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Berliner Rathäuser: Altbauten in bester Lage

Jede Stadt hat ein Rathaus – Berlin aber hat fast drei Dutzend. Doch nicht jeder Bezirk kann sich seine Amtsgebäude leisten. Wilmersdorf, Friedrichshagen und Friedenau werden verkaufen. Und was ist mit den anderen dreiunddreißig?

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Jede Stadt hat ein Rathaus, Berlin aber hat fast drei Dutzend. Doch einige Bezirke können sich ihre Immobilien  nicht mehr leisten, und das Land hilft mit beim Ausverkauf. Schon vor Jahren hat der Senat einen Automatismus geschaffen: Wird ein Gebäude nicht mehr fachlich genutzt, muss es dem Liegenschaftsfonds zur Veräußerung übertragen werden. Der vermarktet die Immobilie dann, der Bezirk bekommt vom Verkaufserlös einmalig einen Anteil zwischen 15 und 25 Prozent und spart dafür dauerhaft die Bewirtschaftungskosten. Das passt manchen Bezirken nicht – zum Beispiel Friedrichshain-Kreuzberg. Sie versuchen lieber, eine sinnvolle Nutzung für die Immobilien zu finden. Andere Bezirke haben nicht einmal ein Problem damit, ihre Verwaltungsgebäude abzustoßen. Wo in Berlin also stehen noch Rathäuser und wie werden sie eigentlich genutzt?

Charlottenburg-Wilmersdorf. In der Kaiserzeit war Charlottenburg die reichste Stadt in Preußen, reicher als Frankfurt am Main. Das mächtige Rathaus an der Otto-Suhr-Allee symbolisiert diese glänzende Kassenlage; heute ist man davon weit entfernt. Im Doppelbezirk soll, wie berichtet, das Rathaus Wilmersdorf am Fehrbelliner Platz verkauft und der Bezirkshaushalt so um rund eine Million Euro entlastet werden. Während sich die Verwaltung damit auf das Rathaus Charlottenburg konzentriert, gibt es gleich um die Ecke auch noch das ehemalige Rathaus Schmargendorf am Berkaer Platz. Das burgähnliche Gebäude wurde 1900 bis 1902 von Otto Kerwien im Stil der märkischen Backsteingotik errichtet. Es beherbergt heute neben anderen Dienststellen das Standesamt. Der mit Motiven aus Richard Wagners Walküre ausgestattete, ehemalige Ratssaal gilt als eines der schönsten Trauzimmer Berlins. An einen Verkauf ist hier nicht gedacht, sagt der für Immobilien zuständige Stadtrat Klaus-Dieter Gröhler (CDU).

Schöneberg. Hier sprach John F. Kennedy 1963 seine berühmten Worte: „Ich bin ein Berliner.“
Schöneberg. Hier sprach John F. Kennedy 1963 seine berühmten Worte: „Ich bin ein Berliner.“

© Thilo Rückeis

Tempelhof-Schöneberg. Der Fusionsbezirk verfügt zurzeit über „drei hochwertige Rathäuser“, wie er stolz mitteilt. Es sind das Rathaus Friedenau, das Rathaus Schöneberg und das Rathaus Tempelhof. Das Haus in Friedenau soll abgegeben werden, um Kosten zu sparen. Derzeit ist das 1917 eröffnete Gebäude allerdings unbrauchbar – vor kurzem gab es dort einen großen Wasserschaden. Nach Auskunft des Büros von Bürgermeisterin Angelika Schöttler (SPD) mussten 60 Räume komplett gesperrt werden; Wasser- und Folgeschäden reichen vom Keller bis in den dritten Stock. Der Sanierungsbedarf und die Schadenshöhe werden noch ermittelt. Es besteht kein Versicherungsschutz. Im Bezirk liegt auch das weltberühmte Rathaus Schöneberg. Hier hängt seit 1950 die 10 206 Kilo schwere Freiheitsglocke, deren tägliches Geläut an den Kampf für Freiheit und gegen Kommunismus erinnerte. Hier sprach John F. Kennedy 1963 seine berühmten Worte: „Ich bin ein Berliner.“ Bis 1991 war es auch Sitz des Regierenden Bürgermeisters, danach wurde sein Sitz ins Rote Rathaus verlegt.

