zum Hauptinhalt
In der Offensive. Silvia Schelinski war Friseurin, Hausmeisterin – und dann Hartz-IV-Empfängerin. Damit wollte sie sich nicht abfinden. Die Berliner Joboffensive half ihr. Jetzt bedient die 45-Jährige im Café Buchwald im Hansaviertel.

© Doris Spiekermann-Klaas

Berliner Joboffensive: Schnell wieder in Arbeit

Die Zeit der Jobs bei Projekten und freien Trägern auf dem zweiten Arbeitsmarkt ist vorbei: Senat und Arbeitsagentur vermitteln Interessenten jetzt gezielt auf Stellen in der Wirtschaft – mit Erfolg.

Das Café Buchwald ist eine Berliner Institution – über die Stadtgrenzen hinaus bekannt für seinen Baumkuchen. Aber Andrea Tönges, die derzeit das Familienunternehmen als Geschäftsführerin leitet, hat wie so viele Chefs von Betrieben in der Gastronomie immer wieder Schwierigkeiten, das passende Personal zu finden.

Auch mit den Vermittlungsbemühungen der Arbeitsagentur oder der Jobcenter hat die 44-Jährige in der Vergangenheit keine guten Erfahrungen gemacht. „Die schicken einem dann 20 Bewerber, von denen viele gar keine Lust haben zu arbeiten“, sagt Tönges. Sie sei als Arbeitgeberin damit überfordert, ständig Vorstellungsgespräche zu führen, nur um echte Aspiranten von Proforma-Bewerbern trennen zu können.

Aber diesmal ist es anders. Konditoreninnung und Jobcenter haben gemeinsam eine Strategie überlegt, wie beiden Seiten geholfen werden kann. Gezielt wurden Bewerber ausgesucht und eine mehrwöchige Weiterbildung mit Praktika vorgeschaltet, sagt Karin Raschinsky. Sie ist private Arbeitsvermittlerin und Verkaufstrainerin, sie übernahm einen Teil der Qualifizierung und vermittelte Kandidaten an die Betriebe.

Auf diesem Weg kam auch Silvia Schelinski in das traditionsreiche Café an der Bartningallee im Hansaviertel. In den vergangenen Jahren hatte die 45-Jährige nicht mehr in ihrem gelernten Beruf als Friseurin gearbeitet, sondern als Hausmeisterin. Im September 2011 meldete sie sich im Jobcenter Treptow-Köpenick arbeitslos. „Ich wollte so schnell wie möglich wieder einen Job haben“, sagt Schelinski. Und sie war wirklich nicht lange ohne Arbeit: Am 21. November begann ihr Arbeitsvertrag.

Möglich wurde das Projekt durch die Berliner Joboffensive. Diese haben die Regionaldirektion für Arbeit und die Senatsverwaltung vergangenen Juni gestartet, um gut vermittelbare, arbeitslose Hartz-IV-Empfänger – „marktnahe Kunden“ im Jobcenter-Jargon – schneller wieder in Arbeit zu bringen. In allen zwölf Jobcentern betreuen rund 650 Vermittler, von denen 350 extra eingestellt wurden, diese Zielgruppe intensiv. „Mindestens alle 14 Tage soll es einen Kontakt zwischen Vermittler und dem Klienten geben“, sagt Jens Regg, Geschäftsführer der Regionaldirektion für Arbeit.

Seit Beginn der Joboffensive wurden bis Ende Februar 33 000 Arbeitslose auf reguläre Jobs vermittelt; das sind rund 8700 mehr, als die Jobcenter bei normaler Betreuung in Arbeit gebracht hätten. Regg ist mit der bisherigen Bilanz zufrieden. 10 000 Vermittlungen hatte man sich bei Beginn der Kampagne vorgenommen. „Dann wären wir bei einer schwarzen Null“, sagt Regg. Die Kosten für zusätzliche Vermittler und bessere Betreuung hätten sich gelohnt. Aber bei der Regionaldirektion ist man sehr zuversichtlich, die angepeilte Vermittlungszahl durchaus überschreiten zu können, da die auf zwei Jahre angelegte Joboffensive ihre Startschwierigkeiten überwunden hat und inzwischen gut läuft. Die Kosten von 46,3 Millionen Euro kommen vom Bund, 7,2 Millionen Euro zahlt das Land. Inzwischen gibt es auch Interesse aus Brandenburg an dieser Initiative.

Die Joboffensive ist ein deutlicher Ausdruck der Kehrtwende in der Arbeitsmarktpolitik. Die Zeiten, in denen Hartz-IV-Empfänger in der Regel jenseits regulärer Jobs in befristeten Projekten und Maßnahmen beschäftigt wurden, sind vorbei. Jetzt rückt die Förderung von betrieblichen Arbeitsplätzen in den Vordergrund. Die Bundesagentur für Arbeit hat den Schwenk schon länger vollzogen; der Senat ist mit dem Wechsel an der Spitze des Arbeitsressorts von der Linken-Politikerin Carola Bluhm zur Sozialdemokratin Dilek Kolat jetzt auch auf dieser Linie. Kontinuierlich wurden die Ein-Euro-Jobs, die nach der Einführung von Hartz IV im Jahr 2005 überwiegend eingesetzt wurden, und andere Projekte stark reduziert. Gänzlich verzichten kann man allerdings darauf nicht; denn unter den Langzeitarbeitslosen gibt es auch etliche Tausend, die auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht vermittelbar sind. Während beispielsweise im Jahr 2008 noch rund 47 000 ehemals Arbeitslose in Maßnahmen arbeiteten, sind es jetzt nur 15 500. Oft sind es Menschen, die sich nach langer Erwerbslosigkeit wieder an einen Arbeitsalltag gewöhnen müssen.

Ewa Dradrach, die nach der Geburt ihrer jetzt sechsjährigen Tochter aus dem Berufsleben ausgeschieden war, brauchte keinen Job auf dem zweiten Arbeitsmarkt, um wieder Fuß im Berufsleben zu fassen. Die gebürtige Polin hat aus ihrem Heimatland eine abgeschlossene Ausbildung als Hotelfachfrau mitgebracht. Durch das Jobcenter Reinickendorf bekam die 32-Jährige einen Vermittlungsschein. Sie machte eine zweiwöchige Trainingsmaßnahme und konnte anschließend bei dem Hoteldienstleister FCCS als Hausdame anfangen. Die überwiegende Zeit ist Dradrach jetzt im Hotel Intercontinental eingesetzt. Dort kontrolliert Dradrach die Zimmer – ob die Zimmermädchen ihren Job gut machen und auch sonst alles zur Zufriedenheit des Gastes ist. Die alleinerziehende Mutter verdient jetzt rund 1500 Euro im Monat. Auf das Jobcenter ist sie nicht mehr angewiesen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false