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Bauwirtschaft: Mörteln unterm Heizstrahler

Die Bauwirtschaft erstarrt im Dauerfrost. Es geht langsam oder gar nicht voran. Das kostet Zeit und Geld.

Dicke Kunststoffplanen, wo das Fensterglas noch fehlt, und Gasheizstrahler auf hohen Touren machen es möglich: Trotz der Eiseskälte draußen wird die Aussichtsetage des Kollhoff-Hochhauses am Potsdamer Platz gerade zum Café umgebaut – es soll im Mai in der 24. Etage eröffnen. Weitgehend unterbrochen ist dagegen die Fassadensanierung, die vor zwei Jahren nötig wurde, weil Teile der rotbraunen Ziegel abzubröckeln begannen. „Derzeit können wir noch Fugen ausfräsen und Steine ausstemmen“, sagt Bauleiter Leonhard Wewior, ansonsten „geht fast gar nichts“. Ans Mörteln sei bei Frost nicht zu denken. Und doch soll die Fassade wie geplant bis Jahresende saniert sein: „Wir verlieren nur gerade einen Zeitvorsprung, den wir uns erarbeitet hatten“, sagt Thomas Schmalfuß, Chef der Potsdamer Platz Management GmbH.

Das Hochhaus ist nur eine von vielen Baustellen in Berlin, die wegen der Minustemperaturen mehr oder weniger brachliegen. So kann der Rohbau des Hotelhochhauses „Zoofenster“ zwischen Breitscheidplatz und Bahnhof Zoo derzeit nicht weiter in die Höhe wachsen: „Bei den Betonarbeiten haben wir Stillstand“, sagt Richard Djoa vom Ingenieurbüro BIC. Nur Erdarbeiten auf dem Nachbargrundstück laufen weiter, dort soll ein kleineres Nebengebäude namens Zoo-Triangel entstehen. Djoa ist aber optimistisch, dass auch das 119 Meter hohe „Zoofenster“ mit einem Waldorf-Astoria-Hotel wie geplant im kommenden Jahr eröffnen kann. Sobald es wieder wärmer wird, „wollen wir den Baufortschritt beschleunigen“.

Unter besonderem Zeitdruck stehen Baufirmen auf dem künftigen Großflughafen BBI in Schönefeld, der Flugbetrieb soll am 30. Oktober 2011 starten. Betonarbeiten sind zurzeit jedoch unmöglich, auch in Schönefeld wollen die Planer deshalb nach der Frostzeit „mehr Dampf“ machen (wir berichteten). Dabei geht es nicht nur um die Abfertigungshallen. Zum Beispiel ist die Wolfgang-Bauer-Ingenieurbau GmbH mit Sitz in Mühlenbeck und Berlin maßgeblich am Bau eines Rechenzentrums in einer alten Lagerhalle beteiligt. Den Auftrag habe man erst kurz vor Weihnachten erhalten, sagt Geschäftsführer Wolfgang Bauer. „Die Termine sind extrem eng gesteckt.“ Die Übergabe der Räume sei bereits für Juni vereinbart und „nur zu schaffen, wenn jetzt gearbeitet wird“. Doch die Halle hat keine Heizung. Also ließ Bauer Ölheizungen aufstellen. „Das bedeutet aber Mehrkosten von 40 000 bis 50 000 Euro“, sagt der Chef. Er wisse nicht, ob sich der Auftrag für ihn jetzt überhaupt noch lohne, ein Ausstieg komme allerdings nicht infrage: „Es muss pünktlich fertig werden.“ Verschieben musste er wegen der Witterung dagegen den Beginn einer Tunnelsanierung am U-Bahnhof Bayerischer Platz in Schöneberg. „Eigentlich hätten wir dort schon beginnen müssen, aber die BVG hat für uns Verständnis.“

Tatsächlich stocken bei den Berliner Verkehrsbetrieben noch mehr Projekte, darunter auf der Linie U1 der Bau einer neuen Weiche auf einer Brücke nahe dem Kreuzberger Gleisdreieck. „Von allen Seiten kommt dort Wind und Kälte“, sagt BVG-Sprecherin Petra Reetz. Am 25. Januar habe man außerdem die Sanierung der U-Bahntunnel am Wittenbergplatz und in der Tauentzienstraße vorläufig stoppen müssen. Das Problem seien nicht die Dichtungsarbeiten selbst. Vielmehr sähen sich der Energieversorger Vattenfall und die Berliner Wasserbetriebe zurzeit nicht in der Lage, Leitungen und Rohre umzubauen, um damit den nötigen Platz für die Sanierungsarbeiten zu schaffen.

Die Bauwirtschaft treffe natürlich Vorkehrungen für den Winter, betonen die Fachgemeinschaft Bau und der Bauindustrieverband Berlin-Brandenburg. Entlassungen könnten in der Regel vermieden werden, schließlich gebe es das staatlich geförderte Saisonkurzarbeitergeld – auch bekannt als Schlechtwettergeld. Viele Firmen verwalten zudem Arbeitszeitkonten, auf denen sich im Sommer häufig Überstunden ansammeln. „Jetzt werden die Überstunden bei uns abgebummelt“, sagt Ingenieur Bauer.

„Viele Kosten laufen aber weiter“, gibt Hans Erdmann, Sprecher des regionalen Bauindustrieverbandes, zu bedenken. Sollte der Frost bis Ende Februar oder länger andauern, „wird es eng“. Derzeit nutzten manche Bauunternehmen die Zwangspause dazu, Mitarbeiter weiterzubilden. Andere glichen die Einbußen teilweise aus, indem sie sich mit ihrem Personal an Winterdiensten in der Region beteiligten.

Die Arbeitslosigkeit sei dennoch „enorm gestiegen“, sagt Christiane Witek von der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit waren in Berlin im Januar 5449 Bauarbeiter ohne Job – 830 mehr als im Dezember. In Brandenburg stieg die Zahl der arbeitslosen Bauarbeiter um 3580 auf jetzt 9356.

Laut Jürgen Wittke, Geschäftsführer der Handwerkskammer, dürfte ein langer Winter auch die Umsetzung der staatlichen Konjunkturmaßnahmen behindern, bei denen es besonders um energetische Sanierungen öffentlicher Bauten geht. Die beteiligten Senatsverwaltungen konnten auf Nachfrage aber nicht mitteilen, welche Verzögerungen es hier schon gibt.

„Der letzte Winter war für uns wegen seiner langen Dauer auch schon ein Ausnahmewinter“, sagt Klaus-Dieter Müller, Chef der K. Rogge Spezialbau GmbH und Obermeister der Baugewerksinnung. Denn schon bei einer Temperatur von weniger als fünf Grad Celsius werde „das Mörteln ganz schwierig“. Seine Firma habe Außenarbeiten am Bundeswirtschaftsministerium in der Scharnhorststraße vorerst beendet, „ich habe die Leute nach innen abgezogen“. Zum Glück gebe es dort noch genug zu tun.

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