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Berlin: Berliner Finanzkrise: "Willkommen in der Pleite-Stadt"

"Zu Recht sauer und verbittert" sind nach den Worten von Eberhard Diepgen derzeit viele Berliner. Wie groß der Ärger angesichts von Bankenkrise und Haushaltsmisere tatsächlich ist, zeigt eine Straßenumfrage des Tagesspiegel.

"Zu Recht sauer und verbittert" sind nach den Worten von Eberhard Diepgen derzeit viele Berliner. Wie groß der Ärger angesichts von Bankenkrise und Haushaltsmisere tatsächlich ist, zeigt eine Straßenumfrage des Tagesspiegel. Auch langjährige Unterstützer der schwarz-roten Regierungskoalition sind über das Krisenmanagement des Senats empört. Angesichts der angekündigten neuen Sparmaßnahmen wächst bei vielen das Bedürfnis, es "denen da oben" heimzuzahlen - etwa mit einem Volksbegehren für eine Neuwahl, wie es die Opposition fordert.

Zum Beispiel Utz Mugrauer. Der 40-jährige Bauleiter hat bei der letzten Abgeordnetenhauswahl seine Stimme der CDU gegeben. "Jetzt würde ich aus Protest - und weil die gute Haushaltsexperten haben - die PDS wählen", sagt er trotzig. Der Umgang des Senats mit der Bank-Affäre zeige, "dass die Herren da oben in einer anderen Welt leben". Eberhard Diepgen habe die Lage schon lange nicht mehr im Griff. "Jetzt müssen Köpfe rollen", fordert der Wilmersdorfer. Einem Volksbegehren, mit dem die Oppositionsparteien Neuwahlen erzwingen wollen, wäre Mugrauers Unterstützung sicher. "Das würde den Sumpf auflockern - ob es dauerhaft etwas bringt, weiß ich aber auch nicht."

Zum Thema Online Spezial: Finanzkrise in Berlin Ted: Sind Neuwahlen fällig? Dass sich durch einen Wechsel im Senat viel ändert, bezweifelt auch Ingrid Süssmilch. Die 63-jährige Rentnerin wehrt sich dagegen, Diepgen alleine die Schuld für die Krise anzulasten. "Der wird jetzt zum Sündenbock gemacht - aber das Geld verschleudert haben doch andere", sagt die frühere Versicherungskauffrau. Allerdings packe sie angesichts der jetzt vom Regierenden verkündeten "neuen Dimension des Sparens" schon die Wut. "Das wird doch wieder auf dem Rücken der kleinen Leute ausgetragen", sagt sie. Neuwahlen lehnt sie aber ab. "Wer hätte denn ein besseres Konzept, wie man mit der Krise fertig wird?" Stattdessen müsse der jetzige Senat den Haushalt sanieren - "aber mehr als bisher von unabhängigen Prüfern kontrolliert."

"Wo bleibt denn die Gerechtigkeit?", hat sich Detlef Dohle in den vergangenen Tagen immer häufiger gefragt. "Ich persönlich werde schon zur Rechenschaft gezogen, wenn ich bei Rot über die Ampel laufe - und Herr Landowsky bekommt noch etliche Hunderttausend Mark auf dem Tablett serviert", schimpft der 41-jährige Vater von vier Kindern. Angesichts der neuen Spar-Ankündigung lacht Dohle verächtlich: Die Schule, in der er als Hausmeister arbeitet, habe "noch nicht mal genug Geld für Toilettenpapier - wo soll denn in dieser Stadt noch etwas rauszuholen sein?" Von Neuwahlen erhofft er sich allerdings keine Besserung: "Die da oben machen doch sowieso, was sie wollen." Das sieht auch Ari Joffe so. "Die Krise hat mich nicht überrascht", erzählt der 35-jährige Inhaber eines Fahrradladens. "Von dieser Regierung habe ich nichts anderes erwartet."

Genau diese Verdrossenheit ist nach Ansicht von Monika Steinhof die schlimmste Folge der aktuellen Haushaltskrise. "Wenn Landowsky und auch Diepgen sich immer wieder als unschuldig darstellen, dann bestätigen sie damit die Vorurteile jener Leute, die von Politik sowieso nicht viel halten", befürchtet die 45-jährige Botanikerin. Auch deswegen würde die Grünen-Wählerin ein Volksbegehren unterstützen: "Das gäbe einem zumindest das Gefühl, etwas ändern zu können und nicht tatenlos der Situation ausgeliefert zu sein."

Einige Bürger flüchten sich in diesen Tagen schlicht in Galgenhumor. Besucher, die kürzlich am Flughafen Tegel in den Bus stiegen, begrüßte der Fahrer mit den Worten: "Willkommen in der Pleite-Stadt!"

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