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Berlin: Berliner Spitzen

Was das Stadtleben im zurückliegenden Jahr bereichert hat. Und was nicht

WELTMEISTERLICHES

Top: WM-Vorfreude. Plötzlich interessieren sich auch diejenigen für Fußball, die im Schulsport immer als Letzte in die Mannschaft gewählt wurden. Flop: Fanmeile im Spreebogenpark. Die Idee, dass sich hunderttausende Fans auf dem Rasen im Regierungsviertel drängen und sich gegenseitig in die Spree schubsen, konnte nicht gut gehen.

KONZERTANTES

Top: Robbie Williams. Die ganze Welt schaute auf Berlin, als er sein neues Album exklusiv im Velodrom vorstellte. Und die zwei Konzerte im Sommer im Olympiastadion sind auch schon ausverkauft. Junge, komm bald wieder. Flop: Musikfestival Berlin. Neun Tage sollte das Open-Air-Fest im Schöneberger Kleistpark dauern, kurz vorher sagte der Veranstalter alles ab. Nicht mal zehn Prozent der Karten waren verkauft. Ob das an den „Topacts“ Yvonne Catterfeld und Johannes Heesters lag?

VIELBESUCHTES

Top: Stelenfeld und Ausstellung. Die Zweifler sind verstummt: Fast acht Monate nach Eröffnung ist das Holocaust-Mahnmal nicht mehr wegzudenken. Die Menschen strömen hin, um zu gedenken. Flop: Auf den Stelen herumspringen. Abenteuerspielplätze gibt’s woanders.

WEIBLICHES

Top: Heike Makatsch. Die Wahlberlinerin begeisterte mit Kino- und TV-Filmen. Und wer sie abends auf Partys trifft, ist noch mehr von ihr angetan: aufgeweckt, zurückhaltend, immer mit Stil. Nicht zu glauben, dass Heike mal Viva-Girlie war. Flop: Luderladys. Desiree Nick räkelte sich bei der Gala der Berliner Aidshilfe für Fotografen im Rollstuhl, und Djamila Rowe ließ sich von einem bestellten Paparazzo ablichten, der die Hosen runterließ – damit Kollegen das knipsen. Sag mir, wo die Damen sind.

MÄNNLICHES

Top: Whimpster. Das sind blasse, dünne Männer mit wuscheligen Haaren, die unglaublich hilflos aussehen. „Ist der süß!“, quietschen die Frauen, aber Achtung: Das ist alles nur Fassade. Ihre Masche haben sich die Typen beim Sänger und Ober-Whimpster Adam Green abgeguckt. Sie wollen Muttergefühle wecken, aber eigentlich nur eine Bettnummer. Wenn sich das rumgesprochen hat, ist der Trend 2006 ganz schnell wieder out. Flop: Metrosexuelle. Zur Erinnerung: Das sind Männer wie David Beckham, die richtig schön sein wollen – mit gezupften Augenbrauen, epilierter Brust, drei Parfüms gleichzeitig. Der Trend ist inzwischen in der letzten Kleinstadt angekommen. Für den Berliner bedeutet das: Epiliergerät in den Müll.

NACHTSCHWÄRMERISCHES

Top: Hochhaus-Partys. Neu und stilbildend: Der Weekend-Club in der 12. Etage im Haus des Reisens am Alex, das 40 Seconds in Tiergarten und das Solar am Anhalter Bahnhof. Flop: Illegale Partys. Einst war es hip, per E-Mail in muffige Partykeller gelotst zu werden. Im zurückliegenden Jahr gab es kaum noch so etwas. Feiern ohne Besuch vom Ordnungsamt macht eben mehr Spaß.

SÜFFIGES

Top: Beck’s Green Lemon. Zwei Jahre nach „Beck’s Gold“ kam das Bier mit Limonengeschmack auf den Markt und wurde überall in der Stadt getrunken. Besonders in den unzähligen Strandbars. Flop: Caipirinha. Nicht nur Barkeeper verachten das süße Gesöff. Zu oft getrunken, die Geschmacksnerven brauchen Abwechslung.

MODISCHES

Top: Gummiarmbänder. Besonders hübsch sind sie nicht, dafür aber rot, grün oder gelb. Und sie muffeln nicht wie damals die Freundschaftsbänder. Aber Achtung: Weil sie heute jeder hat, sind sie morgen mit Sicherheit out. Flop: Es gibt immer noch Leute, die sich mit Nietengürteln und T-Shirts mit Glitzeraufdrucken in die Öffentlichkeit trauen. Gottseidank werden es weniger. Das Auge ist dankbar, der Verstand bleibt misstrauisch. Weil er weiß: Das nächste 80er-Revival kommt bestimmt.

FEIERLICHES

Top: Myfest. Zum ersten Mal seit 20 Jahren gab’s am 1. Mai in Kreuzberg kaum Krawalle. Tausende Anwohner feierten den ganzen Tag auf der Straße, Randalierer hatten keine Chance. Sogar einige Polizisten tanzten mit. Flop: Love Parade. Zum zweiten Mal musste Dr. Motte seine Parade absagen – die Sponsoren fehlten. Von der Liebes- zur Pleitenparade.

TIERISCHES

Top: Zoo-Nachwuchs. Baby-Alarm im Tierpark und im Zoo! Fast jede Woche kamen neue süße Elefantenjunge, Giraffenkinder und zum Schluss sogar ein putziges Panzernashorn auf die Welt. Selbst überzeugte Tierskeptiker waren gerührt und pilgerten in die Berliner Zoos. Flop: Jack-Russell-Terrier. Pudel waren es, West-Highland-Terrier auch und Golden Retriever erst recht: Modehunde. Nun kläfft mit den „Jackies“ eine besonders zänkische Spezies an den Hundeleinen von Gucci und Louis Vuitton (und obendrein eine mit besonders langen Eckhauern). Lieber Rassel als Russell!

POPPIGES

Top: Intelligenter Pop. Das Jahr hatte musikalisch mehr zu bieten als „Schnappi, das Krokodil“: Die Berliner Element of Crime und Jens Friebe verzauberten mit neuen Alben und großartigen Melodien. So was hört man gerne. Flop: Proll-Rap. Die Rapper Sido (der mit der Maske) und Fler wären gerne „Gangsterrapper“, sie verherrlichen Gewalt und sind frauenfeindlich. Das imponiert nur 13-Jährigen.

FILMISCHES

Top: Programmkinos. Einen Film mit Herz und Tiefgang gucken, auch wenn die Mitseher mal nach „Ich studiere im 13. Semester Psychologie“ aussehen – das ist Kino-Erlebnis. Flop: 23 Krawumm-Filme in 23 Sälen gleichzeitig, dazu Tröge voller Chips mit geschmolzenen Käse-Ersatzprodukten und Cola aus Babybadewannen – das kann doch wirklich keiner mehr sehen. sle/tiw/ling

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