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Polizisten stehen vor einem besetzten Haus in der Rigaer Straße.

© dpa

Berliner Senat und Linksradikale: Härte allein hilft nicht in der Rigaer Straße

Eine friedliche Einigung mit den Linken in der Rigaer Straße ist nach den jüngsten Krawallen unvorstellbar. Der Senat muss sich dennoch politische Optionen offenhalten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Nowakowski

Ein runder Tisch mit Linksradikalen – ziemlich unvorstellbar nach der aktuellen Gewaltwelle. Das Fenster der Gelegenheit, das es vor Tagen noch gab, ist nach der Eruption der Gewalt am Wochenende zu. Was aber die harte Linie bedeuten soll, die Innensenator Frank Henkel und der Regierende Bürgermeister Michael Müller nun verfolgen wollen, ist ebenso unklar.

Tatsächlich gibt es keine Linie, nur Ratlosigkeit. Deutlich erschwert werden alle Lösungsansätze, weil Henkel sich auf eine Eskalation einließ, um als starker Mann der CDU für eine sichere Stadt dazustehen. Im Ergebnis hat dies die Linksradikalen aufgewertet; in ihrem imaginierten Kampf gegen das „Schweinesystem“ fühlen sie sich nun auf Augenhöhe mit dem Staat. Opfer sind die Anwohner, die unter bürgerkriegsähnlichen Zuständen leiden.

Es fällt schwer, sich eine friedliche Einigung vorzustellen. Wie zynisch-verlogen die Vorwürfe sind, eine zu aggressive Polizei sei für die Eskalation verantwortlich, geht aus den hasserfüllten Berichten in den radikalen Internetforen hervor, in denen skrupellos selbst tote Polizisten gerechtfertigt werden.

Symbolisches Unterpfand im Kampf gegen den Kapitalismus

Eine verantwortungsvolle Landesregierung aber muss trotz der verfahrenen Situation immer noch politische Optionen haben. Zu deeskalieren tut deshalb dringend not. Es gilt, das Leben der Anwohner wieder zu normalisieren, die Gesundheit von Polizisten zu schützen und dem Nachdenken eine Chance zu geben. Auch das Recht des Hausbesitzers, seine Baupläne jetzt sofort umzusetzen, kann in der angespannten Situation hinterfragt werden. Das alles löst den Konflikt noch nicht, aber es beruhigt die Lage und verhindert eine falsche Solidarisierung mit den Besetzern, die sich zu Kämpfern gegen die Gentrifizierung stilisieren.

Aber um „ihr“ Haus geht es den Bewohnern nicht, es ist nur symbolisches Unterpfand im Kampf gegen den Kapitalismus. Anderenfalls hätten die Bewohner nicht 2013 das Angebot zurückgewiesen, das Haus über eine gemeinnützige Stiftung zu sichern. Die vielen Straf- und Gewalttaten rund um die Rigaer Straße 94, auch wenn sie in nur geringer Zahl direkt Bewohnern zugeordnet werden konnten, verdeutlicht, dass es den Bewohner auch nicht um die Unterstützung der normale Bevölkerung geht. Viele Anwohner haben vielmehr das provozierende Herrschaftsgebaren als Alltags-Terror empfunden und sind weggezogen.

Rechtsstaat ist nicht verhandelbar, und Brandstiftungen sind Straftaten, die verfolgt werden müssen. Deeskalation und konsequentes Handeln gehören deswegen zusammen. Eine friedliche Lösung benötigt immer die Bereitschaft beider Seiten zum Kompromiss. Wenn die Bewohner dazu nicht bereit sind, wird am Ende unvermeidlich die Räumung des Hauses stehen, weil zwar etliche legale Mietverträge bestehen, von den ursprünglichen Mietern aber viele nicht mehr dort leben.

Wie linksradikale Machtphantasie scheitert, könnten die Bewohner der Rigaer 94 von der nahegelegenen Liebigstraße 14 lernen. Der damalige Innensenator Ehrhart Körting (SPD) ließ das Haus 2011 räumen – nach jahrelangen Verhandlungen, Prozessen und gewalttätigen Demonstrationen. Selbst Grüne lobten damals den besonnenen Polizeieinsatz.

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