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Schwarz-rote Eintracht: Rechts neben Willy Brandt (SPD) sitzt auf diesem Foto des Berliner Senats aus dem Jahr 1957 Franz Amrehn (CDU)

© dpa

Berliner Geschichte: Rot-Schwarz gegen die rote Gefahr

Schon 1955 haben SPD und CDU miteinander koaliert. An der Spitze des Bündnisses standen Willy Brandt und Franz Amrehn. Dass das Bündnis schließlich scheiterte, lag auch an Nikita Chruschtschow.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

„Jetzt wird regiert!“ Mit diesen Worten leitete der frisch gewählte Regierende Bürgermeister Otto Suhr (SPD) im Januar 1955 eine neue Ära ein: die rot-schwarze Koalition. Das Regierungsbündnis von CDU und FDP, angeführt vom Christdemokraten Walther Schreiber, wurde abgelöst. Die Liberalen gingen in die Opposition, andere Parteien gab es nicht im Parlament. Die Sozialdemokraten hätten sogar allein regieren können, allerdings nur mit einer Stimme Mehrheit. Also wählte die SPD den sicheren Weg und nahm die Union mit ins Boot.

Es war eine Koalition, die sich trotz des Kalten Krieges, der wenig später im Mauerbau gipfelte, den praktischen Dingen des Lebens zuwandte: Verwaltungsreform, Wohnungsneubau, Förderung des wirtschaftlichen Aufschwungs und mehr Finanzhilfen für Berlin. Doch zwei Jahre später starb Suhr, und aus den innerparteilichen Kämpfen der SPD ging Willy Brandt als Sieger hervor. Im Oktober 1957 wählte ihn das Abgeordnetenhaus zum Regierenden Bürgermeister. Der damals schon prominente Sozialdemokrat hielt das Bündnis mit der CDU bis zur Wahl im Februar 1963 zusammen.

Der führende Mann der Union war damals Franz Amrehn, der während der gesamten rot-schwarzen Ägide Bürgermeister war und damit stellvertretender Regierungschef. Mit dem Kulturplan Berlin, der den Bewohnern der DDR und Ost-Berlins zu verbilligten Eintrittskarten für Konzerte, Theater und Kinos verhalf, machte er sich beliebt. Amrehn engagierte sich auch für eine effiziente Verwaltung. Er war ein konservativer Katholik, der aber nicht die Ausstrahlung eines Joachim Tiburtius hatte. Der CDU-Parteifreund und Senator für Volksbildung dominierte damals die Wissenschafts-, Schul- und Kulturpolitik Berlins, einschließlich der Zuständigkeit für den Sport. „Von Furtwängler bis Fußball“ umriss er sein Ressort.

Lesen Sie auf Seite 2, warum die Koalition schließlich zerbrach.

Auf sozialdemokratischer Seite waren es Bausenator Rolf Schwedler, Innensenator Joachim Lipschitz und in der Endphase der Koalition auch Wirtschaftssenator Karl Schiller, die nicht nur Tagespolitik machten. SPD-intern wurde der unangefochtene Regierungschef Brandt von Klaus Schütz und Kurt Neubauer gestützt. Sprecher des Senats war damals Egon Bahr, ein maßgeblicher Architekt der Entspannungspolitik, die viele Jahre später volle Wirkung zeigte.

Die traditionelle SPD-Linke, teilweise noch marxistisch geprägt, wollte die Nominierung Willy Brandts zum Regierenden Bürgermeister eigentlich verhindern - ohne Erfolg. Denn der Kampf zwischen dem linken Flügel um den SPD-Landeschef Franz Neumann („Keulenriege“) gegen die rechten Reformer („Pfeifenklub“) war 1957 schon entschieden. Die Pragmatiker, die aus der SPD eine Volkspartei machen wollten, bestimmten künftig die Linie ihrer Partei – und des rot-schwarzen Senats.

Es war ein strikt antikommunistischer und westorientierter Kurs. Innerstädtisch konzentrierte sich die Brandt-Regierung durchaus erfolgreich auf die Wirtschafts- und Bau-, Bildungs- und Sozialpolitik. So fiel es kaum auf, als bei der Abgeordnetenhauswahl im Dezember 1958 die FDP als einzige Oppositionspartei mit 3,7 Prozent auf der Strecke blieb. Ein Ergebnis innerparteilicher Querelen in der Bundespartei, die zur Spaltung der Liberalen führte. Die Neuauflage der SPD/CDU-Koalition hatte im Parlament keinen Widerpart mehr. Regierungschef Brandt sprach von einer „Notgemeinschaft“, die angesichts der sowjetischen Bedrohung unumgänglich sei.

Für die CDU war dies eine schwere Zeit, denn sie wurde zur Bildung einer Regierungsmehrheit gar nicht gebraucht. Auch in der SPD traute sich kaum noch jemand, dem Übervater Willy Brandt zu widersprechen. 1963 kam es zum Bruch. Anlass war ein geplantes Treffen zwischen Brandt und dem sowjetischen Partei- und Regierungschef Nikita Chruschtschow, das am Einspruch der CDU scheiterte. Wenig später wurde gewählt, die Union stürzte in der Wählergunst auf 29,3 Prozent ab. Die SPD schlug mit 63,6 Prozent der Stimmen alle Rekorde und nahm trotzdem die FDP mit in den Senat.

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