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Volle Dröhnung. Horst Titius lebt seit 1968 am lautesten Punkt der Einflugschneise von Tegel.

© Sven Darmer

Berliner Flughafen-Desaster: Eine Tegeler Tragödie - an der Schmerzgrenze

Ihr Grundstück sollte ein Paradies werden. Mit der Eröffnung des BER. Aber jetzt donnern pro Tag 486 Maschinen übers Haus, und Horst und Charlotte Titius gehen daran kaputt. Unser Blendle-Tipp.

Am Ende dieses Gesprächs, als alles gesagt ist über Wut und Ohnmacht und eine Hoffnung, die sich in ihr Gegenteil verkehrt hat, sagt Charlotte Titius: „Der Flughafen bleibt offen, weil man eben im Leben kein Glück hat.“ Sie macht eine kurze Pause. „Muss man hinnehmen.“

Dabei schaut sie, an einem kleinen Tisch in der dunklen Küche sitzend, die ausgestattet ist mit doppelten Schallschutzfenstern, zögernd rüber zu ihrem Ehemann Horst. Der ballt unbewusst die Faust, und sein Gesicht trägt in diesem Moment die traurigen Züge jener Menschen, die er jahrelang gemalt hat. Einige Porträts dieses Zeitvertreibs hängen an der Wand im Wohnzimmer, fast immer sind es Gesichter von Frauen, die nicht glücklich aussehen. Dazwischen wunderbare Strichzeichnungen in Schwarz-Weiß. Herr Titius hat Talent. Charlotte sagt: „Aber er malt schon lange nicht mehr.“

Horst Titius und seine Frau haben mehr aufgegeben als ein Hobby oder eine Hoffnung, ihnen ist ein ganzer Plan verloren gegangen. An dessen Umsetzung wollten sie sich machen an jenem großen Tag im Frühjahr 2012, wenn Horst Titius erst den Konvoi gefilmt hätte, der in der Nacht vom 2. auf den 3. Juni vom Flughafen Tegel in Richtung Schönefeld aufbrechen sollte, zum BER. Als er dann ein Grillfest geben und mit Freunden feiern wollte. Am Abend wäre ein Feuerwerk gezündet worden. Und ihm, diesem kleinen, von Kopf bis Fuß irgendwie rundlichen Mann, der so schelmisch lächeln kann wie ein Schuljunge beim Klingelstreich, wäre es vollkommen egal gewesen, wenn die Polizei gekommen wäre. Lärmbelästigung? Nächtliche Ruhestörung? Darüber hätte er doch nur gelacht.

Nach diesem Plan hätte er endlich Ruhe gehabt.

Fünf Jahre ist es her, dass es mit der BER-Eröffnung nichts wurde, und wenn die Umstände, unter denen Horst und Charlotte Titius leben, schon davor schlimm waren, so wurden sie danach umso schlimmer. Gerade erst wurde bekannt, dass der neue Eröffnungstermin wohl erst im Jahr 2019 liegen wird. Tegel wird weiter offen bleiben. Die unerwartete Absage am 8. Mai 2012 wirkt in Horst Titius wie ein Trauma nach. Neurologen und Psychotherapeuten würden vielleicht von einer posttraumatischen Verbitterungsstörung sprechen, die entstehen kann, wenn Belastungen im Leben als ungerecht, kränkend oder herabwürdigend erlebt werden. Die Reaktion: Wut. Und Titius sagt: „Ich gehe an diesem Flughafen kaputt.“

Was Horst Titius damit meint, ist schwer zu erklären und reicht weit zurück. Die Reportage über ein Versprechen, das sich nicht einlöste, können Sie in voller Länge im Online-Kiosk Blendle lesen. Der Originaltext erscheint am 3. Juni 2017 im Tagesspiegel-Samstagsmagazin Mehr Berlin.

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