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Ermittler im Januar 2014 am Tatort in Reinickendorf.

© Maurizio Gambarini/dpa

Berliner LKA: Im Rockermord-Skandal geht es nun um Polizeispitze

Im LKA-Skandal um den Wettcafé-Mord wird nun gegen Beamte ermittelt. Doch Senator Geisel und Innenpolitiker schauen auch auf die damalige Polizeiführung.

In Berlin herrscht Unruhe bei Polizei und Justiz – mal wieder. Es geht um den vom Landgericht festgestellten Vorwurf, dass Beamte des Landeskriminalamts (LKA) zwingend gebotene Maßnahmen unterlassen und somit 2014 womöglich einen Mord billigend in Kauf genommen hätten. In diesen Tagen – vier Jahre nach den tödlichen Schüssen in einem Reinickendorfer Wettcafé – ermittelt die Staatsanwaltschaft nun doch gegen drei LKA-Beamte wegen des Vorwurfs des Totschlags durch Unterlassen. Die Beamten sind nun suspendiert, die Polizei leitete Disziplinarverfahren gegen sie ein.

Berliner Innenpolitiker wollen sich damit nicht zufrieden geben, dass einzelne Beamte für den Skandal verantwortlich gemacht werden. „Die Pyramide geht immer nach oben, an die Spitze“, sagte SPD-Innenpolitiker Tom Schreiber am Abend im RBB. Offenbar funktioniere an vielen Stellen im LKA die Kommunikation nicht, sagte Marcel Luthe (FDP). Konkret äußerten beide Politiker Kritik an der Rolle von LKA-Chef Christian Steiof und Generalsstaatsanwältin Margarete Koppers, die bis Februar Polizeivizepräsidentin war.

Anwalt: "Kaum vorstellbar, dass ein Behördenchef nicht informiert war"

Als angeschlagen gilt Steiof ohnehin, ihm waren zuletzt Fehler im Fall des tunesischen Asylbewerbers Anis Amri angelastet worden – der Islamist tötete im Dezember 2016 zwölf Menschen. Nun werden Steiofs Führungsqualitäten erneut infrage gestellt. Denn kurz nach den Wettcafé-Schüssen im Januar 2014 hatte Steiof gesagt, dem LKA fehlten Kenntnisse, die den Mord womöglich hätten verhindern können. Später korrigierte sich Steiof, gab Pannen zu, will aber von den Vorgängen bei den Ermittlern nichts gewusst haben.

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Markus Wessel, Anwalt der Angehörigen des getöteten Tahir Ö. in der Nebenklage, sagte dem Tagesspiegel: „Es ist für mich schwer vorstellbar, dass ein Behördenchef schlecht informiert wird.“ Doch wenn dem so gewesen sei, spreche das nicht für den Chef. Schreiber sagte, der LKA-Chef sei „maximal angezählt“. Steiof selbst wollte sich am Montag nicht zu den Vorwürfen äußern.

Geisel lässt in E-Mail an Abgeordnete Zweifel an Koppers aufkommen

Es geht aber auch um Generalstaatsanwältin Koppers. Sie selbst erklärte nun, sie habe als Vizepräsidentin, die für Personal und Disziplinarverfahren zuständig war, bereits 2014 auf Hinweise reagiert. Es sei sowohl ein Sondersachbearbeiter eingesetzt als auch die Staatsanwaltschaft informiert worden.

Am Montag meldete sich auch Innensenator Andreas Geisel (SPD). Er stellte Koppers Rolle und die Reihenfolge der damalige Geschehnisse aber in ein anderes Licht. In einer vertraulichen E-Mail an Mitglieder des Innenausschusses im Abgeordnetenhaus, die dem Tagesspiegel vorliegt, heißt es: „Bereits 2014 wurden nach meiner Kenntnis mehrere Disziplinarverfahren im LKA eingeleitet, die die damalige Behördenleitung der Polizei an sich zog und die dann ohne Feststellung eines Dienstvergehens eingestellt wurden.“

Auch Schreiber sagte am Montag, Koppers und Steiof seien damals und nun auch heute mit dem Fall befasst gewesen, Koppers nun auf Seiten der Staatsanwaltschaft. Daher ergebe sich ein merkwürdiges Bild, zumal die Vorwürfe seit 2014 bekannt und heute dieselben seien. Die damalige Führung von Polizei und LKA „stehen ein stückweit in der Verantwortung“. Koppers sei nun aber befangen - und unternehme nun "Ermittlungen gegen ihre eigene Vergangenheit".

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Koppers hatte damals die Staatsanwaltschaft um Prüfung gebeten – aber keine Strafanzeige gestellt. Damals sah die Staatsanwaltschaft keine Anhaltspunkte für eine Straftat durch Beamte. Diese Anhaltspunkte sah das Landgericht im seit November 2014 laufenden Prozess um den Wettcafé-Mord nun aber Jahre später durch den Sonderermittler der Polizei.

Das Landgericht befasste sich in dem Wettcafé-Prozess intensiver mit dem Verhalten der Ermittler. Die ärgern sich seit bald 15 Jahren über den äußerst umtriebigen, zuletzt bundesweit berüchtigten Kadir P. – das ist jener Mann, der als Hells-Angels-Boss junge Männer aus Wedding und Reinickendorf um sich scharte. Und der angeordnet haben soll, einen Widersacher im Milieu zu bestrafen: Tahir Ö., ebenfalls wegen allerlei Taten aktenkundig, hatte die Hells Angels provoziert, einige auch tätlich angegriffen.

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Das Landgericht befand nun in der vergangenen Woche in seinem rechtlichen Hinweis: Die Ermittler haben Wochen vor den Schüssen auf Tahir Ö. durch Kontaktmänner und abgehörte Telefonate davon gewusst, dass Rockerboss Kadir P. Rache an Tahir Ö. wollte. Das Gericht monierte: Die LKA-Beamten hätten Ö. warnen und schützen müssen. Die Richter halten nicht mehr nur „fahrlässiges“, sondern „vorsätzliches“ Unterlassen durch das LKA für möglich. Wegen dieses neuen Hinweises des Gerichtes ermittelt die Staatsanwaltschaft erst jetzt.

Das Verfahren um Kadir P. ist selbst für einen Rockerprozess ungewöhnlich komplex. Kürzlich wurde vor Gericht bekannt, dass eine Vertrauensperson der Polizei während der Tat im Wettcafé war. Bei dem Spitzel handelt sich um einen Mann aus dem Umfeld der früher in Berlin aktiven Bandidos. Zu dieser Rockergruppe hatte der Tahir Ö. gute Kontakte. Der V-Mann soll jener Mann sein, der das LKA einige Monate zuvor darauf hinwies, dass die Hells Angels seinen Freund Ö. bestrafen wollten. Die Staatsanwaltschaft hatte kürzlich Schutzmaßnahmen für den Mann angeordnet.

Das komplette Schreiben von Innensenator Andreas Geisel (SPD) an einige Innenpolitiker zum LKA-Skandal um einen Rockermord und zu den Vorwürfen gegen Polizeibeamte lesen sie hier.

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