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„Am Ende zählt für uns immer Augenmaß“, sagte Polizeipräsidentin Barbara Slowik dem Tagesspiegel.  

© picture alliance / Tim Brakemeie

Berliner Polizei kritisiert neue Coronavirus-Beschlüsse: „Jetzt besteht keinerlei Handlungssicherheit mehr“

Der Frühling lockt hinaus. Bei Verstößen gegen Pandemie-Regeln drohen in Berlin Bußgelder. Polizeipräsidentin Slowik verspricht Augenmaß.

Am Freitagmorgen war das Urteil im Krisenstab der Berliner Polizei klar: Mit der neuen, tags zuvor vom Senat beschlossenen Verordnung zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie und mit dem neuen Bußgeldkatalog könnten Neuinfektionen begünstigt werden.

Eine Ausweispflicht gibt es nicht mehr, zur Erholung vom Sport oder Spaziergang darf man sich auf der Parkbank mit 1,5 Meter oder auf der Wiese mit fünf Meter Abstand niederlassen. Und in den bevorstehenden Osterferien dürfte es voll werden in den Grünanlagen der Stadt: Es wird wärmer – und die übliche Osterreise fällt ohnehin aus.

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Bei der Polizei rumort es jetzt. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) warf dem Senat vor, die neuen Kontaktverbote unklar formuliert zu haben, sodass sie kaum zu kontrollieren seien. Die Polizei könne sich „bei jeder Maßnahme auf Diskussionen einstellen, weil jetzt keinerlei Handlungssicherheit mehr besteht“. Weil der Senat keine Frist für Erholungsphasen bei Sport und Bewegung festgesetzt habe, seien Verstöße „nicht nachweisbar“.

Durch den Wegfall der Ausweispflicht könne jede Behauptung, dass man zusammenwohne oder verwandt sei, nur noch sehr zeitaufwendig überprüft werden, hieß es. Die Bestimmungen seien damit ad absurdum geführt. Der Senat habe „jegliche Verantwortung von sich geschoben“ und lasse die Polizei „komplett im Regen stehen“.

GdP-Landesvize Stephan Kelm sagte: „Wir können es uns jetzt sparen, Kollegen zusätzlich in den Dienst zu rufen, weil sie in Parks und auf Plätzen maximal noch mit Zollstock überprüfen können, ob sich alle im Abstand von 1,50 Metern aufhalten.“

Auch Gewerkschaft der Polizei kritisiert Abschaffung der Ausweispflicht 

Auch die konservativere Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) kritisierte, die Abschaffung der Ausweispflicht „sei ein schwerer Fehler und ein politisch motivierter Schritt in die falsche Richtung“. Gerade bei einer Pandemie müssten die Behörden Identitäten von Personen sofort feststellen können.

Der Polizei-Berufsverband „Unabhängige“ erklärte hingegen: „Nicht alles was im Polizeialltag praktikabel ist, ist auch erlaubt.“ Es sei fraglich, ob die Ausweispflicht einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhält. „Es ist keinem Kollegen geholfen, wenn polizeiliche Maßnahmen später als rechts- oder verfassungswidrig eingestuft werden und eventuell sogar eine Strafbarkeit begründen. Insofern sollten die jetzigen Einschränkungen mit Augenmaß getroffen werden“, sagte Verbandssprecher Jörn Badendick.

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Innensenator Andreas Geisel (SPD), der am Montag Lockerungen ausgeschlossen hatte, wies die Kritik zurück: „Wir haben die Regelungen nicht aufgeweicht, sondern präzisiert. Sie sind der aktuellen Lage angemessen und spiegeln die Lebenswirklichkeit in unserer Stadt wider.“ Es gehe um Aufklärung, nicht um Bestrafung.

"Wie zählen auf die eigene Vernunft"

„Am Ende zählt für uns immer Augenmaß“, sagte Polizeipräsidentin Barbara Slowik dem Tagesspiegel. „Wir werden nicht mit der Stoppuhr neben Menschen stehen, die eine Erholungspause auf einer Bank oder einer Wiese machen, sondern zählen auf deren eigene Vernunft.“ Und sie vertraue „komplett“ auf die Polizisten vor Ort. „Entscheidend ist, dass der erforderliche Abstand eingehalten wird, um so das Infektionsrisiko zu verhindern“, sagte Slowik. „Wenn jemand aus Unachtsamkeit den Abstand mal nicht einhält, muss er sich vor keinen Strafen fürchten. Ein Lagern mit Grill, Radio und Schachspiel werden wir aber nicht dulden.“

Zugleich mahnte Slowik: „Es darf sich im Bewusstsein der Bevölkerung nicht der Gedanke festsetzen: Es ist gutes Wetter, ich darf rausgehen, muss nur den Abstand einhalten. Nein, das ist falsch.“ Die abgeschaffte Ausweispflicht habe es leichter gemacht bei der Frage, ob es sich bei einer Gruppe im Park um eine Wohngemeinschaft oder Familie handelt.

Ausweis trotzdem mitführen

„Deshalb würde ich die Berlinerinnen und Berliner bitten, trotzdem ihren Ausweis mitzuführen“, sagte Slowik. Damit könne verhindert werden, dass die Polizei gezwungen ist, „mit nach Hause fahren und da den Ausweis nochmal in Augenschein nehmen oder jemand sogar mit auf die Wache nehmen zu müssen, um dort die Identität festzustellen“.

Polizeiintern wird schon jetzt davon ausgegangen, dass die Beschränkungen über die Osterferien hinaus verlängert werden. Innensenator Geisel wollte sich dazu noch nicht festlegen, schloss es aber auch nicht aus: „Wir können aber nicht sagen, am 19. April ist alles zu Ende. Der Erfolg der Maßnahmen kann erst Mitte April seriös beurteilt werden. Wir dürfen aber nicht der Illusion erliegen, dass wir nach der Lockerung oder Aufhebung des Lockdowns einfach zu unseren alten Lebensgewohnheiten zurückkehren können.“

Wenn Parks zu voll werden, kann Zugang beschränkt werden 

Es sei nicht realistisch, „im Mai so weiterzumachen wie wir im Februar aufgehört haben“ – „nicht bevor wir einen Impfstoff haben oder genügend Menschen nach einer Infektion immunisiert sind", sagte Geisel.

Immerhin: Wenn die Parks zu voll werden, kann der Zugang beschränkt werden. Längeres Verweilen draußen an bestimmten Stellen ist weiter verboten. Zulässig sind Sport und Bewegung an der frischen Luft sowie „Erholungspausen“. Erlaubt ist jetzt das Sitzen auf Bänken sowie auf „Wiesen und Freiflächen“ allein, zu zweit oder mit Familie. Es blieb jedoch offen, ob Picknickdecke und eine Kühltasche mit Bierflaschen noch erlaubt sind.

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