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Berlin: Berliner Schüler haben am wenigsten Unterricht

In allen anderen Bundesländern müssen Kinder mehr lernen: Der neue Bildungsbericht der Kultusminister belegt einen Rückstand von über 1200 Pflichtstunden bis zur zehnten Klasse

In keinem anderen Bundesland bekommen Jugendliche so wenig Unterricht wie in Berlin. Am Ende der zehnten Klasse haben die Schüler gerade einmal so viele Stunden absolviert wie Schüler anderer Bundesländer nach der neunten Klasse. Damit fehlt den Berlinern quasi ein komplettes Schuljahr Dies geht aus dem Bildungsbericht hervor, den die Kultusministerkonferenz (KMK) gestern in Darmstadt vorstellte.

Es ist das erste Mal, dass die KMK dieses heikle Thema in einem offiziellen Bericht behandelt. Demnach haben im Schuljahr 2001/02 beispielsweise Berliner Realschüler bis zur Mittleren Reife 9 918 Unterrichtsstunden bekommen, die Bayern aber 11 172. Der Unterschied beträgt 1 254 Stunden.

Schon im Rahmen der Pisa-Studie hatten Wissenschaftler vor der „bedenklichen Ausdifferenzierung des Unterrichtsvolumens“ gewarnt. Nun sind die Pisa-Zahlen bestätigt worden. Der KMK-Bericht macht auch deutlich, wie diese großen Abweichungen zustande kommen: Bereits in den Klassen 1 bis 4 haben die Berliner Schüler deutlich weniger Unterricht: Rund 21 Wochenstunden in Berlin, 27 dagegen in Hamburg, 25 in Bayern. Berlin gehört auch in den übrigen Klassenstufen zu den Schlusslichtern.

Die Berliner Bildungsverwaltung ärgert sich allerdings über diese Darstellung der KMK. „Wenn Religion in Berlin Pflichtfach wäre, hätten wir genauso viel Unterricht wie andere Bundesländer“, sagt Thomas John, Sprecher von Bildungssenator Klaus Böger (SPD). Diese Rechnung ist allerdings falsch: Der Religionsunterricht könnte in zehn Schuljahren maximal 800 Stunden ausmachen – blieben also mehr also 400 Stunden, die Berlin so oder so fehlen.

Laut John ist Berlin aber auf dem Wege, den Stunden-Rückstand aufzuholen. Etwa durch die zusätzliche Stunde Leseunterricht in Klasse zwei und durch Frühenglisch ab Klasse 3. Zudem soll der mathematisch-naturwissenschaftliche Unterricht in der fünften und sechsten Klasse gestärkt werden. Ob dies allerdings im Schuljahr 2004/05 tatsächlich passiert, ist wegen der Haushaltslage noch ungewiss.

Angesichts der neuen Zahlen hält es die schulpolitische FDP-Sprecherin Mieke Senftleben für falsch, im Rahmen der Abiturverkürzung den Stundenplan zu kürzen, wie es Bildungssenator Klaus Böger (SPD) erwägt. „Ohne mehr Unterricht und mehr Lehrer wird Berlin es schwer haben, die Bildungssituation zu verbessern“, befürchtet Senftleben. Sie plädiert dafür, dass sich Berlin „wenigstens beim Unterrichtsangebot“ den anderen Bundesländern annähert. Aber selbst, wenn Berlin im Schnitt so viele Stunden anböte wie die anderen Bundesländer, schneidet Deutschland im Weltvergleich schlecht ab: Ein Blick in die Pisa-Studie zeigt, dass deutsche Schüler bis Klasse 9 im Schnitt 500 Stunden weniger Unterricht haben als die Schüler der anderen rund 30 OECD-Statten.

Nicht am Schluss, sondern im Mittelfeld der Länder-Tabelle befindet sich Berlin beim Vergleich der Schulabbrecher. In Berlin liegt die Quote bei 11,9 Prozent, in Sachsen-Anhalt bei 14,5 Prozent. Am besten schneidet hier Nordrhein-Westfalen ab, wo nur 7,1 Prozent der Schulabgänger ohne Abschluss sind.

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