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Berlin: Berliner Pathologen weisen Vorwürfe zurück, illegal an toten Säuglingen Eingriffe vorgenommen zu haben

In Berlin gibt es derzeit keine Anhaltspunkte oder Beweise illegaler Entnahme von Organen bei verstorbenen Säuglingen und Kindern. Dies berichtete Gesundheitsstaatssekretär Klaus Theo Schröder auf Anfrage.

In Berlin gibt es derzeit keine Anhaltspunkte oder Beweise illegaler Entnahme von Organen bei verstorbenen Säuglingen und Kindern. Dies berichtete Gesundheitsstaatssekretär Klaus Theo Schröder auf Anfrage. Der Verband Deutscher Bestattungsunternehmen in Berlin wies die Angaben eines Branchenvertreters aus Essen, jedem "zweiten toten Säugling würden Organe ohne Wissen der Eltern entnommen", als abwegige Mutmaßungen zurück. In Einzelfällen gelangen aber Organe in Berliner Kliniken nicht zurück in den Leichnam: Wenn sie für Untersuchungszwecke oder zur Ausbildung an der Uni gebraucht werden.

Das ARD-Magazin Panorama hatte berichtet, auch in Deutschland werde toten Babys ohne Kenntnis der Eltern Organe entnommen. Berliner Pathologen wiesen auf Anfrage jedoch darauf hin, sich strikt an das Berliner Sektionsgesetz zu halten. Dieses schreibt die Einwilligung der Eltern zur Leichenschau vor. "Wenn wir bei der Obduktion Organe entnehmen, werden sie nach der Untersuchung wieder in den Leichnam zurückgegeben", sagte der Kinderpathologe Martin Vogel von der Charité. Dass Organe nicht zurückgetan würden, sei eine "extreme Ausnahme". Vogel leitet die Abteilung für Paidopathologie und Placentologie am Standort Virchow der Charité. Hier finden jedes Jahr rund 400 Sektionen an Kindern und Föten statt, davon sind mehr als 75 Prozent bereits im Mutterleib verstorbene Kinder. Diese Föten werden nach der Obduktion verbrannt.

Nach Angaben von Manfred Dietel, Direktor des Instituts für Pathologie an der Charité, sind 90 Prozent der Eltern mit einer Sektion einverstanden. Der Pathologe weist darauf hin, dass für die Untersuchung Proben etwa für die feingewebliche Untersuchung unter dem Mikroskop zum Beispiel aus tumorbefallenen Organen entnommen werden müssen. Deshalb sei es nicht immer möglich, ein Organ oder alle Teile in die Leiche zurückzugeben. "Dieses Vorgehen ist nötig, um die Todesursache aufzuklären - alles andere wäre fahrlässig." Auch Harald Stein, Leiter der Pathologie am Uniklinikum Benjamin Franklin, stimmt dem zu: "Wenn man eine unbekannte Krankheit bei der Leiche untersucht, muss man Gewebeproben aus Organen entnehmen. Das Sektionsgesetz lässt das auch zu, wenn die Entnahme begründet ist." Außerdem komme es vor, dass Organe für den Medizinstudenten-Unterricht benutzt würden.

Am Franklin-Klinikum werden nahezu keine Kinder mehr obduziert. Auch insgesamt ist die Zahl der Sektionen von 1000 auf 160 pro Jahr zurückgegangen. Stein bedauert diese Entwicklung. "Statt Einzelfälle aufzubauschen, müsste die Presse mithelfen, die Ängste vor der Leichenschau abzubauen, denn diese ist eine Qualitätskontrolle für die Therapie."

Die Bestattungsfirmen Ahorn/Grieneisen und Hahn halten die Angaben des Bundes freier Bestatter, "mit Sicherheit" würden 40 Prozent aller toten Säuglinge und Kinder ohne Kenntnis der Eltern Organe entnommen, für unseriös. Rolf-Peter Lange, Vorsitzender des Verbandes Deutscher Bestattungsunternehmen in Berlin: "So etwas können nur Pathologen einschätzen." Annette Bornemann von der Beratungsstelle "Tabea" für verwaiste Eltern (Telefon 495 57 47) sagte, es sei ihr bekannt, dass untersuchte Organe teils "wie Gulasch" zurückgelangen. Eltern obduzierter Kinder hätten oft Probleme damit, nicht richtig Abschied nehmen zu können, weil ihnen empfohlen werde, die Leichen nicht anzusehen.

In Berlin waren zuletzt Fälle strafbarer Handlungen von Klinikpersonal zu beklagen. So wurden 1995 zwei frühere Sektionsassistenten zu Geldstrafen verurteilt, weil sie bei Obduktionen Hirnhäute entnommen und verkauft hatten. 1998 wurde bekannt, dass Feten zu Granulat verarbeitet und im Hausmüll entsorgt werden. Daraufhin wurde das Bestattungsgesetz geändert.

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