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© Uwe Steinert

Berliner Busreisen: Mehr als Schienenersatzverkehr

Bei den Busreisen steigen die Fahrgastzahlen. Am zentralen Halteplatz am Funkturm wird es schon eng.

Noch geht es im Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) am Charlottenburger Messegelände meist ruhig zu, doch an manchen Wochenenden und Feiertagen „platzt hier alles aus den Nähten“, sagt Jörg Winiarski, Fahrkartenverkäufer und Abfertiger der Firma Haru-Reisen. So benötigte „Berlin Linien Bus“, das Gemeinschaftsunternehmen der Firmen Autokraft, Bex, BVB.net und Haru, am Ostermontag für die beliebte Linie nach Hamburg noch einen zusätzlichen Bus – und das, obwohl es täglich zwölf Fahrten zwischen der Hanse- und der Hauptstadt gibt. An den 35 Halteplätzen werde der Platz bald knapp, zeigt auch ein Gutachten der Stadtentwicklungsverwaltung. Jetzt läuft die Suche nach einem zweiten Standort.

Die Zahl der Passagiere ist im ZOB auf zuletzt rund 3,2 Millionen Passagiere pro Jahr gestiegen. Ein Grund dafür sind die günstigen Preise, die in der Regel unter denen der Bahn oder der Billigfluglinien liegen. Die einfache Fahrt nach Hamburg kostet je nach Tageszeit 18, 36 oder 42 Euro. Manche Verbindungen sind zudem schneller oder komfortabler. Mit der Bahn „hätte ich bis zum Timmendorfer Strand zwei Mal umsteigen müssen“, sagte eine gehbehinderte Rentnerin. Stattdessen fuhr sie über Ostern per Linienbus nach Lübeck, wo ein „Bäderbus“ sie ans Ziel bringen sollte.

Bei Reisen nach Berlin habe der Busverkehr einen Anteil von bis zu zehn Prozent, sagt Christian Tänzler von der Berlin Tourismus Marketing GmbH (BTM). Es gehe vor allem um innerdeutsche Städtereisen, aber auch um Linien- und Chartertouren aus Nachbarländern. „Die Tendenz ist positiv“, sagt Tänzler, Berlin gelte als „busfreundlich“ und habe mehrfach Preise des Branchenvereins „Gütegemeinschaft Buskomfort“ gewonnen.

Der 1966 eröffnete Omnibusbahnhof wirkt allerdings kaum preiswürdig. „Architektonisch gibt es schönere Orte, gerade im Vergleich zu den Superbahnhöfen“, sagt nicht nur Tänzler. „Angestaubt“ nennt Haru-Mitarbeiter Winiarski die Anlage mit karg eingerichtetem Warteraum, einem Schnellimbiss und ein paar Pavillons der Busfirmen. „Dort muss etwas gemacht werden“, fordert Andreas Kastner, Juniorchef der Bus-Verkehr-Berlin KG (BVB.net) mit mehr als 200 Mitarbeitern sowie 70 Reise- und 30 Linienbussen. Er könnte sich auch die Schließung und Verlagerung des Busbahnhofs an den Ost- oder Hauptbahnhof vorstellen.

Betreiber des ZOB ist ein Tochterunternehmen der Verkehrsbetriebe. Laut BVG-Sprecher Klaus Wazlak wird gerade eine Teilmodernisierung geprüft. Es gehe jedoch nicht mehr um den Neubau, den der damalige ZOB-Geschäftsführer 2008 vorgeschlagen hatte. Das Konzept sah dreistöckige Gebäude am Platzrand, „vielfältige Unterhaltungsangebote“, einen Innenhof mit Atrium und eine direkte Zufahrt von der Stadtautobahn durch einen Tunnel vor. Die Kosten von etwa 50 Millionen Euro sind der BVG zu hoch. Aufgeben wolle man die Station aber nicht, sagt Wazlak. Als Stärken nennt er die gute Verkehrsanbindung und die Nähe zur Messe Berlin.

Als Zusatzstandort hat Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) den künftigen Großflughafen BBI in Schönefeld ins Gespräch gebracht; Stellplätze für Reisebusse sind dort ohnehin geplant. Aber auch der Ostbahnhof und weitere Orte seien noch im Rennen, heißt es aus der Verwaltung.

Haru-Reisen fährt bereits vier Mal täglich vom Ostbahnhof nach Hamburg, dort steigen vor allem Berliner aus den östlichen Bezirken ein. In der Gegenrichtung sei es den meisten Fahrgästen „Wurst, ob sie dort oder im ZOB ankommen“, sagt Haru-Geschäftführer Hans-Jörg Schulze. Am Berliner Hauptbahnhof sei ein großer Busparkplatz „vergessen worden“, kritisiert er. Provisorisch gebe es zwar einige Stellplätze in der Nachbarschaft, doch solle dort bald das Geschäfts- und Wohnquartier „Europacity“ gebaut werden. Außerdem müssten Busse vom Hauptbahnhof aus eine Weile durch die Innenstadt fahren, um auf die Stadtautobahn zu gelangen. „Die Anbindung ist nicht gut genug.“

Der Busfernverkehr kann ab 2011 einen Schub bekommen, denn die Bundesregierung will gemäß der Koalitionsvereinbarung zwischen Union und FDP die Beschränkungen lockern. Bundesweit gilt seit den 30er Jahren ein Gesetz, das einst die Reichsbahn vor Konkurrenz schützen sollte. Fernbusse dürfen keine Linien bedienen, die einer Bahnstrecke entsprechen – es sei denn, sie sind nachweislich schneller und billiger. Auch muss die Bahn zustimmen. Nur in Berlin wird das Gesetz seit langem lockerer gehandhabt, denn während der deutschen Teilung sollten Reisende eine billige Alternative zur DDR-Reichsbahn haben.

Haru-Geschäftsführer Schulze sieht die geplante Liberalisierung mit gemischten Gefühlen: „Es stecken Chancen darin, aber der Mittelstand würde auf der Strecke bleiben.“ Es dauere zwei oder drei Jahre, bis eine neue Linie profitabel werde, die Anlaufkosten seien hoch. Es drohe ein „Oligopol“ weniger Großunternehmen. Die Bahn sei durch Tochterfirmen längst „Deutschlands größer Busunternehmer“.

Zur Bahn gehört unter anderem die Bayern Express & P. Kühn Berlin GmbH, kurz Bex. Innerhalb Deutschlands steige der Umsatz leicht, hier seien hauptsächlich „der Pkw und Mitfahrzentralen die Wettbewerber“, sagt Geschäftsführer Jörg Schaube. „Drastische Rückgänge“ stellt er bei Buslinien nach Osteuropa fest. Die Flugverbindungen seien „massiv ausgebaut“ und viel billiger geworden. Für Haru-Chef Schulze spielen ausländische Ziele nur eine Nebenrolle. „Bis 1000 Kilometer Entfernung läuft es gut“, sagt er, „dann wird es schwierig.“

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