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Berlin: Berliner Koalition: "Der Januar wird turbulent"

Freitagmorgen, in der Uniklinik Benjamin Franklin wimmelt es von Flugblättern. Draußen schneit es, und auch drinnen ist die Stimmung frostig.

Freitagmorgen, in der Uniklinik Benjamin Franklin wimmelt es von Flugblättern. Draußen schneit es, und auch drinnen ist die Stimmung frostig. "Aufruf zur Protestveranstaltung!", heißt es auf den Blättern. "Die rot-rote Koalition gibt dem Uniklinikum den Todesstoß."

Um 12 Uhr ist das Foyer der Westhalle randvoll. Schwestern in weißen Kitteln, Ärzte - mindestens 200 Menschen haben sich versammelt. Der große Weihnachtsbaum in der Mitte des Foyers täuscht: von Weihnachtsstimmung kann hier wahrlich nicht die Rede sein.

Die von Sparzwängen gebeutelte rot-rote Koalition hat nämlich beschlossen, dem Klinikum im Südwesten der Stadt den Unistatus zu entziehen, um es in ein normales Krankenhaus zu verwandeln. Auf dem Spiel stehen ganze Forschungszweige und Hunderte von Arbeitsplätzen.

"Der Beschluss bedeutet die Zerschlagung der Hochschulmedizin in Berlin", schimpft Heike Spieß. Sie ist bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi zuständig für die Unimedizin. "Berlin ist kein Industrie-, sondern ein Wissenschaftsstandort - jetzt wird also genau das zerschlagen, was die Stadt ausmacht."

Auch die Personalratsvorsitzende des Klinikums, Monika Ziegner, findet deutliche Worte und spricht von einer Entscheidung von "Unwissenden, Laien, Dilettanten".

Von der SPD ist keiner gekommen. Man wäre auch nicht sehr willkommen an diesem Ort, denn die meisten hier sehen die SPD als Verantwortliche für die geplante Demontage. "Alle anderen Parteien waren dagegen, auch die PDS", sagt Dekan Martin Paul. "Es ist eine Willkürentscheidung von Wowereit und Strieder."

Der Einzige aus der Politik, der sich hergetraut hat, ist Benjamin Hoff, wissenschaftspolitischer Sprecher der PDS. Auf die Opferrolle aber will er sich nicht einlassen: "Nein, wir stehen zu dieser Koalition und diesem Beschluss".

"Eine absurde Entscheidung", sagt Peter Gaehtgens, Präsident der Freien Universität (FU), "töricht und unverantwortlich - wir werden uns mit allen, auch juristischen Mitteln wehren". Auch sein Amtskollege Jürgen Mlynek von der Humboldt-Universität (HU) befürchtet, dass "der Wissenschaftsstandort Berlin grundlegend geschädigt wird".

Für jede Mark, sagt Gaehtgens, die man in eine Berliner Hochschule stecke, fließen drei als Folgeinvestition in die Stadt. Biotechnologie-Firmen kommen auch deshalb nach Berlin, weil die Hauptstadt mit ihren Hochschulen ein attraktiver Standort ist. "Nur der dümmste Bauer schlachtet die Kuh, die die Milch gibt", sagt Gaehtgens.

Immer wieder musste gerade die FU "Opfer bringen": 1994 ging eine ihrer Zahnkliniken, 1995 das Virchow-Klinikum an die HU. "Eine dritte Entscheidung dieser Art werden wir nicht hinnehmen", sagt Gaehtgens.

Den Motivationsverlust, der mit der Entscheidung einherginge, könne man nicht mehr rückgängig machen, so Gaehtgens. Den Beschluss selbst schon: "Wir werden die weihnachtliche Zeit gut nutzen, unsere Kraft zu sammeln. Der kommende Januar, darauf können Sie sich gefasst machen, wird turbulent."

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