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Hartz-IV-Klagen im Sozialgericht. Vor allem um die Übernahme der Mietkosten wird besonders oft gestritten.

© Thilo Rückeis

Berliner Hartz-IV-Prozesse: Es wird weiter geklagt

Der Senat und die Regionaldirektion für Arbeit wollten die Zahl der Hartz-IV-Prozesse verringern – bisher aber ist das ohne Erfolg geblieben. Die wenigsten Klagen kommen aus Friedrichshain-Kreuzberg.

Das Ziel war ehrgeizig, das Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) und die Regionaldirektion für Arbeit vor einem halben Jahr verkündeten: Die Zahl der Klagen gegen Hartz-IV-Bescheide sollte innerhalb von zwei Jahren um ein Viertel gesenkt werden. Sechs Monate später sieht man noch keine Veränderungen. „Eine Tendenz ist bisher nicht erkennbar“, heißt es beim Sozialgericht. Die Eingangszahlen in den ersten vier Monaten schwanken zwischen 2200 und 2400, das entspricht etwa dem Niveau im Vorjahr. Der Senat selbst hat allerdings nur wenig direkten Einfluss auf die Arbeit der Jobcenter. Diese werden von den Bezirken und Arbeitsagenturen getragen. Die Klagefreudigkeit in Berlin ist bedeutend höher als im Bundesdurchschnitt. Bezogen auf die Zahl der Hartz-IV-Haushalte liegt die Quote hier bei 8,2 Prozent; bundesweit beträgt sie sechs Prozent. Rund 305 000 Haushalte in Berlin beziehen Hartz-IV-Leistungen.

Eins der Hauptthemen für Streitigkeiten ist seit Jahren die Übernahme der Miet- und Heizkosten durch die Jobcenter. Diese Kontroversen hatten sich in den vergangenen zwölf Monaten ein wenig gelegt. Im Mai vergangenen Jahres war die von Sozialsenator Mario Czaja (CDU) vorgelegte Wohnaufwendungenverordnung in Kraft getreten, die die Kostenberechnung für Miete und Heizung neu regelt. Ende April erklärte aber das Landessozialgericht diese Verordnung für rechtswidrig. Das Urteil ist bisher noch nicht rechtskräftig. Die Sozialverwaltung hat jetzt entschieden, dass sie vorm Bundessozialgericht in Revision gegen das Urteil gehen wird. Nach Prüfung des schriftlichen Urteils kam die Behörde zu dem Schluss, dass sie die Einschätzung des Landessozialgerichts nicht teilt. Das Gericht hatte vor allem bemängelt, dass in der Verordnung die Grenzwerte für die Heizkosten nicht vernünftig ermittelt worden seien. Damit seien auch die Richtwerte für eine Bruttowarmmiete nicht rechtmäßig. Für die Sozialverwaltung ist dies nicht stichhaltig. Ihrer Auffassung nach orientiert sich die Berechnung der Heizkosten an der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Jobcenter-Mitarbeiter rechnen damit, dass jetzt bis zu einem höchstrichterlichen Urteil wieder die Zahl der Klagen in diesem Bereich zunehmen wird.

Das Jobcenter mit der geringsten Klagequote in Berlin ist Friedrichshain-Kreuzberg. Hier klagen 3,8 Prozent der Hartz- IV-Haushalte. Die höchste Klagequote hat Neukölln mit 17,8 Prozent. Auch bei Streitereien, die nicht vor Gericht gehen, sieht es in Friedrichshain-Kreuzberg besser aus als in den anderen Bezirken. Schon die Zahl der Widersprüche gegen Entscheidungen des Jobcenters ist geringer. Das Jobcenter hat nach Angaben von Geschäftsführer Stephan Felisiak frühzeitig in einer behördenübergreifenden Arbeitsgruppe mitgearbeitet, der unter anderem Verwaltungsexperten wie auch Sozialrichter angehören, um das komplizierte Hartz-IV-Recht verständlicher umzusetzen. Deren Ergebnisse sollten berlinweit umgesetzt werden. Es half beispielsweise der Verständlichkeit, Bescheide kürzer abzufassen, sagt Mirko Jurk, einer von 18 Mitarbeitern in der Widerspruchsstelle des Jobcenters. Wenn sich ein Betroffener erst seitenlang durch einen komplizierten Verwaltungstext quälen musste, dann waren oft auch die Gründe für eine Entscheidung nicht mehr einfach zu erkennen. Für wichtig hält es Felisiak auch, dass die Mitarbeiter mal zum Telefonhörer greifen und Entscheidungen erklären. „In manchen Fällen sieht man den Widerspruchschreiben regelrecht an, dass der Kunde den Bescheid nicht verstanden hat“, sagt Jurk. Dann sei ein klärender Anruf sinnvoll. „Aber nicht in jedem Fall lohnen sich die Gespräche.“ Etwa wenn jemand Bescheide ablehnt, weil er die Meinung vertritt, dass die Hartz-IV-Sätze ohnehin zu niedrig sind. Gesetzlich ist es nicht vorgeschrieben, im Widerspruchsverfahren das Gespräch mit den Kunden zu suchen. Aber Landessozialgerichtspräsidentin Monika Paulat hält es für möglich, eine mündliche Anhörung in die Gesetzgebung aufzunehmen.

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