zum Hauptinhalt
Ärzte im Warnstreik vor der Charité im Oktober.

© dpa/Fabian Sommer

Update Exklusiv

Durchbruch nach Verhandlung in der Nacht: Ärzte-Streik an der Berliner Charité abgewendet

An Berlins Universitätskrankenhaus drohten die Mediziner in diesem Winter mit einem Ausstand. Nun haben sich Charité-Vorstand und Marburger Bund geeinigt.

| Update:

Nach einer fast 24-stündigen Verhandlungsrunde haben sich der Vorstand der Berliner Charité und der Marburger Bund am Mittwoch auf Eckpunkte für einen Tarifvertrag geeinigt. Wie die Klinikleitung und die Ärztegewerkschaft mitteilten, sollen die Gehälter der Mediziner ab Januar 2023 um 3,5 Prozent, ab Juli um weitere 2,2 Prozent steigen. Zudem sind 3800 Euro als steuerfreie Einmalzahlung vorgesehen.

Geplant sind außerdem höhere Zuschläge für Bereitschaftsdienste sowie verlässlichere Schichtpläne. Zudem stünden den Medizinern an der Charité bald fünf statt drei Fortbildungstage pro Jahr zu. Die Gremien des Marburger Bundes, dem circa 60 Prozent der Klinikärzte angehören, müssen den Tarifkompromiss noch absegnen. Dies gilt als sicher.

In der Tarifrunde war die Stimmung zuletzt frostig. Der Marburger Bund forderte insgesamt 6,9 Prozent mehr Lohn, höhere Zuschläge für Nacht- und Bereitschaftsdienste sowie verlässlichere Schichtpläne. Durch die erfolgte Einigung wurde ein Ärztestreik mitten im Wahlkampf, über den man sich auch im Senat sorgte, abgewendet.

An streikenden Ärzten kämen Politiker nicht vorbei

Die Charité-Personalchefin Carla Eysel sagte am Mittwoch: „Insbesondere bei der Arbeitszeitdokumentation können wir jetzt einen Paradigmenwechsel einleiten.“ Man setze nun stärker auf Vertrauensarbeitszeit, was auch ein Schritt zum Bürokratieabbau sei.

Alle an der Charité zu klärenden Tariffragen sind selbst für das ohnehin komplexe Gesundheitswesen umfangreich. An der Hochschulklinik existiert ein Haustarifvertrag, der Marburger Bund hat davon aber bislang nur Einzelaspekte gekündigt.

Zuletzt erwog die Ärztegewerkschaft den kompletten Konzerntarifvertrag zu suspendieren, was weitere Forderungen ermöglichen würde. In diesem Fall hätten Tarifrechtler klären müssen, wofür genau gestreikt werden darf, denn Arbeitskampfmaßnahmen sind in Deutschland stark reguliert.

3000
Krankenbetten betreuen die Ärzte und Pflegekräfte der Berliner Charité.

An streikenden Charité-Ärzten wären die Kandidaten der Parteien im Wahlkampf nicht vorbeigekommen. Ein Ausstand in dem Hochschulkrankenhaus wäre zum Wahlkampfthema geworden, so wie es der Pflegestreik an der Charité und den ebenfalls landeseigenen Vivantes-Kliniken im Spätsommer 2021 war.

Müsste die Charité im Streikfall ihre Versorgung einschränken, ist das wegen der Größe der Klinik umgehend zu spüren. Schon jetzt sperren zudem andere Krankenhäuser wegen Personalmangels regelmäßig Betten.

Generationenkonflikt in der Gewerkschaft

Im Marburger Bund zeichnete sich in dieser Tarifrunde ein Generationenkonflikt ab. Es sind junge Mediziner, um die 30 Jahre, die den Protest an der Charité organisieren. Die einst üblichen 70-Stunden-Wochen lehnen die meist in den Neunzigern geborenen Ärzte ab.

Bereits am 5. Oktober dieses Jahres hatten 700 junge Charité-Ärzte stundenweise die Arbeit niedergelegt, weshalb einige Behandlungen verschoben wurden. Während eines Streiks werden zwar wie üblich Notfälle versorgt, viele planbare Operationen aber abgesagt. Schon während des Pflegestreiks 2021 hatte die Charité-Leitung zahlreiche Eingriffe verschoben.

In einer Mitarbeiterbefragung vor einigen Monaten empfahlen nur 15 Prozent der Ärzte unter 40 Jahren die Charité uneingeschränkt weiter. Insgesamt beschäftigt das Großkrankenhaus 2700 Ärzte.

2700
Ärzte arbeiten an Berlins landeseigener Universitätsklinik.

Die Charité ist eine der größten Arbeitgeberinnen der Stadt. Samt Tochterfirmen hat die Hochschulklinik fast 21.000 Beschäftigte und verfügt über mehr als 3000 Betten in Steglitz, Wedding und Mitte. Mit 2,3 Milliarden Euro Jahresumsatz ist sie Berlins größter Krankenhauskonzern.

Dem Charité-Vorstand steht der Pharmakologe Heyo Kroemer vor, den Aufsichtsrat führt Gesundheits- und Wissenschaftssenatorin Ulrike Gote (Grüne).

Demnächst starten auch in anderen Berliner Kliniken die Tarifrunden der Ärzte. So will der Marburger Bund im Unfallkrankenhaus (UKB) in Marzahn, in den Helios-Kliniken in Zehlendorf und Buch sowie im Paulinenkrankenhaus in Westend höhere Löhne und neue Dienstplan-Regelungen durchsetzen.

Die genannten Kliniken verfügen gemeinsam über fast 5500 der 22.000 Krankenbetten der Stadt. Circa 4000 Mediziner wären von den Tarifrunden betroffen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
showPaywallPiano:
false