Friedrichshain-Kreuzberg. Bürgermeister Franz Schulz (Grüne) logiert in der Frankfurter Allee zur Miete. Dem Bezirk gehört aber das frühere Rathaus Kreuzberg an der Yorckstraße; die wenig repräsentative Immobilie aus den Sechzigern beherbergt einen großen Teil der Kreuzberger Verwaltung. Auch das frühere Rathaus Friedrichshain an der Petersburger Straße gehört dem Bezirk; in der unattraktiven Immobilie sind ebenfalls Büros untergebracht. Bürgermeister Schulz würde dennoch eher einige der gemieteten Flächen kündigen, als eines der bezirkseigenen Rathäuser zu verkaufen. Damit liegt er nicht auf der Linie des Senats. Die Politik, dass nicht mehr für die Fachnutzung benötigte Immobilien an den Liegenschaftsfonds gehen und von diesem verwertet werden, hält Schulz für Verschleudern öffentlichen Eigentums. Er würde immer versuchen, einen Mieter für das Gebäude zu finden.

Mitte, Pankow, Steglitz-Zehlendorf und Neukölln

Mitte. Im heutigen Mitte lagen um 1230 die Städte Cölln und Berlin. Nach dem Dreißigjährigen Krieg erweiterte sich die Doppelstadt um Friedrichswerder, Dorotheenstadt und Friedrichsstadt. 1709 wurden die fünf selbstständigen Städte zusammengelegt. Das Rote Rathaus wurde im 19. Jahrhundert gebaut und 1869 bezogen. Der Reformbezirk Mitte umfasst heute auch Wedding (um 1200 gegründet, 1861 nach Berlin eingemeindet) und Tiergarten (ebenfalls 1861 eingemeindet). Der Großbezirk hat vier Rathäuser. Das Rathaus Mitte ist gemietet, die Rathäuser Wedding und Tiergarten gehören dem Bezirk. Über allem thront das Rote Rathaus, Sitz des Regierenden Bürgermeisters. Hier werden die vielen Städte, die Berlin auch heute noch ausmachen, zu einem Ganzen gefügt. Schon 1380 stand an dieser Stelle ein Rathaus. Seine verglaste Verbindung zum Altbau nannte man spöttisch „Beamtenlaufbahn“. „Wir hatten lange gehofft, dass im Sinne eines Bildungsbandes bis an die Müllerstraße die Beuth-Hochschule dort einziehen würde“, sagt Bürgermeister Christian Hanke (SPD). „Nun soll das Jobcenter dorthin. Die Verhandlungen werden über die BIM geführt, die dieses Gebäude dann übernehmen würde.“ Weitere Standorte sollen laut Hanke nicht aufgegeben werden. Die BIM ist eine landeseigene GmbH, die die Immobilien des Landes Berlin zentral verwaltet.

Pankow: Das Rathaus an der Breiten Straße wurde 1901 bis 1903 in einer Mischung historischer Stilelemente aus roten Klinker- und Sandsteinen auf einem Sockel aus schlesischem Granit errichtet.
Pankow: Das Rathaus an der Breiten Straße wurde 1901 bis 1903 in einer Mischung historischer Stilelemente aus roten Klinker- und Sandsteinen auf einem Sockel aus schlesischem Granit errichtet.

© Thilo Rückeis

Pankow. Der Großbezirk Pankow verfügt über drei „Regierungssitze“. Das Rathaus Pankow an der Breiten Straße wurde 1901 bis 1903 nach Plänen des Architekten Wilhelm Johow in einer Mischung historischer Stilelemente aus roten Klinker- und Sandsteinen auf einem Sockel aus schlesischem Granit errichtet. Das Rathaus des in Pankow aufgegangenen Bezirks Weißensee ist ein 1941 für die Askania-Werke fertiggestellter Backsteinbau an der Berliner Allee. Er wurde zu DDR-Zeiten vom Ministerium für Staatssicherheit genutzt und erst nach der Wende Verwaltungssitz. Das Rathaus Prenzlauer Berg an der Fröbelstraße gehörte zum Anfang des vergangenen Jahrhunderts entstandenen Hospital und Siechenhaus. An allen drei Standorten befinden sich heute Verwaltungseinrichtungen. Obwohl vereinzelt gefordert wird, Gebäude zu verkaufen, lehnt der Bezirk dies bisher trotz seiner Finanznot ab.

Steglitz-Zehlendorf. Der Fusionsbezirk verfügt sogar über fünf Rathäuser. Hauptsitz der Verwaltung ist das erst 1929 fertiggestellte Rathaus Zehlendorf an der Kirchstraße, Ecke Teltower Damm. Sein Bau hatte wegen Geldmangels zeitweise stillgelegt werden müssen. Damals spendeten die Bürger. Das 1898 von den Architekten Reinhardt & Süßenguth im Stil der Neogotik errichtete Rathaus Steglitz an der Schloßstraße beherbergt ebenso Teile der Verwaltung. Das Rathaus Lichterfelde an der Goethestraße ist als „Haus der Weiterbildung“ heute Sitz der Volkshochschule. Im 1901 als neogotischer Backsteinbau errichteten Rathaus Wannsee an der Goethestraße hat 1939 Heinz Rühmann geheiratet. Heute befinden sich hier unter anderem eine Kita und eine Jugendfreizeitstätte. Das Rathaus Lankwitz an der Leonorenstraße ist vom Bezirk gemietet; dort sitzt das Sozialamt. Verkaufspläne bestehen nicht. Eine Schreckensimmobilie wurde schon früher aufgegeben: Bis 2007 saß das Bezirksamt in dem asbestverseuchten Hochhaus Steglitzer Kreisel. Über dessen Finanzierung war 1975 der damalige SPD-Finanzsenator Heinz Striek gestürzt.

