zum Hauptinhalt

Berlin: Berliner Finanzkrise: Die Hauptstadt wäre auch ohne Bankprobleme im Sommer zahlungsunfähig

Die Haushaltslage ist so dramatisch, dass auch ohne die Probleme der Bankgesellschaft das Land Berlin im Sommer oder Frühherbst zahlungsunfähig gewesen wäre. Um dies zu vermeiden, wollte Finanzsenator Peter Kurth (CDU) ursprünglich die gesetzliche Ermächtigung für die Aufnahme kurzfristiger Darlehen (Kassenverstärkungskredite) erhöhen.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Haushaltslage ist so dramatisch, dass auch ohne die Probleme der Bankgesellschaft das Land Berlin im Sommer oder Frühherbst zahlungsunfähig gewesen wäre. Um dies zu vermeiden, wollte Finanzsenator Peter Kurth (CDU) ursprünglich die gesetzliche Ermächtigung für die Aufnahme kurzfristiger Darlehen (Kassenverstärkungskredite) erhöhen. Dies sollte nach Informationen des Tagesspiegel im Nachtragshaushalt für 2001 geschehen, der vom Senat am 12. Juni vorgelegt wird. Die Finanzverwaltung befürchtete offenbar, dass die erlaubte Obergrenze von 5,26 Milliarden Mark nicht ausgereicht hätte, um eine "ordnungsgemäße Kassenwirtschaft" zu gewährleisten. Der Grund: Im laufenden Jahr fanden noch keine nennenswerten Vermögensverkäufe statt, obwohl der Senat 5,6 Milliarden Mark aus der Aktivierung von Landesvermögen eingeplant hat. Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Klaus Wowereit wies gestern im Hauptausschuss auf dieses Problem hin. "Mit Ausnahme des Verkaufs der Gewerbesiedlungsgesellschaft ist nicht erkennbar, dass 2001 weiteres Geld aus Vermögensgeschäften in die Landeskasse fließen wird." Mit der Aufnahme von sechs Milliarden Mark neuer Kredite, die durch die Krise der Bankgesellschaft Berlin erzwungen wird, erübrigt sich jetzt möglicherweise die Verstärkung der Kassenkredite, weil auch so genügend "frisches Geld" hereinkommt. Wowereit hält diese Summe (vier Milliarden Mark Kapitalzuschuss an den Bankenkonzern und zwei Milliarden Mark als Ausgleich für nicht stattfindende Vermögensverkäufe) übrigens für eine "hoffnungsfrohe Schätzung". Außerdem bezifferte er den Konsolidierungsbedarf im Landeshaushalt 2002 auf "über zwei Milliarden Mark". Das wäre mehr, als der Senat seit 1997 insgesamt eingespart hat. Unterdessen heißt es in einem Bericht der "Börsenzeitung", dass die Berlin Hyp, Hypothekentochter der Bankgesellschaft, im Geschäftsjahr 2000 einen Verlust von 500 Millionen Euro zu verzeichnen habe. Das meldete die Agentur ddp gestern Abend.

Zum Thema Online Spezial: Finanzkrise in Berlin Ted: Sind Neuwahlen fällig? Finanzsenator Kurth bestätigte nun im Hauptausschuss, dass der "Handlungsbedarf für 2002 dramatisch gestiegen ist". Allein die Steuer- und Dividendenausfälle sowie gestiegene Zinsausgaben machten eine halbe Milliarde Mark aus. Deshalb müsse der Senat "strukturelle Entscheidungen treffen". Tabubereiche dürfe es nicht mehr geben. Auch Wowereit und der CDU-Haushälter Alexander Kaczmarek waren sich einig, dass es ohne Sparmaßnahmen, die in die Strukturen der Verwaltung und öffentlichen Einrichtungen dauerhaft eingreifen, nicht mehr geht. "Wir können gern an die Topographie des Terrors herangehen", sagte Kaczmarek, Wowereit sprach sich für die Übernahme des Lottotopfes in den Landesetat aus.

Ob sich die Koalition noch auf gemeinsame Sparvorschläge für die Zukunft einigt oder nicht: Der Finanzsenator kündigte schon einmal die Korrektur der Finanz- und Investitionsplanung bis 2005 an. Der PDS-Fraktionsvorsitzende Harald Wolf äußerte hingegen die Überzeugung, "dass Berlin seine Haushaltsprobleme aus eigener Kraft nicht mehr lösen kann." Der Konsolidierungskurs müsse trotzdem fortgesetzt werden. "Der Bund gibt keine Unterstützung für eine rauschende Ballnacht." Der Grünen-Haushaltseperte Burkhard Müller-Schoenau äußerte sich ähnlich pessimistisch. "Der Bund muss sich einmischen, wird aber vorläufig keine müde Mark in ein System hineingeben, in dem Milliarden versickern."

Ob die Not leidende Bankgesellschaft Berlin mit einem Kapitalzuschuss von vier Milliarden Mark auf Dauer auskommt, wusste gestern niemand zu sagen. Der Konzern benötige ein tragfähiges Sanierungskonzept, sagte Kurth erneut. Aber für die Sanierung und die Erschließung neuer Geschäftsfelder müssten zusätzliche Mittel zur Verfügung stehen, um die gesetzlich vorgeschriebene Kapitaldecke zu sichern, merkte PDS-Fraktionschef Wolf an. "Mit vier Milliarden Mark ist die Schieflage nicht beseitigt", sagte auch Wowereit.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false