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Berlins Finanzsenator Ulrich Nussbaum weiß, wie er am Ende des Jahres eine frohe Botschaft verkünden kann.

© dpa

Berliner Landeshaushalt: Wie der Fiskus sein Sparschwein füttert

Zwischen der Haushaltsplanung und den tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben klaffen stets Riesenlücken. Das hat offenbar System.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Finanzminister schummeln gern. Sie verstecken Geld im Haushalt, das nicht ausgegeben oder zusätzlich eingenommen wurde. Am Ende des Jahres stehen sie dann als Retter der öffentlichen Finanzen da. Alles lief viel besser als geplant, wie durch Zauberhand. Berlins Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) beherrscht diese Kunst genauso wie sein Vorgänger Thilo Sarrazin (SPD). Schaut man sich die Landeshaushalte an, die beide Senatoren von 2003 bis 2012 verantwortet haben, klaffen nach Berechnungen des Tagesspiegels systematisch große Lücken zwischen Planung und tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben.

So wurden in den genannten zehn Jahren die Steuereinnahmen Berlins (einschließlich des Finanzausgleichs) durchschnittlich um 430 Millionen Euro pro Jahr zu niedrig eingeplant. Und die Erlöse aus Grundstücksverkäufen fielen im Jahresdurchschnitt um 45 Millionen Euro höher aus. Bei den Ausgaben war es nicht anders. Die Zinsen für den Schuldenberg Berlins wurden jährlich um über 100 Millionen Euro zu niedrig eingeplant. Von den Geldern für Investitionen wurden im Jahresdurchschnitt 120 Millionen Euro nicht ausgegeben. Auch die Personalausgaben für die Berliner Verwaltung wurden zwischen 2003 und 2012 meistens zu hoch angesetzt. Im Durchschnitt um 50 Millionen Euro jährlich.

Nur die Sachausgaben fielen fast immer höher aus als eingeplant. Im Jahresdurchschnitt um 235 Millionen Euro. Das lag vor allem daran, dass der Senat die Kosten für soziale Hilfen nicht in den Griff bekam. Alles in allem gelang es aber sowohl Sarrazin wie auch Nußbaum, gut gefütterte Sparschweine im Landeshaushalt zu verstecken. Natürlich kann es immer mal zu unvorgesehenen Ausgaben oder Einnahmen kommen, die bei der Aufstellung des Etats nicht absehbar waren. Aber nicht in den genannten Dimensionen. Dahinter steckt System.

Grünen-Politiker Esser: "Der Finanzsenator bunkert heimlich Milliarden"

Das gilt auch für 2013. Zum erkennbaren Missfallen von Nußbaum, der auf der Senatsbank still empört die Backen aufblies, sprach der SPD-Haushaltsexperte Torsten Schneider in der letzten Parlamentssitzung vor der Sommerpause von „strategischen Reserven“. Für einen Regierungspolitiker ein selten ehrliches Eingeständnis. Der Grünen-Haushälter Jochen Esser wurde noch deutlicher: „Der Finanzsenator bunkert heimlich Milliarden“, sagte er und forderte für die Zukunft eine ehrliche Haushaltsplanung. Esser und die Linken-Finanzpolitikerin Manuela Schmidt zählten minutiös die Finanzpolster auf, die Nußbaum im laufenden Haushalt angelegt hat.

Der größte Posten sind die Steuereinnahmen. Voraussichtlich fließen 2013 600 Millionen Euro mehr in die Landeskasse als geplant. An zweiter Stelle stehen die Kreditzinsen, die nach Schätzung der Opposition 200 bis 300 Millionen Euro niedriger ausfallen, als im Haushaltsplan stehen. Darlehensrückflüsse aus der alten Wohnungsbauförderung dürften um 100 bis 200 Millionen Euro höher liegen als gedacht. Fördermittel aus Brüssel wurden im Etat um mindestens 40 Millionen Euro zu niedrig veranschlagt. Weitere Posten, die den Berliner Haushalt bis zum Jahresende verschönern werden: Zusätzliche Einnahmen aus dem Verkauf landeseigener Immobilien und aus Bundeszuschüssen für die Wohnungen von Hartz-IV-Empfängern. Außerdem nicht ausgeschöpfte Mittel für Investitionen und Arbeitsmarktförderung sowie geringere Personalkosten.

Im Ergebnis dieser „ungenauen“ Planung könnte Nußbaum Ende 2013 einen ausgeglichenen Haushalt vorweisen. Obwohl ursprünglich neue Schulden von fast 500 Millionen Euro in der Finanzplanung standen und Berlin 940 Millionen Euro in den Länderfinanzausgleich zurückzahlen soll. Eine Folge des umstrittenen Zensus, der Berlins Bevölkerung um 180 000 Menschen schrumpfen ließ. Es wird niemand böse sein, wenn Berlins Finanzen zum Jahresende um 1,5 Milliarden Euro besser dastehen als geplant. Aber mit den Grundsätzen von Haushaltsklarheit und -wahrheit, so der Grünen-Abgeordnete Esser, habe das nichts zu tun.

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