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Die finanziellen Hürden vor den freien Schulen senken - das wollen fast alle Parteien, aber auf verschiedene Weise.

© Doris Spiekermann-Klaas

Update

Berliner Doppelhaushalt: Mehr Geld für freie Schulen, Referendare und Brennpunktschulen

Die Schlussverhandlungen brachten noch viele Millionen zusätzlich, darunter Mittel für flexiblere Familienhilfe und mehr Schulreinigung.

Das ging dann aber schnell: Kaum haben die Freien Schulen angeboten, zusätzliche Plätze gegen die Raumnot zu schaffen, da findet Rot-Rot-Grün einen Weg zum erforderlichen Geld.

„Die Mittel aus dem Schnellbauprogramm Klassenzimmer können auch für kapazitätserweiternde Maßnahmen an Schulen in freier Trägerschaft verwendet werden“, heißt es in der Einigung zum Doppelhaushalt 2020/21. Andreas Wegener von der AG der freien Schulen sprach von einem „Schritt vorwärts“.

Für euphorische Reaktionen ist es allerdings zu früh, denn noch ist völlig unklar, um welchen Betrag es geht und an welche Bedingungen die Zahlung geknüpft ist. Bekannt ist bisher nur, dass das Programm knapp 100 Millionen Euro umfasst. Wie viele Millionen davon schon durch öffentliche Schulen verplant ist und welche Summe überhaupt den freien Schulen vorbehalten sein soll, wurde nicht kommuniziert.

Dieses sind die aktuellen Haushaltsentscheidungen im Schulbereich:

  • Freie Schulen profitieren vom Schnellbauprogramm
  • Es gibt ein neues Brennpunktprogramm, das sich „London Challenge“ nennt
  • Referendare bekommen mehr Geld

Soziale Öffnung soll festgeschrieben werden

Zu den Bedingungen, die die freien Schulen erfüllen müssen, wenn sie mit Landesgeldern ihre Kapazitäten erweitern, heißt es im Einigungstext von Rot-Rot-Grün, dass „die soziale Zusammensetzung der Berliner Schülerinnen und Schüler abgebildet wird“. Aber auch diese Formulierung wirft mehr Fragen auf als dass es Klarheit schaffte.

Zwar ist bekannt, dass rund 35 Prozent der Berliner Schüler aus bedürftigen Familien stammen. Allerdings differiert die Zusammensetzung sehr stark nach Bezirk und Schulform - von null bis 99 Prozent. Insofern dürfte es schwierig werden, festzulegen, wie denn von Fall zu Fall die soziale Zusammensetzung „abzubilden“ ist.

Orientierung am bundesweiten Durchschnitt

SPD-Bildungspolitikerin Maja Lasic sagte am Dienstag auf Anfrage, sie stelle sich eine Orientierung am Durchschnittswert vor. Das würde bedeuten, dass die freien Schulen mehr als ein Drittel Kinder aus Hartz-IV-Familien aufnehmen müssten, ohne das bisher geklärt wäre, wie das finanziell unterfüttert wird: Da das Land nur etwa zwei Drittel der Kosten freier Schulen trägt, sind die Träger auf die Zahlung von Elternbeiträgen angewiesen.

Genau dies soll eine „Durchführungsverordnung“ regeln - der Begriff gibt einen Eindruck von den abzusehenden Mühen der Ebenen, zumal dieser Punkt von einer gewissen Brisanz ist. Denn die soziale Zusammensetzung der Schülerschaft freier Schulen war in den vergangenen Jahren wiederholt als „zu elitär“ im Fokus der Kritik.

Die Arbeitsgemeinschaft der Freien Schulen fand durch eine Umfrage unter ihren Mitgliedern heraus, dass rund 3000 zusätzliche Schulplätze geschaffen werden könnten - falls die Koalition ihnen Investitionsmittel überlässt. Frank Olie (Evangelische Schulstiftung), Andreas Wegener (Privatschulverband), Torsten Wischnewski-Ruschin (Paritätischer Wohlfahrtsverband) und Petra Weischede (Erzbistum) erläuterten ihre Forderungen.
Die Arbeitsgemeinschaft der Freien Schulen fand durch eine Umfrage unter ihren Mitgliedern heraus, dass rund 3000 zusätzliche Schulplätze geschaffen werden könnten - falls die Koalition ihnen Investitionsmittel überlässt. Frank Olie (Evangelische Schulstiftung), Andreas Wegener (Privatschulverband), Torsten Wischnewski-Ruschin (Paritätischer Wohlfahrtsverband) und Petra Weischede (Erzbistum) erläuterten ihre Forderungen.

© Susanne Vieth-Entus

Absehbar ist daher, dass Linke, Grüne und SPD darauf pochen werden, mit den Schulbaumillionen die soziale Segregation nicht noch mehr anzuheizen. Klar ist aber auch, dass niemand unterprivilegierte Eltern dazu zwingen kann, ihre Kinder an freien Schulen anzumelden: Selbst wenn die Gebühren erlassen werden, sind Schulen mit ausgefallenen Profilen oder mit konfessioneller Ausrichtung nicht für alle Familien attraktiv.

