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Berlin: Berliner Nachrufe: Hildegard le Viseur Geb. 1910. Der Höhepunkt ihres sportlichen Lebens war Olympia 1936

Auf einem vergilbten schwarz-weiß-Foto von der Olympiade in Berlin 1936 sieht man eine langbeinige Frau im gestreckten Sprung über eine Hürde, gazellenartig elegant. Ein weiteres Foto zeigt Hildegard le Viseur mit ihrer Handballmannschaft, die in den 40er Jahren Deutscher Meister wurde.

Auf einem vergilbten schwarz-weiß-Foto von der Olympiade in Berlin 1936 sieht man eine langbeinige Frau im gestreckten Sprung über eine Hürde, gazellenartig elegant. Ein weiteres Foto zeigt Hildegard le Viseur mit ihrer Handballmannschaft, die in den 40er Jahren Deutscher Meister wurde. Ein markantes Gesicht strahlt den Betrachter an. "Sie war eine bemerkenswerte Frau", sagt Heinz Kluth, 78, der über viele Jahrzehnte mit Hildegard Le Viseur bekannt war. "Eine tolle Sportlerin und eine Dame."

1923, gerade 13 Jahre alt, wurde sie Mitglied des Sportclubs Charlottenburg (SCC). Hildegard oder auch "Hildchen", wie sie bis zum Schluss von einigen Vereinsfreunden genannt wurde, war leidenschaftliche Sportlerin. In welcher Disziplin sie auch antrat, sie gehörte immer zu den Besten. "Sie war ein Siegertyp", sagt Heinz Kluth. Schon mit 17 nahm sie am Olympiakurs im Hochsprung teil, 1928 wurde sie mit der Handballdamenmannschaft Deutscher Meister. Eine Serie von sechs Meisterschaftssiegen folgte. Hildegard le Viseur kam in die Deutsche Nationalmannschaft. Die Liste der Siege und die Anzahl der Pokale im Hoch- und Weitsprung im Hürdenlauf, Diskuswerfen, Staffellauf und Fünfkampf sind kaum zu überschauen.

Höhepunkt ihrer sportlichen Karriere, aber auch ein einschneidendes Erlebnis in ihrem Leben, war die Teilnahme an den Olympischen Spielen 1936. Und dass, obwohl sie keineswegs zu den Favoriten zählte. Sie landete ganz weit abgeschlagen auf einem dieser Plätze, die nie in die Geschichtsbücher eingehen. Aber in ihrer Erinnerung blieb dieses Ereignis unvergesslich. Solange es ihre Gesundheit zuließ, blieb die Sportlehrerin aktiv. Noch mit weit über 70 Jahren spielte sie im Verein Tennis. Sie war beliebt, gesellig, kam zu Festen, engagierte sich auch in Vereinsfunktionen. Sie wusste, was sie wollte, war selbstbewusst und nahm kein Blatt vor den Mund. "Und", so Kluth, "Ihre Einschätzungen, ihre Erfahrung wurde geschätzt."

Welch große Faszination der Sport und insbesondere das Olympia-Stadion auf Hildegard le Viseur ausübte, zeigt einer ihrer Briefe. In schwungvoller Handschrift schrieb sie 1985 an eine Vereinskameradin: "Das Olympia-Stadion hat für mich eine ganz besondere Bedeutung. Als Schulkind verbrachte ich mit anderen SCClern meine großen Ferien dort. Wir waren dort glücklich über unseren sportlichen Urlaub, der außerdem noch sehr billig war. 1936 marschierte ich mit der deutschen Olympiamannschaft ins Stadion ein. Das war ein solcher Höhepunkt, wie man ihn im Leben nur selten hat."

In der Nähe des Olympiastadions hat sie bis kurz vor ihrem Tod gelebt. "Es ist eine Gegend", schreibt sie weiter, "die im Alltag Ruhe und Freude ausstrahlt. Mein Mann und mein Bruder liegen in unmittelbarer Nähe auf dem Waldfriedhof begraben. Sie wollten dem Sport und der Jugend auch nach ihrem Ableben nahe sein."

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