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Berlin: Berliner Schokoladenfabrik sieht sich als Opfer einer Verwechselung

Indizien sprechen gegen die rechtmäßige Aufnahme in die Liste des American Jewish CommitteesJohannes Metzler Im Schaufenster des unauffälligen, gelb gestrichenen Gebäudes aus den 20er Jahren prangt das Markenzeichen des Traditionsunternehmens: die Unterschrift des Firmengründers Erich Hamann. Darunter steht: "Bittere Schokoladen".

Indizien sprechen gegen die rechtmäßige Aufnahme in die Liste des American Jewish CommitteesJohannes Metzler

Im Schaufenster des unauffälligen, gelb gestrichenen Gebäudes aus den 20er Jahren prangt das Markenzeichen des Traditionsunternehmens: die Unterschrift des Firmengründers Erich Hamann. Darunter steht: "Bittere Schokoladen". Der makellose Name des renommierten Süßwarenfabrikanten könnte jetzt allerdings einen wirklich bitteren Beigeschmack bekommen. Das American Jewish Committee (AJC) in Berlin führt die Firma, die einst in der ganzen Stadt für ihre exklusiven Pralinen bekannt war, in einer Liste mit Unternehmen auf, die vermutlich während des Dritten Reichs Zwangsarbeiter beschäftigt haben. 120 Personen sollen zur Arbeit beim Schokoladenfabrikanten Hamann gezwungen worden sein. Das AJC beruft sich dabei auf ein Dokument des internationalen Suchdienstes in Arolsen von 1949, in dem die Zwangsarbeiter samt Einsatzort erfasst sind. Schwarz auf weiß ist dort vermerkt: "Firma Hamann, Münchowstraße, 120 Pers.".

Gerhard Hamann, Senior-Chef des kleinen Familienunternehmens mit neun Mitarbeitern, streitet die Vorwürfe ab. Er sei sicher, dass sein Vater niemals Zwangsarbeiter beschäftigt habe: "Ich bin selbst Jahrgang 1934 und kann mich an die Kriegszeit genau erinnern." Anfang der 40er Jahre habe die Produktion weitgehend brach gelegen, weil es keine Rohstoffe gab. In der Münchowstraße in Nicolassee habe man zudem nie eine Filiale unterhalten. "Und hier, im Stammhaus an der Brandenburgischen Straße, haben wir doch gar keinen Platz für 120 Leute", sagt er. Selbst in der Blütezeit des Unternehmens, den Zwanziger Jahren, habe man nie mehr als 60 Mitarbeiter beschäftigt.

Auf zwei engen Etagen wird auch heute noch nach traditionellen Rezepten produziert. In den Räumen ist die Vergangenheit gegenwärtig: Töpfe mit flüssiger Schokolade stehen auf den Arbeitsbänken herum, Bleche mit dünnen Schokoplätzchen warten darauf, von Hand verziert zu werden. Das Geschäft mit den Pralinien läuft mäßig. "Wir haben manchmal Mühe, die Löhne zusammenzubekommen", sagt Gerhard Hamann und hofft, dass die Veröffentlichung der Liste seinem Unternehmen nicht schadet.

Auch Andreas Hamann, Enkel von Firmengründer Erich, sieht die Firma als Opfer einer Verwechslung. Die Geschäftsunterlagen aus der fraglichen Zeit seien noch vorhanden. Gelegentlich hat Hamann in den Papieren geblättert, aber "dabei ist mir nie etwas über Zwangsarbeiter in die Hände gefallen." Dem AJC wirft er vor, dieser habe "zumindest in unserem Fall sehr oberflächlich recherchiert".

Deidre Berger vom AJC hat eine erneute Prüfung des Falls Hamann angekündigt. Hamann sei aber wohl die einzige Firma, die möglicherweise irrtümlich auf der Liste stehe: "Im Großen und Ganzen liegen wir richtig." Aus Berlin und Brandenburg ist nur noch ein weiteres Unternehmen vertreten: die Deutsche Bahn. "Der Internationale Suchdienst hat damals keine Informationen zur sowjetischen Besatzungszone veröffentlicht", erklärt Berger. Es komme auch nicht auf die Vollständigkeit an, sondern darauf, dass über das Thema diskutiert werde.

Johannes Metzler

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