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Eisgefahr

© Steinert

Berliner Seen: Gefahr auf brüchigem Eis

Viele Familien missachten die Gefahren auf den Seen – Kleinkinder spielen auf der Krummen Lanke. Dabei bleibt die Gefahr auch, wenn das Eis dicker wird.

Wie ein Eismeer sieht am Sonntag der Große Wannsee aus. Eisschollen treiben im Wasser, bilden fast schon eine geschlossene weiße Fläche, mit dunklen Wasserlöchern hier und da. Eine Fahrrinne ist nur noch zu ahnen. "Das passende Wetter für Knut", sagt einer der wenigen Spaziergänger an der Anlegestelle Wannsee. Er kann kaum glauben, dass dort die Fähre nach Kladow auf Gäste wartet. "Natürlich fahren wir", ruft der Fährmann ans Ufer, "die ,Kohlhase' war früher immerhin ein Eisbrecher!"

Auf der Fahrt um 11 Uhr nimmt er vier Passagiere mit, hartgesottene Ausflügler, die es sich im gut geheizten Inneren gemütlich machen, ein Kartenspiel auspacken, Eisschollen an sich vorbeiziehen sehen. Weil die andere Seite des Ufers fast im Schneegriesel verschwindet, sieht es aus, als führe die Fähre auf offener See.

Das Stern-und-Kreis-Schiff aber muss gar kein Eisbrecher sein wie noch vor 50 Jahren, es zieht im Auftrag der BVG seine Spur auch so durchs Eis, auch wenn es mitunter merkwürdig knirscht und scheuert. Der Fährmann, der nach den Fahrkarten fragt, wirkt vertrauenerweckend wie ein sturm- und eiserprobter Seebär. Erst bei minus 20 Grad werde es kritisch, sagt er, minus 15 sollten es in der Woche vielleicht nachts werden, aber gerade taue es. "Hauptsache, die Leute rennen nicht aufs Eis."

Am Wannsee tun sie's zu dieser Stunde jedenfalls nicht. Vereinzelt nur am Schlachtensee, wo am Freitag ein Mann, sein zweijähriger Enkel und eine Frau, die beide retten wollte, eingebrochen waren.. Haben die spektakuläre Rettungsaktion, der Einsatz eines Hubschraubers und die Mahnungen der Polizei und Feuerwehr zumindest hier Wirkung gezeigt? "Von wegen", sagt einer der Angestellten der "Fischerhütte". Am Sonnabend sei der See trotz des vorherigen Unglücks voller Leute gewesen, am Sonntag hielten sie sich wegen des Tauwetters zurück, aber gerade eben habe er eine Frau auf Skiern auf der Wasserfläche herumrutschen sehen. Und tatsächlich - es laufen auch Familien mit Hunden von einer Seite zur anderen, gerade dort, wo es den Unfall gegeben hat. Zum Glück finden sie kaum Nachahmer.

Die Wasserschutzpolizei gibt nie eine Eisfläche frei

Die meisten Eltern ziehen ihre Kinder, die aufs Eis wollen, zurück, einige haben ihre Schlittschuhe mitgebracht, wie ein Junge, der zu Gast aus Australien ist und sie nun endlich ausprobieren wollte. Nun sitzt er enttäuscht am Ufer, die Verwandten haben ihn überzeugt: Lebensgefahr!

Ein ganzer Trupp Erwachsener mit Kindern kommt vorbei, fast alle halten Eishockeyschläger in der Hand, wollten aufs Eis. "Wir haben uns davon überzeugt, dass es zu gefährlich ist", sagt der Anführer der Gruppe. Nur 100 Meter weiter, an der Krummen Lanke, bietet sich ein anderes Bild: Da spielen die Leute auf der Eisfläche Hockey, gerade mal 20 Meter vom offenen Zulauf aus dem Schlachtensee entfernt. Mehr als 30 Personen tummeln sich völlig unbekümmert an dieser gefährlichen Stelle auf dem Eis, darunter viele Kleinkinder, auch etliche Kinderwagen stehen auf dem Eis. Am Ufer, wo sich eine große Lücke im Eis aufgetan hat, stehen viele Leute, fassen nicht, was sie sehen, schütteln den Kopf und schimpfen: "Man sollte die Polizei anrufen und alle mit Ordnungsgeld bestrafen", meint ein Mann. Ein anderer pflichtet bei: "Wie soll ich meinen Kindern die Gefahr erklären, wenn sie die vielen Leute auf dem Eis vor Augen haben." Viele zeigen auf das stets aktuelle Warnschild: "Baden auf eigene Gefahr". An einem der offenen Wasserlöcher sind Eisschollen wie Mahnmale hochgestellt, und es lässt sich erkennen, wie dünn die Schicht auf dem See ist: Nicht einmal zehn Zentimeter. Die Polizei ist auch am Sonntag mit Lautsprecherwagen unterwegs, aber die Warnungen bleiben vielerorts unbeachtet.

Dabei ist die Gefahr groß, auch wenn die Eisschicht dicker werden sollte. Die Wasserschutzpolizei gibt deshalb nie eine Eisfläche frei, auch die zuständigen Bezirke tun es nicht. Am sichersten ist, sich das Eis von oben anzuschauen: Zum Beispiel von der Wannsee-Fähre aus. So lange es geht.

Christian van Lessen

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