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Flughafen Berlin-Tegel.

© dpa

Berliner Flughafenchef: Tegel-Sanierung würde eine Milliarde kosten

Berlins Flughafenchef Lütke Daldrup zeigt, wie marode der Airport Tegel ist. Und er verspricht, noch in diesem Jahr einen Eröffnungstermin für den BER zu verkünden.

Wo am Fuße des Towers der Sicherheitsbereich des Flughafens Tegel beginnt, türmen sich die Koffer: in einer Halle und auf mindestens einem Dutzend Anhänger oder auch daneben, mit Planen vor dem Regen geschützt oder auch nicht. „Wir werden wahrscheinlich im Keller ein bisschen Wasser vorfinden“, stellt Engelbert Lütke Daldrup in Aussicht. Der Flughafenchef, zuständig für die Fertigstellung des BER und die lebenserhaltenden Maßnahmen für Schönefeld und Tegel, hat an diesem Dienstag zu einer Besichtigungstour nach Tegel geladen, um einen Eindruck vom Zustand jenes Flughafens zu vermitteln, dem bei der Volksabstimmung im September voraussichtlich hunderttausende Berliner zum ewigen Leben verhelfen wollen. Die unausgesprochene Botschaft dieses Morgens soll allerdings lauten: Tegel befindet sich längst am Rande des Infarkts.

Eine kurze Busfahrt vorbei an den von Insidern als „vereinigte Hüttenwerke“ bezeichneten Anbauten führt zur Leitstelle, in der die Störungsmeldungen einlaufen. Ein fensterloser flacher Raum mit vereinzelten roten Leuchtdioden auf Schaltplänen, Tintennadelseismografen und zwei nachträglich installierten PC-Arbeitsplätzen. Mehr als 18 000 pro Jahr, Tendenz klar zunehmend, sagt Technikchef Ralph Struck. Oft ist nur eine Glühlampe kaputt, aber auch die Ver- und Entsorgungsleitungen würden zunehmend gebrechlich. Und beim ersten Monsun Ende Juni war plötzlich eine der beiden Hauptstromleitungen – ein porös gewordenes Seekabel, Baujahr 1974 wie der ganze Flughafen – unterbrochen. Zwei Wochen dauerte die Reparatur. Wäre das andere Kabel während dieser Zeit ebenfalls ausgestiegen, wäre wohl nur noch geblieben, den Flughafen mit seinen täglich rund 60 000 Passagieren per Batteriebetrieb geordnet herunterzufahren.

Terminal C sei baulich nur als Provisorium genehmigt

Eine Etage tiefer steckt eine Sprinklerzentrale. Von den zwei Lkw-großen Tanks ist zumindest einer recht neu. 4000 Sprinklerköpfe hat der Flughafen. Am BER waren es 48 000, aus denen inzwischen fast 80 000 wurden. Ist Tegel angesichts so bescheidener Brandschutztechnik überhaupt sicher? „Sicher nach den Normen, die damals Bestand hatten“, sagt Lütke Daldrup. „Wenn wir es grundhaft sanieren müssten, würden ganz andere Vorschriften gelten. Wir müssten technisch massiv aufrüsten.“ In Zahlen: eine Milliarde Euro Investitionen über etwa acht Jahre. Die Hälfte davon für die Gebäude, der Rest für Verkehrswege und Infrastruktur. Die Gebäudesubstanz sei intakt, wie man bei Untersuchungen für den geplanten Einzug der Beuth-Hochschule festgestellt habe. Aber sämtliche Technik „haben wir wegen der Schließungsperspektive auf Verschleiß gefahren“.

Fünf bis zehn Millionen Euro habe die Flughafengesellschaft in den vergangenen Jahren jeweils in Tegel investiert, nur 2013 und 2015 etwas mehr. Anderswo seien 50 bis 70 Millionen Euro im Jahr üblich. Auch deshalb sei der alte Flughafen derart profitabel. Jetzt aber müssten die Terminals A und B, also das sechseckige Herz des Flughafens, bis zum Rohbau entkernt werden – also auch mindestens in Teilen gesperrt.

