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Akkurat. Die Auszubildende Mary Jean Paschke im Steigenberger Hotel in Potsdam deckt einen Tisch ein.

© Andreas Klaer

Berliner Hotels auf Azubisuche: „Das größte Problem sind die Arbeitszeiten“

Die für Berlin so wichtige Hotelier-Branche versucht, attraktiver für junge Leute zu werden. Gastwirte beklagen zugleich eine mangelnde Reife vieler Bewerber.

Zimmerputzen muss man in der Ausbildung nicht mehr – nur dabei zuschauen, erklärt Gisela Münchgesang, General Manager des Hotel Hilton am Berliner Gendarmenmarkt. Bezahlung und Karrierechancen könnten sich sehen lassen, trotzdem hat die Branche zunehmend größere Schwierigkeiten, junge Menschen für eine Ausbildung zu begeistern.

Woran das liegt, kann auch Gisela Münchgesang nicht sicher sagen. Sie vermutet eine generelle Verschiebung der Prioritäten bei jungen Leuten. „Dinge wie Freizeit und Familienplanung scheinen heute einen größeren Stellenwert zu haben als die Möglichkeit, die Welt zu erkunden. Aber die Lebenspläne sind so unterschiedlich wie die Menschen selbst, wir müssen also unser Angebot besser kommunizieren, um die richtigen Kandidaten zu erreichen“, sagt sie.

Ausbildung im Hotel gilt als unbeliebt

Eine etwas andere Einschätzung formuliert die Gewerkschaft für Nahrung Genuss Gaststätten (NGG). „Das größte Problem sind die Arbeitszeiten“, meint NGG-Sprecher Christoph Schink. Planbarkeit sei für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unabdingbar – wird jedoch in vielen Betrieben nicht umgesetzt. In so manch einem Dienstplan stünden nur Anfangs- aber keine Endzeiten, beschreibt Schink die Situation. Er ist gelernter Koch und hat eigene Erfahrungen gesammelt. Das zweite große Problem seien die Überstunden.

Eine Ausbildung im Hotel hat keinen besonders guten Ruf unter jungen Menschen, das bestätigt auch der aktuelle Ausbildungsreport des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Sowohl Hotelfachmann als auch Koch finden sich unter den sechs am schlechtesten bewerteten Ausbildungsberufen. Insbesondere in den Kategorien Ausbildungsqualität und Überstunden schneiden beide Berufe besonders schwach ab. So gaben 57,3 Prozent der befragten Hotelfachleute und 51,9 Prozent der Köche an, schon während der Ausbildungszeit regelmäßig Überstunden leisten zu müssen.

Es seien daher im Bereich des Hotel- und Gaststättengewerbes „erhebliche Anstrengungen notwendig , um diese Ausbildungsberufe für junge Menschen attraktiv zu machen“, heißt es im DGB-Ausbildungsreport. Derzeit bliebe in beiden Branchen mehr als jeder dritte Ausbildungsplatz deutschlandweit unbesetzt.

Berliner Betriebe konnten Stellen nicht besetzen

Das Bild zeigt sich auch für die Hauptstadt. Die IHK-Aus- und Weiterbildungsumfrage 2019 zeigt, dass 60 Prozent der befragten Unternehmen im Gastgewerbe angeben, einen Teil ihrer ausgeschriebenen Ausbildungsplätze nicht besetzen zu können. Mehr als jedes dritte Unternehmen erhielt laut eigenen Aussagen gar keine Bewerbung. Ein Blick in die Statistik bestätigt die Einschätzung: Auf 420 Ausbildungsplätze für den Beruf Hotelfachleute kamen im August 2019 nur 358 gemeldete Bewerber.

Das Hotel- und Gaststättengewerbe gehört zu den größten Ausbildungsbranchen in Berlin, ist ein wichtiger und wachsender Wirtschaftsfaktor. Dass viele Unternehmen ihre Ausbildungsplätze dennoch nicht besetzen konnten, liegt laut IHK-Umfrage auch an der mangelnden Ausbildungsreife der Schulabgänger: diese zeige sich etwa daran, dass elementare Rechenfertigkeiten fehlten, auch hätten die jungen Leute Probleme, sich mündlich oder schriftlich adäquat auszudrücken. 71 Prozent der Unternehmen im Gastgewerbe klagen außerdem über unklare Berufsvorstellungen der Bewerber.

