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Wer zieht den Stecker? Bei der Rekommunalisierung des Stromnetzes konnte sich die Berliner Regierungskoalition bislang nicht auf eine gemeinsame Linie einigen.

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Berliner Landespolitik: Rot-Schwarz verliert die Energie

Berlins rot-schwarze Koalition leidet unter zunehmenden Reibungsverlusten im politischen Alltagsgeschäft. Der Streit zieht sich von den Stromnetzen und der Wohnungspolitik bis hin zum ICC. Ein Überblick.

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Die Koalitionsfraktionen hüllten sich beharrlich in Schweigen. Werden SPD und CDU zur heutigen Parlamentssitzung eine gemeinsame Resolution zum Gesetzentwurf des Berliner Energietisches zur Abstimmung stellen? Offiziell gab es gestern keine Gespräche zwischen den Fraktionschefs Raed Saleh (SPD) und Florian Graf (CDU). Beide Fraktionen hatten, wie berichtet, am Dienstag getrennte Positionen beschlossen. Sie haben wegen der gesetzlichen Frist nur noch am Donnerstag Gelegenheit, im Parlament eine gemeinsame Position zu verabschieden.

Die Opposition war schneller. Obwohl Grüne, Linke und Piraten auch lange um eine gemeinsame Stellungnahme stritten: Am Mittwoch lag sie vor. Die drei Fraktionen unterstützen den Gesetzentwurf des Energietisches und werben für ein kommunales Stadtwerk, das langfristig Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien produziert und vertreibt sowie für ein Stromnetz in öffentlicher Hand. Doch nicht nur um die Energiepolitik gibt es Streit in der Koalition. Trotz der kolportierten „aufgeräumten und sachlichen, freundlichen Arbeitsatmosphäre“ im Senat gibt es im Alltagsgeschäft zwischen den Koalitionsfraktionen zunehmend Reibungspunkte, die auch mit dem sich verschärfenden Bundestagswahlkampf zusammenhängen.

Energiepolitik

Die SPD teilt zwar die Forderung des Energietisches, das Stromnetz zu rekommunalisieren, will aber eine parlamentarische Kontrolle des Stadtwerks, die der Energietisch ausschließt. Die CDU lehnt den Volksentscheid deutlich ab und sagt Nein zur Übernahme des Stromnetzes. Außerdem fordert sie eine Wirtschaftlichkeitsstudie für das Stadtwerk.

Liegenschaftspolitik

Ärger zwischen den Koalitionspartnern und innerhalb der SPD haben zum Stillstand in der Liegenschaftspolitk geführt. So beantragte die SPD-Fraktion am Mittwoch im Vermögensausschuss, rund zehn Grundstücksgeschäfte zu vertagen. Es geht um die Vergabe von Grundstücken an landeseigene Unternehmen für den Bau dringend benötigter neuer Wohnungen, um Flächen für eine Wohnungslosenunterkunft in Reinickendorf und eine Begegnungsstätte in Lichtenberg. Es geht um städtebauliche Entwicklungsgebiete, die Bund und Berlin gemeinsam gehören. Sogar das Musterprojekt für die vom Senat angekündigte neue Liegenschaftspolitik wird blockiert: die Vergabe von Bauland an der früheren Blumengroßmarkthalle in Kreuzberg. Die Projekte hatten zuvor alle Gremien und den Senat passiert. Die CDU sprach sich gegen den SPD-Antrag aus und votierte nur „aus Koalitionsräson“ für eine Vertagung. Nun werden der Kampf gegen die Wohnungsnot sowie Millioneninvestitionen aufgeschoben.

Kitapflicht

Noch in der Sommerpause setzte SPD-Fraktionschef Raed Saleh ein altes Thema wieder auf die Tagesordnung: Die Kitapflicht für alle Berliner Kinder ab dem vollendeten dritten Lebensjahr. Wie er im Tagesspiegel begründete, ging es ihm darum, die Bildungs- und Berufschancen von Kindern aus Migranten- und sozial schwachen Familien zu erhöhen. Der CDU-Generalsekretär Kai Wegner konterte. Er nannte die Kitapflicht eine „Zwangsbeglückung“ und plädierte dafür, die Eltern mit guten Argumenten davon zu überzeugen, ihre Kinder in die Kita zu schicken.

Schulen

Die Christdemokraten würden, wenn sie könnten, sofort zur Lehrerverbeamtung zurückkehren. Umfangreiche Argumente für die Abkehr vom Angestelltenstatus trug die bildungspolitische Sprecherin Hildegard Bentele zusammen, als in der vergangenen Woche der Lehrerstreik einige Schulen lahmlegte. Vorsichtiger ist die CDU beim Thema Früheinschulung. Ähnlich wie die Grünen sieht die Union die frühe Schulpflicht skeptisch, ist aber bemüht, die Koalitionsstimmung deshalb nicht zu verderben. Solange die SPD die Gymnasien in Ruhe lässt, wird der Koalitionsfriede beim Thema Schule nicht gänzlich gefährdet.

Und sonst so?

Beim Rückkauf der Veolia-Anteile an den Wasserbetrieben durch das Land Berlin, der angeblich vor dem Abschluss steht, stört sich die CDU unter anderem am hohen Preis von rund 700 Millionen Euro. Die wohl unvermeidliche Schließung des Internationalen Congress Centrums auf Dauer dürfte spätestens Anfang 2014 einen Koalitionsstreit auslösen, denn die Union will das ICC retten.

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