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Berlin: Berliner Haushalt: DIW-Experte: Die Stadt gehört an den Tropf des Bundes

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) fordert in ungewöhnlich scharfer Form von der Bundesregierung ein stärkeres finanzielles Engagement für Berlin. Eine Woche, nachdem Berlins neuer Finanzsenator Thilo Sarrazin bekannt gegeben hat, dass sich das Land 2002 wesentlich stärker verschulden muss als geplant, sagte der DIW-Haushaltsexperte Dieter Vesper dem Tagesspiegel, dass sich Berlin in einer "alarmierenden Haushaltsnotlage" befinde, aus der es ohne Bundeshilfe nicht mehr entrinnen könne.

Von Antje Sirleschtov

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) fordert in ungewöhnlich scharfer Form von der Bundesregierung ein stärkeres finanzielles Engagement für Berlin. Eine Woche, nachdem Berlins neuer Finanzsenator Thilo Sarrazin bekannt gegeben hat, dass sich das Land 2002 wesentlich stärker verschulden muss als geplant, sagte der DIW-Haushaltsexperte Dieter Vesper dem Tagesspiegel, dass sich Berlin in einer "alarmierenden Haushaltsnotlage" befinde, aus der es ohne Bundeshilfe nicht mehr entrinnen könne.

Das DIW ist das größte Wirtschaftsforschungsinstitut Deutschlands. Vesper gilt seit langem als ausgesprochen intimer Kenner des Berliner Haushalts.

Die finanzielle und wirtschaftliche Situation des Landes mache es dem Senat "nicht mehr möglich", allein durch Sparmaßnahmen aus der Verschuldungsfalle zu gelangen, sagt er. "Der Handlungsspielraum des Senates ist praktisch Null".

Zum Thema Ted: Schuldenlast - Soll Berlin mit dem Mangel leben? Vesper fordert den Regierenden Bürgermeister Berlins, Klaus Wowereit, daher auf, die Bundesregierung "spätestens in zwei Jahren" vor dem Verfassungsgericht in Karlsruhe zur Zahlung von so genannten Ergänzungszuweisungen zur Linderung einer Haushaltsnotlage zu verklagen. Aber auch bis dahin dürfe sich der Bund "nicht aus seiner Verantwortung stehlen". Berlin trage finanzielle Lasten aus seiner zentralen politischen Funktion. Unterstützung dürfe sich deshalb nicht in Zuschüssen für einzelne Kultureinrichtungen erschöpfen.

"Wir brauchen rasch einen Hauptstadtvertrag", sagte Vesper. Der Ökonom widerspricht damit auch dem Berliner Senat, der in der vergangenen Woche beteuert hatte, dass die Stadt zuerst durch eigene Sparansätze ihren Haushalt konsolidieren müsse, bevor man den Bund um Hilfe bittet. Der Regierende Bürgermeister hatte eine Klage gegen den Bund auf die Zahlung von Ergänzungszuweisungen, die das Karlsruher Gericht Anfang der neunziger Jahre dem Saarland und Bremen zuerkannte, abgelehnt.

Ohne diese Unterstützung, prognostiziert Vesper, werde es in Berlin zu "starken wirtschaftlichen Verwerfungen" kommen. Das Land habe durch Einsparungen in den vergangenen Jahren sein Haushaltsdefizit bereits von 10,7 auf rund fünf Milliarden Mark halbiert. Seit 1995 seien 35 000 Stellen im öffentlichen Dienst gestrichen und Ausgabkürzungen von rund sechs Prozent des Gesamthaushalts durchgesetzt worden. Während andere Bundesländer ihre Ausgaben im gleichen Zeitraum um vier Prozent erhöht hätten, habe es in Berlin "gewaltige Konsolidierungserfolge" gegeben. Diese Tatsachen müsse der Senat offensiver gegenüber der Bundesregierung vertreten.

Zwar erkennt auch Vesper weitere Einsparpotenziale. Doch angesichts der Schuldenlast fürchtet er, dass der Senat in einigen Bereichen die Budgets so stark kürzen müsse, das es zu "negativen wirtschaftlichen Effekten" kommt. Die Diskussion um die Schließung des Benjamin-Franklin-Krankenhauses sei ein Beleg. Berlin gebe jährlich rund 2,2 Milliarden Mark für Hochschulen und außeruniversitäre Einrichtungen aus. Dies allein löse in der Stadt Ausgaben und Investitionen von rund sieben Milliarden Mark aus. Wenn jetzt der Rotstift radikal angesetzt würde, seien "verheerende Auswirkungen" auf die ökonomischen Grundlagen des Landes zu befürchten.

Gleiches treffe für eine ganze Reihe anderer Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge zu, die jetzt von Kürzungen bedroht sind. "Die Stadt läuft Gefahr, den Ast abzusägen, auf dem sie sitzt." Vesper forderte Finanzsenator Sarrazin überdies zu realistischen Personalplanungen auf. Sarrazins Ankündigung, rund 70000 Stellen im öffentlichen Dienst zu streichen, bezeichnete der Haushaltsexperte als "nicht nachvollziehbar". Im Zusammenhang mit einer konsequenten Verwaltungsreform sei die Streichung von 15000 bis 20000 Stellen "realistisch".

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