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Tom und Nadine Michelberger haben Schmusebarde Bon Iver und die Band The National in ihrem Hotel kennengelernt.

© Michele Galassi

Berliner Wirtschaft: Neuer Musik-Streamingdienst "People" setzt auf Einzelstücke

Das Hotelier-Paar Michelberger wagt sich mit den Indie-Stars The National und Bon Iver ins Musikgeschäft. Die Plattform bietet unveröffentliches Material.

„We are ready“ steht in großen Lettern über dem Eingang zum Friedrichshainer Michelberger Hotel. Man ist hier also bereit und Eingeweihte wissen auch wofür: Nämlich für „People“, einen neuen Musik-Streamingdienst, der von hier aus mitverantwortet wird und soeben an den Start gegangen ist.

People ist ein ungewöhnliches Projekt und auch nicht gerade alltäglich ist, dass dahinter ein Berliner Hotelier-Paar und US-amerikanische Independent-Musiker stecken. Tom und Nadine Michelberger kennen Aaron und Bryce Dessner von der Indierock-Band The National und Schmusebarde Justin Vernon alias Bon Iver schon lange, man ist befreundet. Im hippen Hotel Michelberger am U-Bahnhof Warschauer Straße fand man zueinander.

Nadine und Tom Michelberger sitzen im Loungebereich ihres Hotels und erklären, was People genau sein soll. Im Foyer kann man Merchandise kaufen, aber auch das eigene Kokoswasser in Dosen, das die beiden findigen Geschäftsleute seit einer Weile erfolgreich vertreiben. „Klar, wir sind erfolgreiche Hoteliers, da wäre es naheliegend gewesen, einfach ein weiteres Hotel zu eröffnen, um zu investieren“, sagt Nadine Michelberger, „doch gerade das Naheliegende hat uns gar nicht so sehr interessiert.“ Also warum nicht mal einen Versuch im Musikbusiness wagen?

Lieber besondere Fundstücke als Massenware

People, so erklären es die Michelbergers, unterscheidet sich von den großen Streaminganbietern dadurch, dass zwar nicht die Bandbreite von Abba bis Zappa geboten wird, dafür aber besondere Fundstücke aus der Indie-Welt, von Bands, die in irgendeiner Beziehung zu Bon Iver und The National stehen. Dabei soll es vor allem um bislang unveröffentlichte Songs gehen, um Fragmente und Unvollendetes, das auf irgendwelchen Festplatten schlummerte.

Ideen, Skizzen, Rohmaterial, unter solchen Kategorien kann man bei People Musik entdecken – etwas für echte Fans und Nerds, für musikalische Goldgräber, die sich nicht nur von Algorithmen leiten lassen wollen. Manchmal klingt das toll, manchmal – nun ja. „Es geht nicht um fertige Produkte“, erklärt Tom Michelberger, „die beteiligten Musiker produzieren möglichst ohne ein bestimmtes Ziel.“ Und wenn sie wollen, laden sie das Ergebnis, auch wenn es nur die Momentaufnahme eines kreativen Schubs ist, bei People hoch.

Anders als Soundcloud etwa ist das Portal aber keine Mitmach-Plattform, wo jeder seine Musik frei zur Verfügung stellen kann. Nur wer von den bereits Beteiligten dazu eingeladen wird, kann seine Musik anbieten. So soll eine wachsende „Gemeinschaft“ entstehen, erklären die Michelbergers.

Eine "Reise ins Unbekannte"

Die Idee für diese neue Form der digitalen Vernetzung kam ihnen vor zwei Jahren. Damals organisierten sie gemeinsam mit The National und Bon Iver ein kleines Musikfestival im Funkhaus Nalepastraße, das auch schon „People“ hieß und dessen zweite Ausgabe im August stattfand. So ungewöhnlich wie der Streamingdienst angelegt ist, so besonders war auch das Festival: Es gab keine Haupt- und Nebenacts und auch keinen starren Zeitplan für die Auftritte der Bands.

Das Publikum sollte sich überraschen lassen und Teil einer Reise ins Unbekannte werden, bei der die Musiker selbst auch nicht so genau wussten, wohin es eigentlich geht. Manche Besucher berichten, die Veranstaltung sei ein riesiges Chaos gewesen. Andere sagen, es war wie eine große Erleuchtung. In welche Richtung es mit dem gehen wird, was dem Festival nun in Form eines Streamingdienstes entwachsen ist, wird sich zeigen. Und ob die Welt ein derart charmantes, aber reichlich unorthodoxes Projekt wirklich braucht, auch.

„Das Ganze ist ein Experiment“, sagt Tom Michelberger. Geld werde damit noch nicht verdient. Die Musik wird kostenlos angeboten, es gibt keine Werbung, dafür werden die User zum spenden aufgerufen. Als Konkurrenz zu Spotify und anderen Streaming-Giganten sehe man sich sowieso nicht, eher als Ergänzung. Wird People profitabel, soll das meiste Geld – anders als in der Branche üblich – bei den Musikern ankommen und nicht bei den Plattenfirmen, versprechen die Michelbergers. Für Tom Michelberger ist People gar nicht so anders als sein Hotel: Nämlich ein Ort, der Leute miteinander verbindet. Jetzt eben virtuell: www.p-e-o-p-l-e.com

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