Terminal C sei baulich nur als Provisorium genehmigt und nicht zu sanieren. „Irgendwann werden die Behörden sagen, es geht nicht mehr“, orakelt der Flughafenchef. Ob die Behörden den Daumen für Terminal C schon vor der BER-Eröffnung senken? „Glaube ich nicht“, sagt Lütke Daldrup. „Wir eröffnen ja bald.“ Er lässt das erst mal so stehen, sagt aber später noch: „Wir werden in diesem Jahr einen Termin nennen.“ Vorher seien noch Gespräche mit den Baufirmen nötig. Experten halten 2018, wie berichtet, für aussichtslos und 2019 für ambitioniert.

Last für Infrastruktur

Mit modernerer Haustechnik wäre Tegel noch profitabler als die 119 Millionen Euro, die der Flughafen im vergangenen Jahr erwirtschaftet hat. Beim Parallelbetrieb dagegen kämen laut Flughafenchef auf die von Berlin, Brandenburg und dem Bund gehaltene Betreibergesellschaft jährlich 100 bis 200 Millionen Euro zusätzliche Betriebskosten zu, weil etwa Feuerwehr und Technik doppelt vorgehalten werden müssten. Alles in allem würden 500 Menschen mehr gebraucht, sagt Lütke Daldrup. Und fügt hinzu, dass dann ein Zuschuss der Gesellschafter nötig wäre, die er als SPD-Senatsvertreter bis vor Kurzem selbst repräsentiert hat. Wie viele zusätzliche Passagiere andererseits gewonnen werden könnten, wenn der bekanntlich unterdimensionierte BER nicht allein wäre, sagt er nicht.

Die Lage des Flughafens ist praktisch für Reisende, aber die Technik alt und der Platz zu knapp, um das Gepäck aus großen Maschinen umzuschlagen.
Die Lage des Flughafens ist praktisch für Reisende, aber die Technik alt und der Platz zu knapp, um das Gepäck aus großen Maschinen umzuschlagen.

© Sabine Beikler

Das angekündigte Wasser im Keller gibt es dann doch nicht zu sehen. Dafür gewährt der Chef einen Blick in die Gepäcksortieranlage, die für das Kofferchaos der letzten Zeit berühmt geworden ist. „Sehr alt und sehr dezentral“ sei die Technik rund um die Bänder, um die sich in halb offenen Hallen die Transporter mit den Anhängern schlängeln, auf denen die nächsten Gepäckstücke warten. Für Maschinen mit 300 Passagieren – eine typische Größe auf Langstrecken – seien die Anlagen nicht dimensioniert. „Die Probleme, die mit dem Gepäck gelegentlich entstehen, hängen auch mit unserer Infrastruktur zusammen und nicht nur mit der Performance unserer Bodendienstleister“, sagt Lütke Daldrup.

„Die Infrastruktur muss eine Last tragen, für die sie nie ausgelegt worden ist.“ Für sieben Millionen Passagiere sei Tegel einst konzipiert worden, gut 21 Millionen flogen hier im vergangenen Jahr. Mehr gehe nicht, sagt Lütke Daldrup, der auf der Tour erfolgreich einen Flughafen präsentiert hat, der aus dem letzten Loch pfeift. Zur Debatte um den Weiterbetrieb hat er seine Argumente präsentiert und hält sich ansonsten heraus. Alles Sache der Gesellschafter, nicht seine. Nur so viel: Ohne Grundsanierung gehe es nicht, und eine Grundsanierung erzwinge eine neue Planfeststellung. Mit Berücksichtigung aller jetzt geltenden Normen, Anhörung von Lärmbetroffenen und Klagemöglichkeit über zwei Instanzen. „Insofern ist die Diskussion, die geführt wird, meines Erachtens theoretisch.“

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