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Berliner Schulen: Keine Bitten um Gebete

Am ersten Tag nach den Ferien gab es in den Schulen keine Anträge auf Räume für Religionsausübung. Manche Direktoren sind dennoch besorgt.

Muslimische Schüler haben den ersten Tag nach den Osterferien offenbar nicht dazu genutzt, in ihren Schulen um einen Raum für Gebete zu bitten. Die Senatsverwaltung für Bildung wusste gestern nichts von derartigen Vorstößen, auch eine Tagesspiegel-Umfrage in etlichen Innenstadtschulen ergab kein anderes Ergebnis. Allerdings machen sich viele Direktoren Sorgen, dass es über kurz oder lang solche Anträge geben wird.

„Wir schauen sorgenvoll in die Zukunft“, berichtet etwa Urte Schoenwälder vom Neuköllner Albrecht-Dürer-Gymnasium. Sie kann sich durchaus vorstellen, dass die Forderung nach einem Gebet während der Unterrichtspausen „Schule macht“, zumal sie eine „gehörige Zahl“ muslimischer Schüler habe.

Ruhig blieb es gestern auch am Neuköllner Ernst-Abbe-Gymnasium. Obwohl es hier in den vergangenen Jahren in regelmäßigen Abständen Anfragen von Schülern gegeben hatte, die ihr Mittagsgebet vor Ort pünktlich verrichten und nicht aufschieben wollten, kam gestern keiner auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu sprechen. Wenn ein Schüler sie jetzt nach einem Gebetsraum fragte, würde sie das erst mal mit dem Kollegium besprechen, kündigte Schulleiterin Birgit Nicolas an.

Nicolas ist nicht die Einzige, die gewisse Erwartungen an Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) richtet: Er hat die Schulleiter am kommenden Montag zu einer Versammlung eingeladen,+ und manche Direktoren hoffen, dass das Gespräch auch auf die Gebetsräume kommt. Wie berichtet, hat die Bildungsverwaltung bisher keine Empfehlungen herausgegeben, wie mit entsprechenden Anträgen von Schülern umzugehen ist.

Auf positive Reaktionen stieß der Vorschlag der ehemaligen Weddinger Schulleiterin Anita Mächler, notfalls einen konfessionsübergreifenden „Raum der Stille“ einzurichten. Dort könnten Gläubige beten, die Übrigen könnten die Ruhe genießen und sich besinnen – wenn sie wirklich keine Lust hätten, sich mit ihren Klassenkameraden auszutauschen, sagt Mächler.

Die Pädagogin, die inzwischen dem Vorstand der Evangelischen Schulstiftung anhört, hat prinzipiell nichts dagegen, sich an den Schulen stärker mit dem Glauben auseinanderzusetzen. Generell bringe ein religiöser Mensch, der fest – nicht fanatisch – in seinem Glauben stehe, ein Wertesystem mit, das „auch anderen zugutekommt“. Ihr wäre es am liebsten, wenn es an den Schulen einen Wahlpflichtbereich gäbe, bei dem man zwischen Religionsunterricht einerseits und einem überkonfessionellen Ethikunterricht andererseits wählen könnte.

Ganz anders meldete sich der Sprecher des Lesben- und Schwulenverbandes, Alexander Zinn, zu Wort. Statt Gebetsräume zu dulden, sollte Bildungssenator Zöllner „dafür sorgen, dass der Unterricht an Berlins Schulen wieder ausreichend Raum bekommt“. Aufgrund falscher Rücksichtnahme auf „religiöse Gefühle“ einzelner Schüler könnten die Lehrpläne in einigen Fächern kaum noch eingehalten werden. So zum Beispiel im Sexualkundeunterricht, der an vielen Berliner Schulen faktisch nicht mehr stattfinde. sve

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