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Vorstadt-Fantasie: Acht Tage lang verwandeln Kirsten Brandt und Jos Porath das ehemalige Jobcenter in der Gottlieb-Dunkel-Straße in eine amerikanische Kleinstadt.

© Sven Darmer/Davids

Berliner Theater-Performance: Twin Peaks in Tempelhof

Zum 25. Jubiläum der Kultserie "Twin Peaks" bauen die Berliner Künstler Kirsten Brandt und Jos Porath eine US-Vorstadt nach – im ehemaligen Jobcenter. Mit einer Theater-Performance wollen sie dort im Juni ihre eigene David-Lynch-Welt erschaffen.

„I’ll see you again in 25 years“, sagte Laura Palmer, Lieblingsleiche der Serie „Twin Peaks“ von Regisseur David Lynch in der letzten Folge. Jetzt sind diese 25 Jahre vorbei – und Kirsten Brandt und Jos Porath nahmen das Versprechen eines Wiedersehens sehr ernst. Ihr Berliner Theaterkollektiv „Seven Minutes in Heaven“ will nicht länger warten und möchte im Juni mit der Performance „The Shells – Ausflug nach Neu-Friedenwald“ seine eigene kleine Lynch-Welt erschaffen. In „Neu-Friedenwald“ soll man endlich riechen und schmecken können, was 1990 über die Bildschirme flimmerte. Und das mitten in Tempelhof.

Die Besucher werden bei der Performance zu Touristen des Ortes. „Mit ihrer Eintrittskarte erhalten sie eine Einladung in die Stadt, dementsprechend müssen sie sich dann auch wie Touristen verhalten“, sagt Regisseurin Kirsten Brandt. Am ersten Tag der Performance – beim Leichenschmaus – werden die Besucher mit Figuren und Regeln vertraut gemacht. Danach bestimmen sie selbst den Fortgang der Kriminalgeschichte durch ihre Interaktion mit den Schauspielern, „bis die Touristensaison am achten Tag beendet ist“.

Im vergangenen Oktober versprach David Lynch seinen Fans eine dritte Staffel der Kultserie. Nach Verhandlungen mit dem US-Sender Showtime hatte der Kultregisseur allerdings zunächst abgesagt, angeblich, weil der Sender nicht genügend Geld geboten hatte. Wütende Fans beschwerten sich in sozialen Medien und gründeten sogar eine Onlinepetition, um Druck auf den Sender auszuüben. Offenbar mit Erfolg: Am Wochenende teilte Lynch über Twitter mit, dass „es doch passieren“ werde. Im nächsten Jahr soll die dritte Staffel nun tatsächlich ins Fernsehen kommen.

Die Abgründe der Vorstadt

In Tempelhof sind sie schon weiter. Kirsten Brandt und Jos Porath sitzen auf einem der vielen Sofas, die auf den 500 Quadratmetern des 7. Stocks des ehemaligen Jobcenters in der Gottlieb-Dunkel-Straße 43 stehen. Hier im Niemandsland der Industrielandschaft soll in den nächsten Wochen mit rund 80 Performance-Künstlern, Bühnen-, Kostümbildnern und Regisseuren die kleine Stadt entstehen. Wo Brandt und Porath gerade sitzen, werden dann die Wohnräume der Stadtbewohner liegen. Schräg gegenüber wird sich das Motel befinden, in dem auch einzelne Besucher übernachten können und das Diner, das zum beliebten Cherry Pie der Serie einlädt. Daneben werden sich Nachtclub und die „Black Velvet Bar“ anschließen.

Grusel-Geschichten. Im Gewand einer Soap Opera wird bei David Lynch die Vorstadtidylle erschüttert. Das soll in Berlin als Performance nachempfunden werden.
Grusel-Geschichten. Im Gewand einer Soap Opera wird bei David Lynch die Vorstadtidylle erschüttert. Das soll in Berlin als Performance nachempfunden werden.

© Laura Jung/promo

Sogar Sherilyn Fenn, die in der Serie Audrey Horne spielte, unterstützte das Projekt, indem sie die Crowdfunding-Kampagne des Berliner Kollektivs verbreitete. Das Projekt ist inzwischen erfolgreich finanziert.

Mit großer Liebe zum Detail haben Brandt und Porath sich diese Welt erschaffen. Wenn sie über ihr Idol David Lynch sprechen, sprudeln die Worte nur so aus ihnen heraus. Über die Menge an Einflüssen, die unter der glatten Oberfläche der von Lynch kreierten Ästhetik einer Daily Soap schlummern, die durch den Fernseher in die Wohnzimmer der Menschen eindringen. Über die Abgründe, die im Mikrokosmos einer Vorstadt lauern, die sie in ihrer Performance ins Nachkriegsdeutschland verlegen. Brandt und Porath wollen die Atmosphäre von Horror und Angst, die sich in der Serie aufbaut, erfahrbar machen, aber ohne Gewalt direkt auszuagieren. Auch weibliche Stereotypen sollen in der Produktion aufgebrochen werden.

Mit dem Leichenschmaus geht's los

Durch den Mord an der Stadtschönheit Cecilia (orientiert an Laura Palmer) zerstört sich die Utopie einer abgeschotteten US-amerikanischen Siedlung von innen. Die Performance beginnt mit dem Leichenschmaus, zu dem die ganze Stadt zusammenkommt. Sie endet mit der Zerstörung der Gemeinde. Dazwischen verfolgt man, wie die Fassade der Kleinstadtidylle zu bröckeln beginnt. Die kontinuierlich als Projektionsfläche missbrauchte Cecilia muss letztlich – ähnlich wie Laura in „Twin Peaks“ – der kollektiven Wunschvorstellung zum Opfer fallen. Die Stadt funktioniert nur als Oberfläche, sie bricht am achten Tag zusammen.

The Shells – Ausflug nach Neu-Friedenwald, 13. bis 20. Juni in der Kulturstätte „Greenhouse“, Gottlieb-Dunkel-Straße 43, Tempelhof. Der Vorverkauf hat bereits begonnen, Karten gibt es für 14 Euro unter www.theshells2015.com. Besucher können „Neu-Friedenwald“ für je vier Stunden betreten und zwar vom 14. bis 16. Juni jeweils 14 bis 18 Uhr und 18 bis 22 Uhr; 17. Juni bis 19. Juni jeweils 17–21 Uhr und 21 bis 1 Uhr.

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