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Berliner Verfassungsgericht: Ärger um Nicht-Wahl von Kandidatin

Überraschend fiel Evelyn Kenzler, die PDS-Kandidatin für das Landesverfassungs- gericht, im Abgeordnetenhaus durch. Die Chefin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Carola Bluhm, kritisierte dies scharf.

Berlin - Bluhm spricht von einem "feigen Akt". SPD-Fraktionschef Michael Müller wirft der Opposition Wortbruch vor. Vertreter von CDU, FDP und Grünen weisen die Schuldzuweisungen zurück. Als Grund für die Ablehnung vermuten sie umstrittene Positionen Kenzlers zum DDR-Unrecht.

Kenzler hatte bei der Abstimmung im Parlament am Donnerstagabend die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit von 91 Stimmen um fünf Stimmen verfehlt. Die Gerichtspräsidentin, der Vizepräsident und weitere vier Richter wurden dagegen mit wenigen Gegenstimmen gewählt. Drei Kandidaten waren von der CDU, zwei von der SPD und je einer von Linker und Grünen nominiert worden. Die vier Richter konnten wegen der Niederlage Kenzlers, die nicht erneut antreten will, nicht vereidigt werden und dürfen ihr Amt deshalb vorerst nicht antreten.

"Rückfall in die 90er Jahre

Bluhm sieht durch den Eklat bei der politischen Kultur "einen Rückfall in die 90er Jahre". Im Vorfeld habe es bei der Vorstellung Kenzlers in allen Fraktionen "keinerlei kritische Anfragen" oder "Zweifel an ihrer Person" gegeben. Mit der Verweigerung der Stimmen für die "außerordentlich integre Kandidatin" sollte die Linksfraktion "auf gemeine Weise" getroffen werden, sagte Bluhm. Kenzler, die in den 80er Jahren Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität studiert hatte und als Anwältin arbeitet, war 1983 in die SED eingetreten und ist heute Mitglied der Linkspartei.

Auch Müller äußerte sich "empört". Die Opposition habe Kenzler entgegen der Absprache nicht mitgetragen. Insbesondere CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger, der in seinen Reihen für die Wahl der Kandidatin werben wollte, habe sich nicht durchgesetzt. Pflüger sei nur eine "Marionette" der Vizefraktionschefs Michael Braun und Frank Steffel, die eine "harte Linie" gegen die Linkspartei verfolgten. Dass gelegentlich auch einzelne SPD-Abgeordnete eine abweichende Meinung hätten, sei nicht auszuschließen, räumte Müller ein. Bei insgesamt 50 Gegenstimmen liege die Verantwortung aber klar bei der Opposition.

Umstrittene Stasi-Äußerung?

Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann sagte, es habe in seinen Reihen zunächst ein "Grummeln" gegen Kenzler, aber keine Anzeichen für eine Gefährdung der Wahl gegeben. Eine mögliche Erklärung sei die erst am Donnerstag durchgesickerte Forderung Kenzlers nach einer Amnestie und Haftentschädigung für verurteilte DDR-Funktionäre und Stasi-Leute, die von der ehemaligen Bundestagsabgeordeten Ende der 90er Jahre erhoben wurde. Nachdem die Äußerungen bekannt geworden seien, "konnte und wollte ich den Prozess nicht mehr steuern", sagte CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger. Er fühle sich von der Linksfraktion "aufs Glatteis geführt". Derartige Informationen vorzuenthalten, sei eine "Zumutung". Eindeutig sei, dass der PDS ein Kandidat zustehe. Darin sei sich die Opposition einig.

FDP-Fraktionschef Martin Lindner bezeichnete es als "Frechheit", eine solche Kandidatin überhaupt zu präsentieren. Zugleich geht er wie Pflüger und Ratzmann nach den Querelen um die Ehrenbürgerwürde für Wolf Biermann oder das Scheitern des Regierenden Bürgermeisters, Klaus Wowereit (SPD), im ersten Anlauf seiner Wiederwahl 2006 auch von Abweichlern bei den Sozialdemokraten aus.

Wie geht es weiter?

Die Linksfraktion sieht ihr Vorschlagsrecht beschädigt. Es werde ihr schwer fallen, um Kandidaturen zu werben, da angesichts des "unehrlichen Umgangs der Opposition" Beschädigungen der kandidierenden Person nicht ausgeschlossen werden könnten, sagte Bluhm. Nach dieser Erfahrung könnten parlamentarische Projekte, die auf Absprachen beruhten, zunächst auf Eis gelegt werden, ergänzte Fraktionssprecherin Kathi Seefeld. So steht eine Verfassungsänderung zur Wahl des Regierenden Bürgermeisters an, der künftig mit absoluter Mehrheit gewählt werden soll, um erneute Pannen zu vermeiden. (tso/ddp)

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