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Der SPD-Landesvorsitzende Jan Stöß spricht auf einem Landesparteitag im November 2013 zu den Delegierten.

© dpa

Berliner SPD vor dem Landesparteitag: Der Blick geht ins Ungewisse

Die Sozialdemokraten der Hauptstadt wählen ihren Vorsitzenden. Einziger Kandidat ist Amtsinhaber Jan Stöß. Wo steht die Partei?

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Es ist voraussichtlich das letzte Mal, dass der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit an der Wahl eines Berliner SPD-Vorstands teilnimmt. Als Ehrengast, vorn auf dem Podium, nicht als Kandidat. Landeschef der SPD wollte Wowereit nie werden. Nun muss er zusehen, wie sich die potenziellen Nachfolger für das Amt des Berliner Regierungschefs in Position bringen. Allen voran Jan Stöß, seit zwei Jahren Vorsitzender der Hauptstadt-SPD, der auf dem Wahlparteitag an diesem Sonnabend im Parteiamt bestätigt werden will. Er ist der einzige Kandidat.

Wie ist die Berliner SPD derzeit aufgestellt?

Es herrscht Götterdämmerung bei den Berliner Sozialdemokraten, die seit 1989 ununterbrochen mitregieren. Während des Mauerfalls mit dem Regierenden Bürgermeister Walter Momper, dann als Juniorpartner in einer großen Koalition mit der CDU, Regierungschef war Eberhard Diepgen. 2001 rückte wieder ein SPD-Mann ins Rote Rathaus ein: Klaus Wowereit, der sich von einer rot-rot-grünen Mehrheit ins Amt wählen ließ, ein halbes Jahr mit den Grünen zusammen regierte, dann ein Jahrzehnt mit den Linken und seit Anfang 2012 mit der CDU. Noch heute leuchten die Augen vieler Genossen, wenn sie an die rot-rote Ära denken. „Eine schöne Zeit“, sagen sie, mit einem wenigstens zeitweise kraftvollen Wowereit an der Spitze, der auch ein brillanter Wahlkämpfer war und das Image Berlins als weltoffene, tolerante und kreative, manchmal etwas schräge Metropole personifizierte.

Aber damit ist es nun vorbei, spätestens seit der großen Blamage um den Großflughafen BER in Schönefeld, der nicht fertig werden will. Allmählich verstehen viele Genossen, dass es keineswegs ausgeschlossen ist, dass die Berliner SPD 2016 von den Wählern in die Opposition geschickt werden könnte. Denn Wowereit hat als Erfolgsmodell ausgedient, die Partei ist zunehmend mit sich selbst beschäftigt und zerstritten, es fehlt eine klare politische Linie. Seit Februar liegt die Partei in den Umfragen mit 23 bis 24 Prozent deutlich hinter der CDU zurück. Auch das verunsichert die Parteibasis. Dem Parteichef Stöß wird von einer starken Minderheit im SPD-Landesverband vorgeworfen, bisher keine inhaltliche und personelle Neuausrichtung organisiert zu haben. Ein weiterer Gradmesser, wo die Partei steht, wird die Europawahl am 25. Mai sein.

Wie wirkt sich Wowereits Schwäche auf die Partei aus?

Der innerparteiliche Anfang vom Ende Wowereits wurde am 9. Juni 2012 eingeläutet, als der Sprecher der Berliner SPD-Linken und damalige Kreischef in Friedrichshain-Kreuzberg, Jan Stöß, die Parteiführung an sich riss. Der langjährige SPD-Landes- und Fraktionschef Michael Müller, ein enger Vertrauter des Regierenden Bürgermeisters, verlor die Kampfkandidatur um den SPD-Landesvorsitz. Die neue Mehrheit in der Berliner SPD wurde von Stöß und dem Spandauer Kreischef und Fraktionsvorsitzenden Raed Saleh gemeinsam organisiert. Beiden war klar: Wenn Wowereit abtritt, und das konnte nur noch eine Frage der Zeit sein, würden sie den ersten Zugriff auf die SPD-Spitzenkandidatur für die Wahl 2016 haben. Außenseiterchancen für die Nachfolge Wowereits werden nur noch den Senatoren Dilek Kolat und Michael Müller zugebilligt. Immer mehr konzentriert sich die SPD auf die Nachfolgefrage, die spätestens 2015 beantwortet werden soll.

