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Berliner Club-Kultur: Das haben wir lange nicht gespielt

Völkerball, Minigolf, Tischtennis: Die Berliner Club-Kultur entdeckt vergessene Freizeitvergnügen

Zum Glück ist der Ball weich. Sonst würden sich Kimberly Bradley und ihre Mitspieler vom amerikanischen Team beim Völkerballturnier am Oststrand blaue Flecken holen. „Was nach Internationale, Frieden und Verständigung klingt, ist in Wirklichkeit ein kriegerisches Spiel“, sagt Matthias Böttger, Präsident des Weltstrand Völkerball Verbandes. „Man muss den Gegner abwerfen.“ Zum dritten Mal organisiert er mit Max Schumacher vom 28. bis zum 31. Juli das Völkerballturnier unter echten Völkern. Rheinländer, Amerikaner, Ibizenken und Schwaben dreschen den Schaumgummiball über das Netz. „Es gibt das Spiel fast überall auf der Welt, aber so gut wie keine Profis“, sagt Böttger.

Kimberly Bradley kennt „dodgeball“ aus der Grundschule im mittleren Westen der USA. „Man wird richtig nostalgisch“, sagt sie. Üben wird die sportliche 37-Jährige vorher nicht. Mehr als über das Gewinnen zerbricht sie sich den Kopf darüber, welche landestypischen Gerichte sie während des Turniers anbieten wird. „Vielleicht Thunfischauflauf.“ Der Soundtrack steht bereits: Songs wie „Born In The USA“ und „Living In America“ werden die sonst ganz unpatriotische Amerikanerin anfeuern.

Auch andere Sportarten, an die sich viele nur schemenhaft aus der Grundschulzeit erinnern können, erleben eine Renaissance bei erwachsenen Freizeitathleten. Zum Beispiel Tischtennis. Bis zu 20 junge Menschen spielen im „Dr. Pong“ Abend für Abend Chinesisch, also die Rundlaufvariante des Pingpongs. Oliver Miller kam die Idee an einem eiskalten Wintertag, als er im Monbijoupark das Eis von der Platte kratzte, bevor er ein paar Runden spielen konnte.

Seine Tischtennisabende begannen vor zwei Jahren als Privatveranstaltungen in einem ehemaligen Supermarkt. Dabei steht das gesellige Um-die-Platte- Rennen – in einer Hand die Kelle, in der anderen das Bier – im Vordergrund. An den kargen Wänden verweist keine Deko auf die Leidenschaft für den Sport hin. Im hinteren Raum gibt es eine Bar und ein DJ-Pult. Helene Braun gehört zu den Stammgästen im „Dr. Pong“. „Mich erinnert das an die Pausen auf dem Schulhof. Da musste notfalls das Mathebuch als Kelle herhalten.“ Studenten wie sie zieht es ebenso in den Tischtennisclub wie Partygänger. Nur Profis sucht man vergeblich. Mittlerweile haben schwedische Stammkunden das Konzept mit in ihre Heimat genommen, und so schwingt man jetzt auch in Stockholm und Göteborg die Kelle.

Weniger dynamisch geht es auf den Minigolf-Bahnen am Neuköllner Hertzbergplatz zu. David Christoph Lerch, 25-jähriger Student der Politikwissenschaft, betreibt seit dieser Saison mit fünf Freunden den Platz. Die Studenten grillen Würstchen, verkaufen Getränke und leihen Schläger und Bälle aus. Ein paar alte Sofas geben dem Platz Friedrichshainer Studentenkneipen-Flair. „Hier sind wir unsere eigenen Chefs“, sagt Lerch. Junge Leute und Familien nutzen den Platz, aber auch eine Gruppe von Minigolf-Profis, die mit eigenen Schlägern und einem ganzen Arsenal unterschiedlicher Bälle kommt. Den Studenten geben sie gerne Nachhilfe. „Bis wir im Mai hier losgelegt haben, hatte ich keine Ahnung von diesem Sport“, sagt David Christoph Lerch. Inzwischen spielt das junge Team jeden letzten Sonntag im Monat zwischen 10 und 12 Uhr selbst bei Turnieren mit.

Mit genormten Bahnen möchte sich der Künstler Christoph Bruckner nicht anfreunden. Seine selbst gebastelte Minigolf-Anlage steht zur Zeit im Gartenclub „Kombinat“ in Prenzlauer Berg. „Beim ,Clubgolf‘ spielt man den Ball zum Beispiel durch einen umgedrehten Rasenmäher oder durch einem Schlitten in einen Fahrradsattel“, sagt Bruckner. Auch ein Riesenschach aus alten Flaschen hat er entworfen.

Die Werbeszene hat die Spiele mit den kleinen Bällen ebenfalls für sich entdeckt. Beim Small-Ball-Challenge traten am Montag 32 Teams im Clubrestaurant Spindler & Klatt im Kickern und Pingpong gegeneinander an. „In vielen Agenturen stehen inzwischen ein Tischfußball oder eine Tischtennisplatte zur Erholung von der Arbeit am Schreibtisch“, sagt Claudia Krenz von der Agentur Heymann Schnell. „Retro ist in“, sagt sie. Das haben auch die Sponsoren des edc-Minigolfplatzes in Mitte entdeckt, der den Namen einer Kleidungsfirma trägt. Eine der Bahnen trägt den Namen einer Brauerei, der Looping ist ein Formel-1-Reifen.

Wem das zu viel Kommerz ist, der sollte sich ein Capri-Eis kaufen und in Kindheitserinnerungen schwelgen. Was gab es da noch? Brennball. Bockspringen. Schnitzeljagd. Alles kommt wieder.

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