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Ursula Heine bringt unentwegt Menschen zusammen, die einander helfen und stützen können. Warum sie das tut? „Ich komme vom Dorf.“

© Verena Eidel

Berliner Originale: Vermittlerin zwischen den Generationen

Ursula Heine ist eine Kupplerin: Sie knüpft Kontakte zwischen ganz unterschiedlichen Menschen, heilt so Einsamkeit – und hört meisterhaft zu.

Mit der Einsamkeit ist das so eine Sache. Ursula Heine arbeitet seit 15 Jahren für den Kreuzberger Verein Freunde alter Menschen e.V. und weiß: Menschen, die im Alter alleine sind, können sich nicht mehr so gut selbst helfen. Sie brauchen jemanden, der ihnen Kontakt zu einem Gegenüber gibt, zu einem Menschen, der regelmäßig vorbeikommt. Einfach nur so. Zum Erzählen etwa.

„Aber“, sagt Ursula Heine, „in so einer Stadt wie Berlin sind es nicht nur die alten Menschen, die einsam sind.“ Manche, die sich bei der 57-Jährigen melden, um Besucherdienste bei den Senioren zu übernehmen, sagen ganz offen: Ich bin allein. Mir würde das auch guttun.

Ursula Heine koordiniert für den Verein die Freiwilligen und vermittelt den Kontakt zu den „alten Freunden“. Bei dem ersten Besuch ist Ursula Heine immer dabei. Wenn sie dann merkt, dass zwei Menschen zusammenpassen, zieht sie sich zurück und beobachtet, wie sich diese beiden Leben näher kommen. „Das ist ein Glücksmoment. Man kann zusehen, wie Lebensfreude erwacht. Auf beiden Seiten.“ Und manchmal entstehen sogar richtig feste Freundschaften. „Vorher verrate ich nicht zu viel, ich sage nicht, ob es sich um einen Menschen mit Hund, eine spanische Austauschstudentin oder eine Radioreporterin handelt – sondern verlasse mich ganz auf mein Gefühl.“ Und das stimme inzwischen meistens.

Heine weiß, wie schlimm das mit der Einsamkeit im Alter ist

Seit die Sozialarbeiterin die Anzeige für die Stelle im Tagesspiegel gelesen und mit einem orangefarbenen Filzstift eingekreist hat, konnte sie schon über 100 junge und alte Menschen zusammenbringen. Die Jüngste ist 15 Jahre alt, die Älteste 105. Für Ursula Heine ist der Sprung zwischen den Generationen das Normalste auf der Welt. Und hier in der Hornstraße, in den Vereinsräumen mit dem kleinen Vorgarten, ist es das auch geworden. Vorher hat sie in der Pflegestation eines Krankenhauses gearbeitet und dort mitbekommen, wie schlimm das mit der Einsamkeit im Alter ist. Die Stelle in dem Verein kam wie gerufen.

Jetzt, zu Beginn des neuen Jahres, melden sich viele Freiwillige. Da spüre man die guten Vorsätze, sagt Heine. Aber nicht nur den Alten ist mit den Treffen geholfen: Die Erfahrungen der älteren Menschen und ihr weiterer Blick auf das Leben – das helfe vielen Freiwilligen auch in ihrem eigenen Alltag weiter, beobachtet Ursula Heine. Es geht ihr vor allem darum, etwas gegen die, wie sie es nennt, Gettoisierung von Generationen zu tun. Die Berührungsängste vor dem Altwerden und vor dem Tod zu überwinden. „Viele blenden gern komplett aus, dass das Leben irgendwann zu Ende ist.“

Andere Menschen interessieren sie einfach

Durch frühe persönliche Erfahrungen hat Ursula Heine gelernt, mit dem Tod umzugehen. Auch wegen ihrer Arbeit ist sie jährlich auf ebenso vielen Geburtstagen wie auf Bestattungen. Und das sei oft sehr traurig, erzählt sie, wenn sie als Einzige da ist, um Abschied zu nehmen.

Doch schon versprüht Ursula Heine wieder Lebensfreude pur, wenn sie aufzählt, was sie alles organisiert für den Verein: natürlich der regelmäßige Kaffeeklatsch, der sei ganz wichtig für alle, dann die Bingo-Abende und demnächst die Lesebühne. Ach ja, und mit der Galerie aus dem Nachbarhaus habe sie auch etwas geplant. Ursula Heine zieht hier im Verein die Fäden. Das liegt vielleicht auch daran, dass sie einfach da ist. Oft sitzt sie im Vorgarten, zupft in den Beeten oder arbeitet am Tischchen vor dem Fenster – und dann hört sie sich auch die Geschichten der Menschen an, die vorbeikommen. Ihr neuester Plan ist es, eine Arbeitsstelle für Langzeitarbeitslose in den Verein zu integrieren. Sie lächelt verschmitzt: „Noch mehr unterschiedliche Menschen zusammenbringen.“

Manchmal fragen andere, wie sie das mache, so viele Kontakte zu knüpfen. Dann sagt Ursula Heine immer: „Ich komme aus einem Dorf. Und deshalb schaffe ich mir eben mein Miteinander und Füreinander.“ Die Menschen interessieren sie einfach. Egal, wie alt sie sind.

Von den Autorinnen erschien bereits: „111 Berliner, die man kennenlernen sollte“ (Emons Verlag, 230 Seiten, 16,95 Euro). Nun begeben sich Lucia Jay von Seldeneck und Verena Eidel für uns auf die Suche nach noch mehr Berlinern. Bisher erschienen: Lizzy Scharnofske, das lebende Schlagzeug, Andreas Zadonai, ein Bäcker der alten Schule, und Herbert Schmidt, den Frisbee-Spieler vom Görlitzer Park.

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