiten. Der Mann, der an diesem Abend für die Organisation einer innerparteilichen Wahl zuständig ist, trägt ein rotes T-shirt. Am Tisch sitzen auch elegante graue Anzüge, die Uniform der junger Männer in konservativen Berufen, Jeansträger und Studenten. So sehen Leute aus, die Prenzlauer Berg bevölkern, diese Leute will Ludewig gewinnen. Wie Kurth ist der ein Mann der Großstadt-Themen: Offenheit für Minderheiten, Interesse an der Integrationspolitik, an ökologischen Themen, an neuen Bündnissen.

Gegen Ludewig tritt Vera Lengsfeld an – auch sie würde gern für die Pankower CDU den Bundestagswahlkampf bestreiten. Sie hat in der DDR im Gefängnis gesessen, war nach dem Mauerfall bei den Grünen und ging, als diese sich offen zeigten für Koalitionen mit der SED, wie Lengsfeld auch zu deren Nachfolgern sagt, zur CDU. Auch Lengsfeld steht für diese unkonventionelle CDU im Nordosten der Stadt. Wirtschafts- und sozialpolitisch redet sie wie früher Angela Merkel. Undenkbar, dass Lengsfeld, weil sie eine aufrechte, streitlustige Frau ist, von der CDU Charlottenburg-Wilmersdorf für den Bundestag aufgestellt würde. In Pankow sind die Machtstrukturen nicht so betoniert, dass so eine Kandidatenkonkurrenz wie die zwischen Ludewig und Lengsfeld möglich ist.

Die CDU hat ein Imageproblem

Kein Wunder, dass die Frau, die sich mit dem DDR-Regime anlegte, bei Leuten ankommt, die aus dem Westen der Republik zugewandert und in die CDU wegen ihrer bürgerlichen Herkunft eingetreten sind. Großstadtbewohner: Im Anzug auf dem Fahrrad unterwegs, weil Fahrräder das ökologischere Verkehrsmittel sind, christlich erzogen, musisch gebildet. Ludewig, der seinen Wahlkampf auch über Youtube bestreiten will und ganz begeistert von den Neue-Medien-Methoden des englischen Konservativen David Cameron ist, geht sonntags vormittags in die Herz-Jesu-Kirche, trifft auf modisch gekleidete junge Eltern mit Kindern und fragt sich, wie auch seine Parteifreunde: Warum erreichen wir diese Leute nicht? Warum ist das Lebensgefühl, das die Leute hier verbindet, eins, das politisch offenbar zur Wahl der Grünen führt? Vera Lengsfeld sagt später am Abend den Satz, den wohl die meisten ihrer Zuhörer von der Schönhauser Allee völlig richtig finden: Das Hauptproblem der CDU sei, 2dass wir den Leuten keinen kulturellen Grund geben, uns zu wählen.2 Andere aus dem Ortsverein sagen es später am Abend etwas direkter: Das Image der CDU sei eben immer noch: "Alte Männer mit Bierbauch." In Pankow stimmt das längst nicht mehr.

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