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© Spiekermann-klaas

Berliner Image: Eine Stadt wie du und ich

„Sei Berlin“ – die Erfinder der Marketing-Kampagne haben ihr Ziel erreicht: Der Slogan ist in aller Munde. Trotzdem bleiben solche Städte-Initiativen für die Mehrheit der Deutschen gewöhnungsbedürftig.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

In den USA gibt es eine Margarine, die heißt: „I can’t believe it’s not butter“ – ich kann nicht glauben, dass es keine Butter ist. Der witzige Name geht Katrin Androschin, die eine Weile in San Francisco lebte, nicht mehr aus dem Kopf. Aber „be Berlin“ findet sie noch besser. Kein Wunder, sie hat den Slogan mit erfunden. Die diplomierte Kommunikationsdesignerin führt gemeinsam mit Andreas Mack die Berliner Agentur Embassy. Die neue Marketing-Kampagne für Berlin liegt konzeptionell in ihren Händen; sie sind noch mindestens zwei Jahre bezahlte Ideen- und Ratgeber für den Senat.

Auf den griffigen Spruch für die Hauptstadt ist Embassy zwar nicht allein gekommen, man teilt sich den Ruhm und das Honorar mit drei anderen Agenturen, aber das ist den beiden Marketingleuten egal. „Das bestätigt uns eher“, sagt Mack. „Be Berlin, das lag irgendwie in der Luft, man musste nur noch zugreifen.“ Jeder ist anders in dieser Stadt. Jeder fühlt anders. Jeder hat seine Geschichte. „In Berlin gibt es das Preußische, das Kreative und das Flippige, eine einzigartige Mischung“, sagt Mack. So eine Weltstadt sei nun mal komplex und facettenreich, die lasse sich nicht wie ein Joghurt verkaufen. Gute Werbung sei auch mehr als suggestive Verführung.

Daraus erwuchs die Idee, das Bild von Berlin kunterbunt auszumalen, gepuzzelt aus den persönlichen Geschichten der Berliner. Sei ich, sei du, sei Berlin. Es scheint zu funktionieren. Seit dem Start der Kampagne vor knapp vier Wochen kommen auf der neuen Internetseite sei.berlin.de täglich ein Dutzend neuer Geschichten dazu, teilweise garniert mit Fotos, Video- oder Hörclips. Die besten Storys sollen ab 2009 in alle Welt geschickt werden. Schaut her, das sind wir!

Da ist zum Beispiel Maria Kraft, die mit 85 Jahren aus Bamberg nach Berlin gezogen ist und jetzt mit ihrem Sohn, dessen Lebensgefährten und der Golden-Retriever-Hündin Frida in einer Wohngemeinschaft lebt und glücklich ist. Oder Raul Krauthausen, der seit Geburt im Rollstuhl sitzt, Mitbegründer der Aktionsgruppe „Sozialhelden“. Oder Gabi Grützner, deren kleine Firma im Innovationspark Wuhlheide Fotolacke für die Mikroelektronik weltweit exportiert. Oder Karsten Morschett und Thomas Vetsch, denen – ehrlich wahr! – gestresste Kuscheltiere aus aller Welt zugeschickt werden, für die sie in Berlin einen Teddybärenurlaub organisieren. Ein Teil der Einnahmen kommt kranken und behinderten Kindern zugute.

Dass eine Mehrheit der Berliner, nach einer kürzlich veröffentlichten Umfrage, der neuen Berlin-Kampagne angeblich nichts abgewinnen kann, irritiert die Embassy-Leute nicht. Es gebe halt immer Menschen, die gegen etwas sind. „Kritik ist in Ordnung“, sagt Androschin. „Schlimm wäre es nur, wenn keiner über die Sache sprechen würde.“ Außerdem sei modernes Städte-Marketing für die Deutschen noch gewöhnungsbedürftig. In England oder den USA habe die gezielte Imagepflege eine lange Tradition. Glasgow zum Beispiel galt früher als graue Arbeiterstadt, inzwischen ist es als europäische Kulturmetropole ein Touristenmagnet. Das kam nicht von alleine. „Im industriellen Zeitalter reichte es aus, gute Grundstückspreise und eine ordentliche Kanalisation vorzuweisen“, sagt Mack. „Im digitalen Zeitalter müssen sich die Städte auf andere Weise einen Platz im Bewusstsein der Menschen erobern.“

Das funktioniere nur, wenn man auf den Punkt kommt. Be Berlin – das ist aus Sicht der Marken-Stylisten: „einfach, emotional, einprägsam und sprachlich verschränkt“. Kampagnenfähig gemacht mit der „Mechanik des Dreizeilers“ (Sei x, sei y, sei Berlin) in der „visuellen Klammer“ einer roten Sprechblase. Ja, die beiden Köpfe der Berlin-Kampagne, Androschin und Mack, gehen mit wissenschaftlicher Akribie an die Sache heran. Als Gastprofessor lehrt er an der Berliner Universität der Künste, im Master-Studiengang „Leadership in digitaler Kommunikation“. Sie ist Professorin an der Freien Universität Bozen und Spezialistin für visuelle Kommunikation. Berufliche Erfahrung hat sie in San Francisco, London und Zürich gesammelt.

Die Agentur Embassy gibt es seit 2002. Zuerst mit Adresse im Kreuzberger Graefekiez, seit einem Jahr hat das Team sein Büro in einem nagelneuen Townhouse an einer ruhigen Seitenstraße des Spittelmarkts in Mitte. Zu den Kunden gehören Renault, der Großflughafen BBI und Deutschlands zweitgrößte Softwareschmiede, die Software AG. Draußen ist noch Baustelle, die Stadt im Wandel, das passt. Drinnen herrscht stille Eleganz, warme Farbtöne, viel Holz, und im Souterrain mit dem großen Fenster werden die Gäste auf goldfarbene Sessel gesetzt. „Echt Neuköllner Barock“, sagt Katrin Androschin und lacht. Kitsch als Design, Kaffee aus der French Press, ein Teller feines Gebäck, Erdbeeren und Trauben auf dem großen Glastisch. Hier wird nichts dem kommunikativen Zufall überlassen. Und auch hier wird eine kleine Berliner Geschichte geschrieben. Ulrich Zawatka-Gerlach

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