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Berliner CDU: Neuer Stil und alte Schwächen

Friedbert Pflüger modernisiert das Image der Berliner CDU - keiner weiß, ob er damit zusätzliche Wähler gewinnt.

So einen hatten sie hier lange nicht. Einen Vormann, der neue politische Schwerpunkte setzt. Der die Konturen der Partei verändert und, vielleicht, den einen oder anderen als neuen Wähler gewinnt. Friedbert Pflüger, Fraktionschef der Berliner CDU, hat es in den vergangenen Monaten zweimal geschafft, das Publikum zu überraschen. Im Streit um den Umgang mit der Klimaproblematik erinnerten sich viele in der CDU der Atomkraft und forderten den Ausstieg aus dem Atomausstieg. Pflüger lehnt das ab. Damit gehört er womöglich einer Minderheit in der CDU an, aber in der Großstadt Berlin spricht er gewiss für die Mehrheit.

Klarer noch punktete der CDU-Politiker in der vergangenen Woche. Als seine Partei über die „Herdprämie“ stritt, formulierte Pflüger als einer der Ersten den Standpunkt, das Geld für die häusliche Betreuung gehe in die falsche Richtung. In einer Großstadt bräuchten besonders die Kinder aus sozial schwachen Familien Hilfe beim Lernen der deutschen Sprache. Die bekämen sie nicht zu Hause, sondern in der Kita.

Mit solchen Thesen schaffte es Pflüger gelegentlich in die überregionalen Zeitungen. Als Präsidiumsmitglied der CDU hat er in der großen politischen Meinungsbildungsmaschinerie eine gewisse Bedeutung, und das unterscheidet ihn von seinen Vorgängern und überhaupt von der Berliner CDU-Prominenz. Lange ist es her, dass Fraktions- oder Landeschefs der Union in dieser Hinsicht Ehrgeiz gezeigt hatten. Im Rückblick wirkt Richard von Weizsäcker noch am ehesten wie ein Landespolitiker mit Sinn für die großen Themen. Allerdings machte von Weizsäcker den nachhaltigsten Eindruck, als er sich längst wieder aus der Berliner Politik verabschiedet hatte. Eberhard Diepgen und Klaus Landowsky ging es um die Stadt. Nur wenn es um Hauptstadtfragen ging, suchten die beiden bundespolitische Aufmerksamkeit. Ihre Nachfolger von Frank Steffel bis Nicolas Zimmer, von Joachim Zeller bis Ingo Schmitt, beschäftigten sich mit der Reparatur der Partei, nicht mit überregionaler Politik.

Dass Pflüger seine – bundespolitische – Herkunft nutzt, um seiner Partei das kleidsame Image der liberalen Großstadtpartei zu verpassen, freut jetzt viele. Jetzt komme der Pflüger zum Vorschein, den man nach Berlin geholt habe, heißt es quer durch die Partei: Der Pflüger mit Sinn für weiche Themen, Minderheiten, die Problematik der Großstadtbevölkerung – der zeige sich nun. Pflüger selbst erinnert daran, dass er in der niedersächsischen CDU noch Herbert Gruhl kennengelernt habe, den – stockkonservativen – Erfinder der Grünen Partei und Autor des Buches „Ein Planet wird geplündert“. Auch das Liberale in der Familienpolitik verblüfft keinen Berliner Parteifreund.

Doch das bedeutet nicht, dass nun alle zufrieden wären. Mancher Parteifreund beobachtet Pflügers Bemühungen mit hochgezogenen Augenbrauen. Zu genau wissen die Christdemokraten aus den eher kleinbürgerlichen Bezirken, auf wen sie sich verlassen müssen, um auch nur die 20-Prozent-Marke in den Umfragen zu schaffen. „Wir dürfen das Märkische Viertel nicht aus dem Blick verlieren“, sagen die einen, andere sagen Gleiches über „Britz-Buckow-Rudow“, erinnern an die Leute, die trotz Aufschwungs Existenzangst haben, die Leute, die der CDU abnehmen, dass sie mehr Polizisten auf die Straße brächte, wenn sie dürfte – die „kleinen Leute“ des Klaus Landowsky.

Keiner weiß, ob Pflüger bei denen ankommt. Doch lassen die Umfragen, in denen die CDU seit Jahren schon bei 21 Prozent dümpelt, den Schluss zu: Die Stammwählerschaft der Union interessiert sich nicht für die liberale Großstadtpartei und deren Minderheiten-Begeisterung.

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