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Berlin: Berliner Jugendliche wissen zu wenig über Aids

Die Krankheit ist kaum noch ein Thema. Experten kämpfen gegen die Sorglosigkeit an. Aber es fehlt das Geld

Selbst hartgesottene Aufklärer sind verblüfft, wenn sie solche Fragen von Jugendlichen hören: Kann man sich durch einen Mückenstich mit Aids infizieren oder durch eine Berührung? Und fragt man Schüler, wie sie sich denn gegen eine Ansteckung mit dem Aids-Erreger HIV schützen könnten, dann nennen sie nicht nur den Gebrauch eines Kondoms, sondern auch die Antibabypille oder eine Spirale. „Da gehen Empfängnisverhütung und Aids-Schutz wild durcheinander“, sagt Barbara Schweizer von der Aids-Hilfe. Die Wissenslücken bei Heranwachsenden werden größer. Gerade bei Jugendlichen geraten die Gefahren der Immunschwächekrankheit in Vergessenheit, warnen Anti-Aids-Aktivisten und das Robert-Koch-Institut. In der Altersgruppe der 20- bis 25-Jährigen registrieren die Forscher einen Zuwachs an Infektionen.

Gegen die Sorglosigkeit versucht die Aids-Hilfe anzugehen, indem sie Schulklassen einlädt, um über das Thema zu diskutieren. Barbara Schweizer koordiniert diese jeweils zweistündigen Aufklärungsveranstaltungen. Sechs ehrenamtliche Mitarbeiter stehen ihr dafür zur Verfügung. Alle speziell geschult und unter dreißig Jahre alt. „Damit sie die Sprache der Jugendlichen noch beherrschen.“ Jährlich kommen etwa 300 Schüler in die Beratung, ab der 8. Klasse.

Verheerend sei das Halbwissen, wenn es um Behandlungsmöglichkeiten geht. „Sie glauben, dass die neuen Medikamente Aids heilen könnten“, sagt Schweizer. Die Lage sei tatsächlich verwirrend. Einige Anzeigenmotive der Hersteller von Medikamenten sind umstritten, weil sie – so die Kritik von Aktivisten – ein zu positives Bild des Lebens mit Aids zeichneten. „Sicher kann man mit den Mitteln lange leben“, sagt Schweitzer. „Aber der Virus ist doch nicht weg, sondern nur unterdrückt.“ Aids ist nach wie vor tödlich.

Auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in Köln registriert eine nachlassende Bereitschaft unter Jugendlichen, sich gegen HIV zu schützen? Aids ist nach über 15 Jahren für die Medien einfach kein Thema mehr, klagt Behördensprecherin Marita Völker-Albert. „Und wenn das Thema nicht mehr auftaucht, dann reden die Jugendlichen auch nicht drüber.“ Sie hätten den Aids-Schock der späten Achtzigerjahre mit den vielen Toten nicht erlebt. „Jugendliche müssen für das Thema erst sensibilisiert werden.“ Das Ergebnis: Das Schutzverhalten lasse nach, gerade in unerwarteten Situationen wie Urlaubsflirts oder kurzen Affären.

Und ausgerechnet jetzt hat die BZgA ein Reichweitenproblem. Die Zeiten, als die halbminütigen Aufklärungs-Spots kurz vor der Tagesschau um 20 Uhr liefen, seien vorbei. „Die öffentlich-rechtlichen Sender bringen unsere Clips fast gar nicht mehr“, sagt Völker-Albert. Und die privaten Sender glichen diesen Verlust nur teilweise aus. Anfang der Neunziger habe man noch 90 Prozent der Bevölkerung mit den Spots erreicht, heute kaum noch 30 Prozent.

Und es steht auch weniger Geld zur Verfügung. Von den umgerechnet rund 25 Millionen Euro, die der Bundeszentrale noch 1987 für die Aids-Prävention zur Verfügung standen, sind jetzt noch jährlich neun Millionen Euro geblieben.

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