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Bechstein

© Thilo Rückeis

Aktienkurse: Auch Bechstein spielt den Börsenblues

Die Aktien vieler Berliner Unternehmen wie Air Berlin oder Solon sind beim Crash im Januar stark gefallen Das war für die Berliner Börse, an der es sonst kaum Bewegung gibt, eine besondere Situation. Einige Kurse haben sich schon erholt

Knut macht konjunkturunabhängig. Während den meisten börsennotierten Unternehmen in Berlin im jüngsten Ausverkauf an den Börsen kräftig die Flügel gestutzt wurden, schwang sich die Aktie „Zoologischer Garten mit Aquarium“ binnen weniger Tage von knapp 2400 auf 2950 Euro empor. Zugegeben: Bei nur 4000 ausstehenden Aktien reicht schon die Nachfrage nach ein paar Stücken, um den Kurs zu treiben. Mehr als ein Jahr nach der Geburt des kleinen Eisbären sorgt der Knut-Hype, ablesbar am Orderbuch der Börse Berlin, offenbar noch immer für reges Interesse an der Zoo-Aktie – und für eine Jahresrendite von 16 Prozent.

Davon können viele Berliner Börsenunternehmen nur träumen. Fast alle Firmen mussten im Januar kurzfristig zweistellige Verluste hinnehmen. Zu den größten Verlierern zählten dabei die Axel Springer AG, Air Berlin, die Beteiligungsfirma BMP, das Softwareunternehmen PSI, der Implantat-Hersteller AAP sowie der Mikrochip-Hersteller Silicon Sensor und das Solar-Unternehmen Solon, dessen Aktie um gut 40 Prozent einknickte. Vor allem an der Heimatbörse Berlin, an der sich die Umsätze sonst häufig gegen Null bewegen, warfen die Anleger Tausende Papiere auf den Markt.

„Uns hat es besonders getroffen, weil Solon zuvor so stark gestiegen war“, sagt Therese Raatz, die Sprecherin der Solarfirma. Dank des Solar-Booms explodierte das Papier in den vergangenen fünf Jahren um 4500 Prozent. Dass der Crash die Finanzierung erschwert hat, beunruhigt das Unternehmen nicht. Man habe sich 2007 über die Börse frisches Kapital beschafft und damit ausreichend finanziellen Spielraum, betont Raatz. Zudem steht das Unternehmen nach eigener Aussage erneut vor einem Rekordjahr: 2008 sollen Umsatz und Ergebnis um 75 Prozent steigen. Warum es welche Unternehmen traf, lässt sich kaum erklären: Viele Anleger leerten im Abwärtstaumel wahllos ihre Depots. Das zeigt auch der Kursverlauf einer Aktie, die sonst nicht zu hohen Kursschwankungen neigt: Bechstein Piano, ein Berliner Traditionsunternehmen, das jährlich 4500 Klaviere und Flügel herstellt und auf dem deutschen Markt neben Yamaha führend ist. „Wenn bei uns einmal 3000 Aktien in Umlauf sind, schrillen bei mir die Alarmglocken“, sagt Bechstein–Finanzvorstand Karl-Heinz Geishecker. Am 20. und 21. Januar müssen sie also besonders laut geläutet haben: Da wechselten in Frankfurt und im elektronischen Xetra-Handel sogar mehr als 8000 Papiere ihren Besitzer. Die Bilanz für Bechstein: Minus 17 Prozent seit Anfang Januar. Einen wirtschaftlichen Nachteil für das Charlottenburger Unternehmen gebe es jedoch nicht, sagt Geishecker: „Nur dass die Aktionäre leiden müssen, ist bedauerlich.“ Immerhin: Trotz des Crashs liegt das Papier im Jahresvergleich noch gut acht Prozent im Plus.

Andere Firmen waren wiederum aus den unterschiedlichsten Gründen kaum vom Ausverkauf betroffen: Der Pharmariese Bayer-Schering profitiert etwa davon, dass Aktien von Pharmafirmen zu den sogenannten Substanz-Aktien zählen: Diese werden in Krisensituationen eher ge- denn verkauft – Medikamente brauchen die Menschen auch in schlechten Zeiten. So notiert Bayer-Schering aktuell nur 0,5 Prozent unter seinem Wert vor vier Wochen.

Der Schreibwarenhersteller Herlitz hingegen war nicht von der allgemeinen Krise betroffen, weil die Werte schon seit 2005 abwärtstaumeln. Das begann mit der Übernahme des 2002 schon einmal insolventen Unternehmens durch die amerikanisch-luxemburgische Firma Stationary Products. Dass Herlitz trotz geringer Umsätze weiter an der Berliner Börse notiert ist, liegt nicht nur an der Verbundenheit zur Stadt. Mittlerweile sind alle Unternehmen, die etwa an der Frankfurter Börse eine Zulassung zum sogenannten regulierten Markt beantragt haben, automatisch an den Regionalbörsen notiert – wenn ein Kursmakler dies beantragt.

Auch die Software-Firma Beta-Systems hat der Crash nicht sehr beeindruckt. Hier ging der Ausverkauf gleichsam in ohnehin hohen Schwankungen unter: Der Kurs liegt jetzt bereits wieder deutlich über dem Crash-Tief und im Jahresvergleich sogar mehr als 18 Prozent im Plus. Das sei ein „Glücksfall“, sagt Firmensprecher Arne Baßler. Das Unternehmen mit 645 Mitarbeitern, das Software zur Verarbeitung großer Datenmengen unter anderem an die Allianz und IBM liefert, ist erstmals seit dem Börsengang in den schwarzen Zahlen. Ähnlich sieht es beim Konzertveranstalter DEAG Deutsche Entertainment aus. „Wir haben uns nach Jahren des Übergangs berappelt“, sagt Firmensprecher Axel Mühlhaus. Seit sich die Firma auf den neuen Klassikboom und Stars wie Anna Netrebko konzentriert, hat sich zwar das Geschäft erheblich belebt. Die Börse scheint dies jedoch noch anders zu sehen: Die Aktie ist im Crash um 20 Prozent gefallen.

Ein anderes Papier, das im Januar besonders gelitten hat, sorgte dabei für Aufsehen: Der Verkauf von gerade einmal elf Aktien der Firma Camera Work reichten, um ihren Kurs an der Berliner Börse im Januar um 1000 Euro zu drücken. Die Aktie fiel dabei auf 3500 Euro und ist die drittteuerste Deutschlands. Dabei vermarktet die Firma nur die private Fotosammlung des Besitzers.

Veronika Csizi

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