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Berlin: Berliner Finanzen: Die Zukunft ist im Haushaltsloch versickert

Es ist wie mit des Kaisers neuen Kleidern. Der viel gerühmte Zukunftsfonds, den der Senat der Großen Koalition 1999 aufgelegt hat, existiert gar nicht oder doch nur auf dem Papier.

Es ist wie mit des Kaisers neuen Kleidern. Der viel gerühmte Zukunftsfonds, den der Senat der Großen Koalition 1999 aufgelegt hat, existiert gar nicht oder doch nur auf dem Papier. Von den 250 Millionen Mark zur Förderung von Projekten der Spitzentechnologien ist bisher rein gar nichts in den Topf mit der Aufschrift Zukunftsfonds geflossen. Folglich werden auch noch keine Zukunftsprojekte gefördert. Das Geld ist im großen Loch des Landeshaushalts versickert.

Zum Thema Online Spezial: Berlin vor der Wahl Den "Aufbruch in eine zukunftsfähige Politik", versprach der neue Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit am Donnerstag in seiner Regierungserklärung, in der er auch auf die Bedeutung von Forschung und Wirtschaft einging. Zwei Tage zuvor hat Finanzsenatorin Christiane Krajewski im Senatsentwurf für den Nachtragsetat 2001 dem Fonds ganze 20 Millionen Mark zugedacht. Ihr Vorgänger Peter Kurth (CDU) wollte auch 50 Millionen Mark herausrücken - zuletzt. Kurth wusste, warum. Bei der Technologiestiftung Innovationszentrum Berlin warten nach Auskunft von Christian Hammel mittlerweile zehn Projekte mit einem Förderungsvolumen von insgesamt 46,5 Millionen Mark auf Geld.

Hammel wirft dem Senat schlicht "Vertragsbruch" vor, dem alten wie dem neuen. Der Zukunftsfonds soll den Chancen der Stadt zum Segen gereichen, dem Ausbau Berlins zu einem Kompetenzzentrum für moderne Technologien, vor allem für Biotechnologie, Medizintechnik, Verkehrstechnologie, Medien- und Kommunikationstechnologie dienen. In enger Verzahnung wollen Wissenschaft und Wirtschaft neuen Entwicklungen zur Produkt- und Marktreife verhelfen.

Jahrelang wurde die schöne Idee politisch gerühmt - und bürokratisch geformt. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen und die CDU drängten besonders energisch. Die SPD war vorsichtiger; für sie hatte die Haushaltskonsolidierung Vorrang, um die Stadt aus der Zins- und Schuldenfalle zu befreien. Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) war allerdings Feuer und Flamme für den Zukunftsfonds. Er entwickelte zusammen mit dem Wissenschafts- und dem Wirtschaftssenator ein Konzept. Ende 1999 beschloss der Senat, dass 310 Millionen Mark - zehn Prozent aus dem Verkaufserlös der Wasserbetriebe - in den Fonds fließen. Und das sollte nur der Grundstock sein. Aus weiteren Vermögensveräußerungen solle weiteres Geld kommen, tönte die CDU.

Das Management wurde der Technologiestiftung übertragen. Sie darf unabhängig vom Senat über die Projektförderung entscheiden, und zwar auf Empfehlung des Technologie- und Innovationsrats, dem Beirat des Kuratoriums der Stiftung. Dieser Rat wurde bereits im Januar 2000 von Diepgen berufen und bekam vom Senat die "Leitlinien" zur Projektförderung an die Hand. Nur von Geld war keine Spur.

Von den 310 Millionen Mark wurden 60 Millionen als unantastbares Stiftungskapital ausgewiesen. Selbst diese 60 Millionen flossen aber erst im Februar 2001, obwohl sich die Stiftung von den Zinserträgen (jährlich drei Millionen Mark) selbst tragen und noch etwas für die Projektförderung tun soll. Es wurde Januar 2001, bis Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner (CDU) den Vertrag mit der Technologiestiftung über das Fonds-Management schloss. Im April 2001 folgte der "Geschäftsbesorgungsvertrag" der Stiftung mit der Investitionsbank Berlin, die das Konto führt. Warum das alles so lange dauerte, erklärt die Pressesprecherin der Wirtschaftsverwaltung, Patricia Neis, so: "Wir mussten erst mit dem Rechnungshof die Bedingungen für die treuhänderische Verwaltung der Fondsmittel klären."

Die Stiftung und ihr hochkarätig besetzter Beirat müssen sich langsam veralbert vorkommen. Vorsitzender dieses Technologie- und Innovationsrats ist der Generalsekretär des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft, Manfred Erhardt; er war von 1991 bis Anfang 1996 Diepgens Wissenschaftssenator. Zu den neun Räten gehören namhafte Wissenschaftler und Vorstände von Großunternehmen wie Manfred Gentz von Daimler-Chrysler, Erwin Staudt von IBM und Klaus Lederer von Babcock-Borsig.

"Wir wollen keine strukturellen Schwächen ausbügeln, sondern die Stärken Berlins ausbauen", sagt Christian Hammel. Um zwei Beispiele der auf Eis liegenden Gemeinschaftsprojekte von Forschung und Unternehmen herauszugreifen: Da geht es um die schnellere Datenübertragung im Internet und zur Verkehrslenkung in Ballungsgebieten. Nur kann die Stiftung keine Zusagen machen, solange der märchenhafte Geldtopf leer ist. Erst wenn das Parlament am 12. Juli den Nachtragsetat verabschiedet, wird in der Kasse mehr sein als ein toter Etat-Titel. "Solange kein Geld auf dem Konto ist, glaube ich gar nichts", knurrt Hammel. Und weil 20 Millionen nicht genug sind, meint er sarkastisch: "Wenn der Tank leer ist, bleibt das Auto auch im Halteverbot stehen." Womit er wieder beim "Vertragsbruch" des Senats ist.

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