Mit welchem Wahlergebnis kann Jan Stöß rechnen?

Vor zwei Jahren wurde Stöß mit einer knappen Mehrheit von 55 Prozent der Delegiertenstimmen zum SPD-Landeschef gewählt. Allerdings in einer Kampfkandidatur gegen Müller. Dieses Mal tritt er allein an, da sein stärkster Konkurrent, der SPD-Fraktionschef Saleh, nach längerem Hin und Her auf eine Gegenkandidatur verzichtete. Stöß kann, so heißt es parteiintern, mit einer Mehrheit um die 70 Prozent rechnen, plusminus 10 Prozent. Einige Genossen wollen ihm einen Dämpfer verpassen, andererseits will sich die SPD eine Woche vor der Europawahl nicht selbst zerlegen, indem sie ihren Parteichef bei der Neuwahl beschädigt. Immerhin hat es Stöß geschafft, nach langen Verhandlungen mit allen Kreisverbänden, Arbeitskreisen und anderen wichtigen SPD-Gremien ein Personalkonzept für den gesamten neuen Vorstand zu schnüren, das vom SPD-Landesvorstand bereits einstimmig gebilligt wurde. Das hat vor ihm noch kein anderer SPD-Landeschef hingekriegt. In dieser kleinteilig denkenen, regional zersplitterten Partei eine beachtliche Leistung.

Wie ist es um die Zukunft der Partei bestellt?

Wenn die Berliner SPD so weitermacht, dann schlecht. Die Partei ist überaltert, obwohl in den Innenstadtregionen junge Neumitglieder gewonnen werden. Der altehrwürdige Ortsverein mit seinen Hinterzimmertreffen schreckt auch politisch interessierte Menschen ab, und in den vielen Jahren der Regierungstätigkeit hat sich der SPD-Landesverband gegenüber den Bürgern zunehmend abgeschottet. Nicht alle, aber viele Funktionäre sind gesellschaftlich schlecht vernetzt, denken nur in Parteistrukturen und bemühen sich hauptsächlich um Posten, Jobs und Mandate, die eine langjährige Regierungspartei reichlich zu verteilen hat. Aber dieses System stößt jetzt an Grenzen – und es kommt ein Kernproblem hinzu. Der SPD-Landesverband setzte seit 2001 fast ausschließlich auf den Hoffnungsträger Wowereit, auf dessen unangefochtene Autorität, die nun zerbröselt. Ein innerparteiliches Machtvakuum ist entstanden und es gibt bisher keinen potenziellen Nachfolger, dem die Berliner Wähler wirklich etwas zutrauen. Die stille Hoffnung der Partei beruht darauf, dass es in Berlin (noch) eine strukturelle rot-rot-grüne Mehrheit gibt, auf die sich nach der Wahl 2016 auch ein relativ schwacher SPD-Spitzenkandidat stützen könnte, um an der Regierung zu bleiben.

Was hat die SPD der CDU entgegenzusetzen, wenn es in Richtung Abgeordnetenhauswahl geht?

Zunächst einmal das Drohpotenzial einer Senatsbildung mit Hilfe von Grünen und Linken. Und solange die CDU davon ausgehen muss, dass die Berliner Grünen eine linke Regierungsmehrheit attraktiver finden als Schwarz-Grün, werden die Christdemokraten stillhalten. Selbst wenn der Regierende Bürgermeister Wowereit vor Ende dieser Wahlperiode ausgewechselt werden sollte, was zunehmend wahrscheinlich wird, hat CDU-Landeschef Frank Henkel schon signalisiert, dass die Union einen neuen SPD-Regierungschef klaglos mitwählen wird.

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