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BERLINER Chronik SERIE: 17. August 1961 Jahre Mauerbau

West-Berliner boykottieren die S-Bahn und demolieren SED-Parteibüros

Britische Soldaten ziehen einen 1,20 Meter hohen Stacheldrahtzaun um das sowjetische Ehrenmal. Es liegt in der Straße des 17. Juni im Bezirk Tiergarten – und die gehört zum britischen Sektor. Damit werde das Mahnmal vor Demonstranten geschützt, teilen die Briten mit. Inoffiziell heißt es, den sowjetischen Wachsoldaten werde gezeigt, wie isoliert sie sind.

Die Regierungen der Westmächte legen bei der Regierung der Sowjetunion „feierlich“ Protest gegen die „äußerst ernste“ Verletzung des Viermächtestatus durch die Absperrung der Sektorengrenze ein. Sie fordern Moskau auf, die „illegalen Maßnahmen“ zu beenden. Die Demarkationslinie zwischen dem Ostsektor und dem Westen sei „keine Staatsgrenze“. Willy Brandt kommentiert: „Endlich die richtige Sprache!“

Dennoch hat die Volksarmee in der Nacht begonnen, die Abriegelung zu verstärken. Sie ersetzt den Stacheldrahtverhau durch Hohlsteine und Betonplatten. Seit dem 13. August konnten 600 Menschen in den Westen der Stadt fliehen.

Der Senat berät mit Vertretern der Alliierten Stadtkommandanten über die S-Bahn, die in Ost-Regie fährt. Ein Senatssprecher erklärt, die BVG könne die Fahrgäste übernehmen. Der DGB ruft zum S-Bahn-Boykott auf. Innensenator Joachim Lipschitz genehmigt die Aktion, vorsorglich sagt er Polizeischutz zu. Gewerkschafter stehen mit Plakaten vor Bahnhöfen: „Keinen Pfennig mehr für Ulbricht!“

Auch die West-Berliner SED bekommt die Stimmung zu spüren. Einige Parteibüros schrauben ihre Türschilder ab. Vergangene Nacht sind zwei Büros demoliert worden, die Polizei ermittelt. In einer Belegschaftsversammlung bei den Eternitwerken in Rudow forderten Arbeiter am Vortag massiv die Entlassung von Kollegen, die der SED angehören oder mit ihr sympathisieren. Ein Schlossermeister, der SED-Mitglied ist, wurde bedroht, die Polizei musste eingreifen. Brigitte Grunert

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