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Berlin: Berliner Koalition: Die Angst vor dem Berliner Haifischbecken

Nun also doch, Lothar Bisky bleibt in Potsdam. Der Zauderer und Zögerer, den Gregor Gysi bislang immer noch umstimmen konnte, blieb diesmal hart.

Nun also doch, Lothar Bisky bleibt in Potsdam. Der Zauderer und Zögerer, den Gregor Gysi bislang immer noch umstimmen konnte, blieb diesmal hart. Am Mittwoch gegen 17 Uhr verbreitete die PDS-Fraktion des Potsdamer Landtages eine Sechs-Zeilen-Meldung: Bisky habe sich nach "einem ausführlichen und einvernehmlichen Gespräch mit Gregor Gysi" entschieden, für den Posten des Berliner Kultursenators "nicht zur Verfügung" zu stehen. Die Nachricht kam für die, die Biskys Zweifel kannten, nicht überraschend: Denn der Fraktionschef im Potsdamer Landtag und frühere PDS-Bundesvorsitzende wollte nie Senator im "Berliner Haifischbecken" werden.

Zum Thema Online Spezial: Rot-Rot in Berlin Noch am Mittwoch vormittag, vor seinem Gespräch mit Gysi, sagte er gegenüber dem Tagesspiegel: "Es drängt mich nichts." Er sei nicht der Typ für einen Minister- oder Senatorenposten. Bereits im Dezember hatte Lothar Bisky definitiv ausgeschlossen, dass er als Kultursenator nach Berlin wechseln werde. Auch Anfang Januar blieb er noch dabei: Nach einem Gespräch mit Gysi ließ er im Landtag mitteilen, alle Spekulationen in Medien, er werde Kultursenator in Berlin, seien "gegenstandslos". Er werde in Brandenburg, wo er seit Jahren seine politische Heimat habe, bleiben.

Da die Partei und besonders Gysi ihn in den letzten Tagen erneut bedrängten, war Bisky in sich gegangen: Die Sache werde jetzt doch ernst, man dränge ihn, in den Senat zu gehen, er werde darüber ernsthaft nachdenken, sagte er noch gestern vormittag - und in Berlin verbuchte man ihn schon als neuen Kultursenator.

In Biskys Potsdamer Umfeld erklärt man seine endgültige Absage damit, dass er nie Senator werden wollte, obwohl dies einen Lebenstraum des studierten Kulturwissenschaftlers erfüllt hätte. Bisky hat seit der Wende immer auf eine "vereinte Linke", auf die Übernahme von Regierungsverantwortung durch die PDS hingearbeitet. Und Kultur und Wissenschaft sind in Brandenburg seine Lieblingsthemen. Doch schreckte er, meinen Vertraute, vor dem zu erwartenden Dauerbeschuss in Berlin und der neuenDauerbelastung zurück. Schon Brandenburgs politische Kultur unter der großen Koalition ist dem "Gefühlssozialisten" und Intellektuellen zu kalt, wie er wiederholt beklagte. In Berlin würden ihn "Fallen erwarten", sagt ein Vertrauter. Außerdem hätte es seiner Grundüberzeugung widersprochen, bei Kultur und Wissenschaft zu sparen.

Den Bundesvorsitz der PDS hatte er nicht zuletzt deshalb abgegeben, weil ihn die Doppelbelastungen von Bundes- und Landespolitik zunehmend körperlich angriffen: "Jetzt ist der Punkt erreicht, an dem Politik, würde ich sie wie bisher betreiben, mich körperlich krank machen würde", sagte er im Herbst 2000 dem Tagesspiegel. "Politik ja, aber in der richtigen Dosis." Bis 2004 wolle er noch im Brandenburger Landtag bleiben, dann einen geordneten Rückzug aus der Politik antreten. Bereits seit geraumer Zeit beschäftigt sich der frühere Rektor der Babelsberger Filmhochschule wieder intensiv mit der Filmwissenschaft, seiner eigentlichen Liebe.

Offenbar konnte ihn diesmal selbst Gysi nicht überreden, mit dem ihn eine enge Freundschaft verbindet. Der wollte, sagen PDS-Genossen, Bisky auch deshalb unbedingt in den Senat holen, weil er jemanden in seiner Nähe brauche, auf den er sich verlassen, mit dem er sich beraten könne. Beide vertrauen sich blind, seit sie die PDS zehn Jahre durch Höhen und Tiefen führten, beide sind als Reformer anerkannt. Bisky sei souverän und habe internationales Renommee, so das Kalkül der PDS-Strategen, das nicht aufgegangen ist. Also kein Gespann Gysi / Bisky, das leichter Bedenken gegen Rot-Rot hätte abbauen können.

Vor seinem Gespräch mit Gysi signalisierte Bisky bereits, dass er sich noch andere personelle Alternativen vorstellen könne. "Es geht nicht nur mit mir."

Michael Mara

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