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Berliner Türken: Mit dem Flieger an die Wahlurne

Parlamentswahlen in der Türkei: Für die Migranten ist die Stimmabgabe schwer. Sie müssen extra hinreisen. Für Ministerpräsident Erdogan ist das so etwas wie eine politische Niederlage.

Hüsnü Özkanli versteht nicht, warum er bei den Parlamentswahlen in der Türkei nicht wählen darf – obwohl er wahlberechtigt ist. „Wahlrecht ist ein Menschenrecht, auch für Menschen die im Ausland leben. Technisch wäre es für die türkische Regierung möglich gewesen, Wahlen in Deutschland abzuhalten“, sagt der Vorsitzende der türkisch-deutschen Unternehmervereinigung (TDU) in Berlin.

Wenn in der Türkei an diesem Sonntag gewählt wird, können türkische Staatsbürger, die im Ausland leben, ihre Stimme nur in der Türkei abgeben. Die AKP-Regierung hatte zuvor versucht, einen Urnengang im Ausland zu organisieren. Dazu sollten Wahlurnen in türkischen Konsulaten im Ausland, vor allem in Deutschland, aufgestellt werden. Während des Deutschlandbesuchs des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan im Februar 2011 beschloss der Wahlrat in der Türkei, Wahlurnen im Ausland nicht zu genehmigen. Die Mehrheit der Beobachter geht davon aus, dass die Auslandstürken eher der Regierungspartei AKP zugeneigt sind und werten den Vorgang daher als Rückschlag für den AKP-Chef. Dieser hat sich über das Vorgehen des Wahlrats beschwert. Bereits 2008 hatte die AKP Versuche unternommen, eine Briefwahl einzuführen, war aber auch am Wahlrat gescheitert.

Fatih Karasu, Berliner Rechtsanwalt, vermutet, dass sehr viele hier lebende Staatsbürger in die Türkei reisen, um ihr Wahlrecht wahrzunehmen. Er selber wird nicht zu den Wahlen reisen, aber am Sonntag um 18 Uhr die Hochrechnungen im Fernsehen mitverfolgen. Karasu spricht von einem regen Interesse der hier lebenden Türken an den Wahlen. Der gebürtige Türke bietet für den Verein „Türkische Gemeinde zu Berlin“ eine Rechtsberatung an.

Die türkische Botschaft in Berlin wollte sich zu dem Vorgang nicht äußern und verwies auf das Außenministerium des Landes. Es seien aber an Flughäfen in der Türkei und an Grenzübergängen Wahlurnen aufgestellt worden. Zudem dürften Auslandstürken einen Monat lang ihr Votum abgeben. Das Bundesinnenministerium hatte zuvor eine Anfrage der Türkei geprüft, in türkischen Konsulaten Urnen aufstellen zu lassen. Die Prüfung sei aber hinfällig geworden, nachdem der Wahlrat sich gegen den Urnengang entschieden hatte, sagte der Sprecher des Innenministeriums. Grundsätzlich sei es möglich, dass andere Länder in Deutschland eine Stimmabgabe organisieren, allerdings müsste das jeweils im Einzelfall geprüft werden.

Mehrere türkische Politiker hatten in Deutschland Wahlveranstaltungen abgehalten. Die größte war in Köln mit 12 000 Besuchern und Ministerpräsident Erdogan. In Deutschland lebt die größte Gemeinde von Auslandstürken. Von den insgesamt fünf Millionen im Ausland lebenden türkischen Staatsbürgern, sind gut drei Millionen wahlberechtigt. In Deutschland leben etwa 1,6 Millionen Türken. Wie viele aus Deutschland in die Türkei fliegen, um zu wählen, ist nicht bekannt. „Turkish Airlines“ berichtete, dass Türkeiflüge von Deutschland aus bereits überbucht sind. Das sei ungewöhnlich außerhalb der Ferienzeiten.

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