Fünf Millionen Euro für „London Challenge“

Während es für die freien Schulen kein zusätzliches Geld gibt, sondern nur das ohnehin beschlossene Schnellbauprogramm umverteilt wird, sollen für die Brennpunktschulen additive Mittel generiert werden. Dem Vernehmen nach stehen im Haushaltsplan rund fünf Millionen Euro, mit deren Hilfe neue Wege bei der Förderung sozial unterprivilegierter Schüler beschritten werden sollen.

Dies hatte SPD-Fraktionschef Raed Saleh bereits Ende April angekündigt: Damals war er in England, um das Brennpunktprogramm „London Challenge“ kennenzulernen. Es soll zunächst an die Berliner Verhältnisse angepasst werden, wozu die Haushaltsmittel gebraucht werden. Angedacht sei, dass 20 Brennpunktschulen mit je 300.000 Euro gefördert werden, wie SPD-Bildungspolitikerin Maja Lasic am Dienstag erläuterte. Auf Grundlage und mit den Erfahrungen bisheriger Brennpunktprogramme, darunter das Turnaround-Programm der Bosch-Stiftung, will die Koalition jetzt einen weiteren Schritt machen. Nun sollen schwierige und veränderungswillige Berliner Schulen in die Lage versetzt werden, Projektentwicklung und weiteres Knowhow einzukaufen, um aus ihrer individuellen Situation das Beste zu machen - auf Grundlage von Indikatoren wie Schwänzer- und Krankenquote oder der Abschlussquote, um nur drei Beispiel zu nennen.

Referendare bekommen Besoldung auf Bundesniveau

Der dritte nennenswerte Schulposten, der Neues bringt, ist die Gehaltsaufbesserung für Lehramtsanwärter: Über zwei Millionen Euro sollen dazu dienen, dass alle Referendare pro Monat 70 Euro mehr verdienen. Damit solle das Bundesniveau erreicht werden, hieß es. Berlin würde in der Folge sogar etwas mehr zahlen als Brandenburg.

  • Referendare für Oberschulen sollten ab 1.2.20 knapp 1520 Euro bekommen. Daraus werden knapp 1590 Euro, wenn alles nach Plan geht.
  • Das wären dann 15,50 Euro mehr als in Brandenburg ab 1.2.20 gezahlt werden.
  • An Grundschulen steigt das Monatsgehalt im vergleichbaren Zeitraum von 1480 Euro auf 1550 Euro.
  • Auch hier läge Brandenburg ab Februar mit seinen 1540 Euro nur knapp drunter.
  • Der Vergleich mit Brandenburg ist schwierig, weil es weitere Unterschiede gibt - etwa beim Weihnachtsgeld und beim Familienzuschlag.
  • Die GEW hatte 300 Euro mehr gefordert, um die Abwanderung von Referendaren deutlich zu verringern.

Abwanderung bleibt ein Problem

Die Abwanderung von Berliner Lehrern bleibt ein generelles Problem - nicht nur bei den Referendaren. Wie berichtet verlassen sie nach dem Studium, nach dem Referendariat oder nach Antritt der Berufstätigkeit Berlin, darunter sogar Quereinsteiger, die mit Hilfe der Berliner Quereinsteigerprogramms - und mit Unterstützung ihrer Kollegien - gerade erst die Anerkennung als Lehrer bekamen.

Unklar ist allerdings bis heute, welche Rolle dabei die Berliner Nichtverbeamtung spielt: Sachsen hatte eine ähnlich umfangreiche Abwanderung untersuchen lassen, war aber zu keinen eindeutigen Ergebnissen gekommen. Dennoch wurde die Verbeamtung beschlossen - „weil man kurz vor der Wahl irgendetwas tun musste“, wie ein hoher sächsischer Beamter damals kommentierte. Seit 2019 ist Berlin daher das einzige Bundesland, dass seine Lehrer nicht verbeamtet.

Zwölf Millionen für das Thema "Schulsauberkeit"

In etlichen Bezirken haben sich Initiativen für Schulsauberkeit gebildet. Den Anfang machte Neukölln: Der Frust über Schlechtleistungen von Reinigungsfirmen war und ist groß. Die Koalition will nun in 2020 fünf Millionen und in 2021 sieben Millionen Euro für zusätzliche Reinigungszeit ausgeben. Das Geld kann etwa verwendet werden, um - neben der Nachtreinigung - eine Tagreinigung vorzunehmen, um das Bewusstsein der Schüler zu schärfen.

Zusätzliche Hilfen für Familien werden finanziert

Zudem haben die Grünen durchgesetzt, dass es sechs Millionen für Familienservice-Büros und über fünf Millionen für flexible Mittel in der Familienhilfe geben soll. Die Service-Büro sollten als niedrigschwelliges die Arbeit der Jugendämter ergänzen, erläuterte die grüne Bildungspolitikerin Marianne Burkert-Eulitz am Dienstag: Insgesamt sechs Millionen Euro sind dafür eingeplant.

Weiter 5,4 Millionen Euro stehen für das so genannte Flexibudget in der Familienhilfe zur Verfügung: "Damit wollen wir Familien erreichen, bevor sie zum Hilfefall werden", nannte Burkert-Eulitz die Stoßrichtung.

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