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Berliner Odyssee: Roma sollen künftig Autofenster mit Gewerbeschein putzen

Sozialsenatorin Knake-Werner empfiehlt den gestrandeten rumänischen Touristen, sich selbstständig zu machen und so legal in Berlin zu bleiben.

Der neueste Vorschlag für den Verbleib der Romafamilien klingt skurril: Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linke) legt den Roma nahe, beim Ordnungsamt ein Gewerbe anzumelden. Auf diese Weise könnten die rumänischen Familien, die zurzeit in einem Spandauer Asylbewerberheim untergebracht sind, dauerhaft in Berlin bleiben – und zwar legal. „Sie können sich zum Beispiel als freiberufliche Reinigungskräfte anmelden“, sagt Anja Wollny, Sprecherin der Sozialverwaltung. Wenn sie den Wunsch äußern, in Deutschland zu bleiben und hier zu arbeiten, werde man den Roma diese Option aufzeigen.

Tatsächlich wäre ein Gewerbe für EU-Bürger aus Rumänien ein Weg, dauerhaft in Deutschland zu leben. Zwar gilt bis 2011 noch keine Arbeitnehmerfreizügigkeit für Rumänen, doch sie genießen bereits jetzt eine uneingeschränkte Niederlassungsfreiheit. Das bedeutet, sie können sich offiziell selbstständig machen und bleiben, so lange sie wollen. Doch im Fall der Romafamilien, die die Berliner Politik seit Wochen beschäftigt, klingt das nicht sehr realistisch.

Einige von ihnen können weder lesen noch schreiben, wie bei Gesprächen mit Dolmetschern und Beamten deutlich wurde. Und selbst dann, wenn die Familien ihre bisher an den Tag gelegte Scheu gegenüber Behörden überwinden und zum Ordnungsamt gingen, bliebe eine große Hürde: „Wer bei uns eine Gewerbe anmelden will, muss polizeilich gemeldet sein“, erklärt eine Mitarbeiterin beim zuständigen Amt in Spandau. Die Roma müssten demnach einen festen Wohnsitz in Berlin nachweisen, 26 Euro Anmeldegebühr zahlen und ihre Einnahmen später versteuern.

Bislang steht nicht einmal fest, wo die Romafamilien aus dem Spandauer Heim in der nächsten Woche unterkommen werden. Jeden Morgen ziehen sie in kleinen Gruppen los und betteln oder stehen an Straßenkreuzungen und putzen Autofenster. Dass sie bald den Fensterwischer oder das Akkordeon beiseitelegen und zum „Handbuch für Selbstständige und Unternehmer“ greifen, ist schwer vorstellbar. Inzwischen haben Beamte im Heim ihre Personalien erfasst und die Bezirke über die Zahl der Fälle informiert, die zur Prüfung auf sie zukommen könnten. Doch die Roma machen offenbar keine Anstalten, das Heim bis Ende der Woche zu verlassen – wie sie ursprünglich zugesagt hatten. „Weder bei uns noch bei anderen Bezirken haben sich Roma gemeldet“, erklärt der Kreuzberger Bezirksstadtrat Knut Mildner-Spindler (Linke) am Donnerstag. In seinem Viertel hatten einige der inzwischen über 90 Roma zusammen mit linken Aktivisten eine Kirche besetzt und angegeben, in ihrem Heimatland verfolgt zu werden.

Die Senatsverwaltung will nun das Wochenende abwarten. Sie hat noch keinen Plan für den Fall, dass die Familien sich weigern zu gehen. „Wir führen die Gespräche weiter“, sagt Wollny. Seit Mittwoch kommen täglich Mediatoren nach Spandau, die ebenfalls Roma sind und bereits bei der Kirchenbesetzung vermittelt hatten. Inzwischen werde in der Senatsverwaltung darüber nachgedacht, eine Beratungsstelle für künftige Romagruppen zu schaffen, so Wollny, die ärztliche Hilfe bieten und darüber aufklären kann, was rechtlich möglich ist und was nicht. „Das Thema wird uns schließlich noch länger beschäftigen.“ Ferda Ataman

Ferda Ataman

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