zum Hauptinhalt
Blick in das Lokal "Scotch und Sofa" in Prenzlauer Berg.

© Jörg Carstensen/dpa

Berliner „Querdenker“ planen erneute Versammlung: Anwohner-Initiativen rufen zu Gegendemo in Prenzlauer Berg auf

„Team Freiheit“ will sich am Donnerstag erneut im „Scotch & Sofa“ treffen. Unter dem Motto „Corona-Leugner raus aus dem Kiez“ soll eine Gegendemo stattfinden.

Das „Scotch & Sofa“ am Senefelderplatz ist längst keine normale Bar mehr. Diverse Versammlungen um Akteure und Akteurinnen der Berliner „Querdenken“-Szene im Inneren der Kneipe in den vergangenen Wochen haben dem Inhaber Sören Pohle überregionale Aufmerksamkeit beschert.

Pohle stelle seine Räumlichkeiten erstmalig am 14. Januar den Anwälten Viviane Fischer und Rainer Fuellmich zur Verfügung. „Team Freiheit“ – eine neue Partei sollte gegründet werden. Die Berliner Polizei machte den Veranstaltern einen Strich durch die Rechnung. Dutzende Menschen ohne Abstand und Masken in einer geöffneten Bar und das mitten in der Pandemie sorgten für eine Auflösung der Gründungsversammlung und der Personalienfeststellung der Anwesenden.

Eine Parteiunterstützerin zeigte sich darüber so erbost, dass sie vor der Bar eine Pressevertreterin attackierte. Ein Teilnehmer erzählte im Nachhinein dem Tagesspiegel, das Ganze sei ein „Versuch gewesen, um zu gucken, wie weit man mit der Demokratie gehen kann“.

Offenbar weit, wie die nächste Woche zeigte. Denn einen Donnerstag später wurde die Bar erneut zum Treffpunkt der „Team Freiheit“-Unterstützer. Diesmal mit Hygienekonzept und vorheriger Kontrolle durch das Ordnungsamt.

Ohne Störungen konnten über 30 Menschen bis Mitternacht der Gründung beiwohnen. Auch dadurch wurde die von „Querdenkern“ beim Messengerdienst Telegram viel verbreitete These widerlegt, dass es in der Bundesrepublik nicht mal mehr möglich sei, eine neue Partei zu gründen.

Am Donnerstag will sich „Team Freiheit“ erneut in der Bar versammeln

Für viele Nutzer des Messengerdienstes war die Auflösung der ersten Zusammenkunft im „Scotch & Sofa“ der ultimative Beweis dafür, dass sich Deutschlands Demokratie in eine Diktatur verwandelt hat.

Dabei stellte rechtlich nie der Versammlungsanlass der politischen Gründung ein Problem dar, sondern vielmehr die fehlende Existenz eines Hygienekonzepts vor Ort.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Während sich in der entsprechenden Szene über die erfolgreiche Neugründung von „Team Freiheit“ am vergangenen Donnerstag gefreut wird, bezeichnen andere die Vorgänge im „Scotch & Sofa“ als juristisches Schlupfloch der aktuellen Corona-Verordnung mit möglicher bundesweiter Strahlkraft.

Diesen Donnerstag will sich „Team Freiheit“ um 19.30 Uhr erneut in der Lokalität versammeln. Das kündigte die Anwältin Viviane Fischer via YouTube an.

Anwohner-Initiativen rufen zu Gegendemo auf

Diesmal könnte es vor der Tür lauter werden als gewohnt. Verschiedene Anwohner-Initiativen rufen zu einer Gegendemonstration um 18 Uhr am U-Bahnhof Eberswalder Straße auf. Dieselben Organisatoren hatten bereits im Dezember gegen den sogenannten Schweigemarsch um Corona-Leugner und Virus-Verharmloser in Prenzlauer Berg mobilisiert und Hunderte Menschen auf die Straßen gebracht.

Die Demonstration am Donnerstagabend steht unter dem Motto „Corona-Leugner raus aus dem Kiez“ und wird in unmittelbarer Nähe des „Scotch & Sofa“ enden. 150 Teilnehmende sind bei der Polizei angemeldet, zu den Veranstaltern gehören das „Berliner Bündnis gegen Rechts“, diverse antifaschistische Organisationen und einzelne Kiez-Initiativen.

Die Veranstalter wollen den Vorgängen im „Scotch & Sofa“ einen „Riegel vorschieben“, wie es in einem Aufruf heißt: „Das, was sich in diesem Mikrokosmos Prenzlauer Berg abspielt und durch die Medienkompetenz der Corona-Leugner bundesweit verbreitet, darf nicht Schule machen. Wir stellen uns dagegen.“

Parteiversammlungen müssen laut Polizei nicht im Vorhinein angemeldet werden

Tatsächlich ruft „Team Freiheit“ auf der parteieigenen Internetseite dazu auf, es ihnen nach zu tun: „Suche Menschen, die mit Dir eine Partei gründen wollen, indem Du Freunde und Interessierte in Deinen Laden einlädst. Natürlich immer unter Einhaltung der Corona-Regeln“, heißt es da. Für die Ordnungsbehörden kommt erschwerend hinzu, dass Parteiversammlungen laut Berliner Polizei nicht im Vorhinein angemeldet werden müssen.

[Behalten Sie den Überblick: Corona in Ihrem Kiez. In unseren Tagesspiegel-Bezirksnewslettern berichten wir über die Krise und die Auswirkungen auf Ihren Bezirk. Kostenlos und kompakt: leute.tagesspiegel.de]

Auch das Pankower Ordnungsamt hatte zunächst keine Kenntnis über die erneute Veranstaltung am Donnerstagabend in der Bar in der Kollwitzstraße. Man werde die Lokalität dennoch „im Blick behalten“ und selbstverständlich auf mögliche Anrufe und Beschwerden von Anwohnern reagieren, sagte der Pankower Bezirksstadtrat für öffentliche Ordnung Daniel Krüger (AfD) dem Tagesspiegel auf Nachfrage. Darüber hinaus appellierte Krüger an die „Vernunft der Bürger“, die rechtliche Möglichkeit einer Parteigründung nicht als „Pandemie-Schlupfloch“ zu missbrauchen.

Die Senatsinnenverwaltung teilte dem Tagesspiegel mit, dass alle Veranstaltungen, die unter Paragraph 9 (Parteiveranstaltungen) der aktuellen Infektionsschutzverordnung fallen, grundsätzlich auch in geschlossenen Räumlichkeiten ohne Teilnehmerbegrenzung stattfinden dürfen. Voraussetzung ist ein vorliegendes Hygienekonzept.

Darüber hinaus habe der Staat nicht die Aufgabe, den „politischen Willensbildungsprozess durch neu gegründete Parteien zu kommentieren, solange keine (…) verfassungsfeindlichen Bestrebungen vorliegen“, so der Sprecher der Innenverwaltung Martin Pallgen. Informationen über weitere geplante Parteigründungen liegen der Behörde aktuell nicht vor.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false