Neukölln. „Von allen Rathäusern der aufstrebenden, bis 1920 selbstständigen Vorortgemeinden Groß-Berlins, die sich – wie Charlottenburg, Schöneberg, Spandau, Steglitz oder Wittenau – in ihren Verwaltungszentren zu übertreffen suchten, ist das Neuköllner wohl das ansprechendste“, schreibt Kurt Pomplun in seiner 1976 erschienenen Broschüre „Rathäuser in Berlin“. Da Rixdorf aber wuchs und wuchs, reichte das 1909 fertiggestellte Rathaus mit seinem weithin sichtbaren, 70 Meter hohen Turm nicht lange aus, um die mehr als 200 000 Einwohner zu verwalten. 1911 wurde der Erweitungsbau begonnen. 1912 benannte man Rixdorf in Neukölln um. Erst mit einem weiteren Anbau 1955 wurde das angemessene Niveau erreicht. Von den Dörfern Britz, Buckow und Rudow, die 1920 mit Neukölln verschmolzen, hat es nur Britz zu einem eigenen Rathaus gebracht. Der dreigeschossige Zweckbau mit 24 Büroräumen wird heute vom Sozialamt genutzt. Das Gebäude soll im Bestand bleiben, da sich der Bezirk vorrangig von angemieteten Immobilien trennt.

Spandau, Reinickendorf, Lichtenberg, Treptow-Köpenick und Marzahn-Hellersdorf

Spandau. „Vom gleichen Bürgerstolz wie in Charlottenburg kündet das ebenfalls von Reinhardt und Süßenguth gebaute Rathaus in Spandau“, schreibt Pomplun. Bis heute ist es das einzige Rathaus in Spandau. Mit der Rückgemeindung von Weststaaken nach der Vereinigung kam auch das Verwaltungsgebäude der früheren DDR-Gemeinde zum Bezirk. Es wurde saniert und ist jetzt Bestandteil des Komplexes der neu gebildeten integrierten Sekundarschule am Staakener Kleeblatt.

Reinickendorf. Das Rathaus steht am Eichborndamm; der älteste Teil des Gebäudes ist das 1911 errichtete Rathaus Wittenau. Andere Ortsteile verfügten über keine eigenen Rathäuser.

Lichtenberg. Das denkmalgeschützte Rathaus Lichtenberg, ein neogotisches Backsteingebäude, beherbergt die Bezirksverordnetenversammlung. Das ehemalige Rathaus Hohenschönhausen ist heute Sitz des bezirklichen Jugendamtes. Beide Bauten sind nach Auskunft von Bürgermeister Andreas Geisel (SPD) im Eigentum des Bezirksamtes, Verkäufe sind nicht geplant. An der Adresse Alt-Friedrichsfelde 60 hat der Bezirk noch Büros, die er von der BIM gemietet hat.

Treptow-Köpenick. Stattliche vier Rathäuser besitzt der Doppelbezirk. Das Rathaus Treptow und das Rathaus Köpenick werden für die Bezirksverwaltung genutzt. „Dann haben wir noch das Rathaus Johannisthal, da sind unser Museum und eine Seniorenfreizeitstätte drin, und das Rathaus Friedrichshagen“, sagt Bürgermeister Oliver Igel (SPD). Das prächtige, an die Architektur von Spätgotik und Renaissance angelehnte Rathaus Friedrichshagen war bis 2011 Polizeiwache; jetzt wird es über den Liegenschaftsfonds verkauft.

Marzahn-Hellersdorf. Der Doppelbezirk nutzt zwei Rathäuser, nämlich das in Hellersdorf, genannt Helle Mitte, das aber nur gemietet ist, und das Rathaus Marzahn, Helene-Weigel-Platz, das dem Bezirk gehört. Ein Verkauf ist nicht geplant, da laut Bürgermeister Stefan Komoß (SPD) die Büroräumlichkeiten benötigt werden. Die im Bezirk liegenden Viertel Kaulsdorf, Biesdorf und Mahlsdorf haben keine eigenen Rathäuser.

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