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In Berlin wird diskutiert, Lehrkräfte wegen des Lehrkräftemangels wieder zu verbeamten.

© Martin Schutt/dpa

Update

Berliner Verbeamtungsdebatte: SPD-Bezirkspolitiker appellieren an Parteitag

In der Diskussion um die Verbeamtung von Lehrkräften in Berlin haben sich alle SPD-Bildungsräte und mehrere SPD-Bürgermeister im Vorfeld festgelegt.

Die Spannung steigt, in immer kürzeren Abständen werden die Pro- und Contra-Argumente vorgetragen: Kurz vor dem SPD-Parteitag am Sonnabend, bei dem die Linie zur Lehrer-Verbeamtung beschlossen werden soll, haben jetzt alle sechs SPD-Bildungsstadträte sowie mehrere SPD-Bürgermeister für die Verbeamtung votiert.

„An fast jeder Schule verlassen gut ausgebildete und engagierte Lehrkräfte die Kollegien, um im Berlinere Umland verbeamtet zu werden“, heißt es in einem gemeinsamen Brief, der dem Tagesspiegel vorliegt. Und weiter: „Die Eltern fragen uns, warum bleibt die Berliner SPD trotz Lehrkräftemangel bei einem Verbeamtungsverbot?“. Zwar werde die Verbeamtung allein das Probleme des Lehrkräftemangels nicht lösen. Sie sei aber ein „wichtiger und richtiger Schritt“. Berlin könne sich einen längeren Verzicht nicht länger leisten.

Initiiert wurde der Brief von Spandaus Bürgermeister Helmut Kleebank der auch zugleich Bildungsstadtrat ist. Unterschrieben haben von den SPD-Bürgermeistern zudem Angelika Schöttler aus Tempelhof-Schöneberg sowie Oliver Igel aus Treptow-Köpenick und Mittes Vizebürgermeister Ephraim Gothe. Es fehlen die Bürgermeister von Neukölln und Charlottenburg-Wilmersdorf, Martin Hikel und Reinhart Naumann.

Hingegen ist die Liste der SPD-Bildungsstadträte vollständig: Karin Korte (Neukölln), Gordon Lemm (Marzahn-Hellersdorf), Heike Schmitt-Schmelz (Charlottenburg-Wilmersdorf), Oliver Schworck (Tempelhof-Schöneberg) und Andy Hehmke (Friedrichshain-Kreuzberg). Ihr Brief schließt mit dem Appell: „Bitte stimmt für die Möglichkeit, die Lehrkräfte wieder zu verbeamten“.

Kollatz argumentiert mit Brandenburg

Zuletzt hatte Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) von der Verbeamtung abgeraten und darauf verwiesen, dass die Quereinsteigerquote in Brandenburg trotz Verbeamtung immens sei, weshalb sich die Verbeamtung für Berlin nicht rechne. Kollatz, der auch immer vor der hohen Krankheisrate der Beamten warnt, behauptete, dass fast die Hälfte der neu eingestellten Lehrer in Brandenburg trotz Verbeamtung Quereinsteiger seien. Tatsächlich ist es aber so, dass die Quereinsteigerquote bei den unbefristet eingestellten Lehrern bei einem Drittel liegt. Nur wenn man die befristet eingestellten hinzunimmt, sind es 47 Prozent. In Berlin lag die Quote der Quer- und Seiteneinsteiger zuletzt bei rund 60 Prozent. Die Zahlen für die befristet und unbefristet Eingestellten wurden - anders als in Brandenburg - nicht separat übermittelt.

Sachsen: Verbeamtungseffekt unklar

Ein weiteres Beispiel: Sachsen. Das Land hat unter dem Druck des Lehrkräftemangels im Februar erstmals angefangen, zu verbeamten. Und nun? Die Bildungsbehörde sagte dem Tagesspiegel auf Anfrage, dass die Quereinsteigerquote von 35 auf zuletzt 20 Prozent gesunken sei. Sachsen sei „spürbar wieder konkurrenzfähig“. Die Abwanderung in den Grenzregionen zu Sachsen-Anhalt und Thüringen sei „reduziert“ worden.

Weniger deutlich fällt die Antwort auf die Frage aus, ob es durch die Verbeamtung leichter wird, Stellen an der Peripherie Sachsens zu besetzen. Das sei „nach wie vor eine große Herausforderung“, teilte ein Sprecher mit. Zwar habe sich bei der letzten Einstellungsrunde im Sommer „erfreulicherweise“ die Bewerberanzahl der ausgebildeten Lehrer und Lehrerinnen erhöht. Allerdings zeigten die meisten Bewerber und Bewerberinnen Interesse für einen Einsatzort in Leipzig und Dresden.

Verbeamtungskritiker weisen darauf hin, dass die inzwischen etwas bessere Lage in Sachsen nicht nur mit der Verbeamtung begründbar sei. Vielmehr sei die Hauptursache, dass vor wenigen Jahren die Zahl der Referendarsplätze drastisch erhöht worden sei. Diese Jahrgänge würden jetzt fertig, berichtet die langjährige Berliner GEW-Tarifexpertin Ilse Schaad.

Berlin bezahlt die Referendare schlechter

Anders als Berlin lockt Sachsen die Referendare mit einem 1000-Euro-Zuschlag pro Monat, wenn sie bereit sind, außerhalb der großen Städte zu arbeiten. In Berlin wird zwar seit langem von einer besseren Besoldung der Referendare gesprochen, selbige aber nicht umgesetzt.

"Im Haushalt wurde kein Geld dafür eingestellt", heißt es aus der Koalition. Warum Berlin sich diese Möglichkeit entgehen lässt, den Nachwuchs an die Stadt zu binden, ist unklar und ärgert auch Berlins GEW-Chef Tom Erdmann. Er hatte zuletzt im September darauf verwiesen, dass von 2.700 Plätze für das reguläre Referendariat nur rund 1.700 besetzt werden konnten. Die GEW forderte daher eine deutliche Erhöhung der Bezüge um 300 Euro pro Monat, um möglichst viele Referendariatsplätze besetzen zu können. Ansonsten müsse Berlin sich nicht wundern, dass es zu wenig Referendare gebe, findet Erdmann.

Im übrigen habe Sachsen zu diesem Schuljahr trotz Verbeamtung "nur 950 voll ausgebildete Lehrkräfte einstellen können. Berlin immerhin 1085". Außerdem wies der GEW-Vorsitzende darauf hin, dass Sachsen die Studenten befragt habe, warum sie ihr Referendariat woanders machen: "Aus Berlin heißt es immer, so eine Befragung sei nicht möglich".  

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