Schichtdienst bietet auch Vorteile

Umso wichtiger sei es daher, bereits in der Schule die Berufsorientierung deutlich zu stärken, die Kenntnisse der entsprechenden Berufsbilder zu verbessern und mit jungen Menschen realistisch einzuschätzen, wo ihre Kompetenzen liegen und eine Vorstellung davon zu entwickeln, welche Möglichkeiten es mit ihrem Schulabschluss überhaupt gibt, schildert IHK-Sprecherin Claudia Engfeld. „Die Betriebe bewerben sich heute um die Auszubildenden und nicht mehr andersherum“, bestätigt Hotelmanagerin Münchgesang. „Und dabei stehen wir nicht nur in Konkurrenz zu den Hotelkollegen: Alle Branchen merken den Fachkräftemangel und versuchen junge Menschen für ihre Berufe zu begeistern.“

Deswegen müsse man besser darin werden, die Vorteile zu zeigen, die das Gastgewerbe zu bieten hat. Der in der öffentlichen Wahrnehmung so negativ besetzte Schichtdienst biete beispielsweise auch Freiheiten. „Ich kann vormittags einkaufen gehen und Arzttermine erledigen, wenn andere arbeiten müssen“, sagt Münchgesang. Außerdem sei das „nicht- 9- to-5“-Modell viel einfacher an veränderte Lebenssituationen anzupassen. Nicht nur wer Kinder oder Angehörige zu pflegen hat, wisse diese Flexibilität zu schätzen.

Auch für Sportler sei der Hotelbetrieb attraktiv – so, wie für Nicola Flender. Seit der 6. Klasse betreibt sie Leistungssport, ruderte sogar im Deutschlandkader. Sie hat ihre Ausbildung zur Hotelfachfrau im Hilton Hotel am Flughafen in Frankfurt am Main absolviert, ist seit gut einem halben Jahr an der Spree zu Hause. „Berlin war immer ein Traum von mir“, erzählt die 21-jährige, „ich habe nur darauf gewartet, dass hier eine Stelle frei wird.“

Hauptstadtbonus reicht nicht mehr

Die Stadt profitiert vom Hauptstadtbonus und ist attraktiv für Heranwachsende – das weiß auch die Personalchefin des Hotel Hilton am Gendarmenmarkt. Darauf könne man sich nicht ausruhen, auch hier werde es zunehmend schwieriger, die Ausbildungsplätze mit geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten zu besetzen.

Die Stadt schläft nicht, bietet eine gute Infrastruktur: das Nachhausekommen ist gewährleistet, egal wann die Schicht endet. Zunehmend zum Problem werde aber auch in Berlin die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt. Schließlich reicht ein Ausbildungsgehalt kaum für die begehrte Innenstadtlage, erklärt NGG-Experte Christoph Schink.

Das Gastgewerbe habe unter Azubis einen schlechten Ruf. Es sei aber nicht seine Gewerkschaft, die die Branche kaputtrede. Alle Beteiligten litten unter schwarzen Schafen, untertariflicher Bezahlung und den überdurchschnittlich vielen Überstunden. Manche Azubis würden den Löwenanteil ihrer Ausbildung nur in einer Abteilung verbringen – das müsse sich grundlegend ändern.

Erwartungen von beiden Seiten

Etwas anders schätzt der Hotel- und Gaststättenverband Berlin e.V. (DEHOGA Berlin) die Lage ein: „Dass Überstunden anfallen, kommt auch in anderen Branchen vor“, rechtfertigt der stellvertretende Hauptgeschäftsführer DEHOGA Berlin, Gerrit Buchhorn, die Situation. „Die Frage ist, wie es in der Öffentlichkeit dargestellt wird.“ Zu wenig würden beispielsweise die Hintergründe für Überstunden dargelegt. Die zentrale Frage sei: Welche Erwartungen hat der Nachwuchs an eine Ausbildung und umgekehrt?

Immerhin: Im Hilton am Gendarmenmarkt haben trotz des vermeintlich schlechten Images der Hotellerie 24 neue Azubis angefangen, alle Stellen konnten besetzt werden. Gisela Münchgesang nennt den entscheidenden Mehrwert: „Wir gucken auf die Persönlichkeit der Bewerber, nicht auf den Schulabschluss. Der Karriereweg ist offen – unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder Qualifikation. “

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